Jeanne Mammen und Max Delbrück
Eine Freundschaft zwischen Kunst und Wissenschaft
Bei seiner Emigration 1937 vertraute Jeanne Mammen Max Delbrück einige ihrer Werke an, die er mit in die USA nahm. Nach Kriegsende unterstützte er die Künstlerin mit CARE-Paketen, die neben Lebensmitteln auch Dinge des künstlerischen Bedarfs enthielten.
Im Rahmen des Projekts “Skulpturenpark“ erwarb das MDC Werke von Jeanne Mammen von der früheren Jeanne-Mammen-Gesellschaft. Dazu gehören die Gemälde:
- „Junger Mann mit Schal“ (um 1935–1940, Tempera auf Karton)
- „Der Würgeengel“ (um 1939–1942, Tempera auf Karton)
- „Photogene Monarchen“ (um 1967, Öl und Stanniol auf Karton)
Das MDC erwarb ebenfalls posthum gegossene Bronzen von den Skulpturen:
- „Frauenkopf“ (um 1939)
- „Krieger II“ (um 1945–49)
- „Kleiner Kopf“ (um 1945)
- „Trompete“ (um 1940)
- „Männerkopf“ (um 1945–1949)
Weitere Gemälde und Bronzen wurden dem MDC von der früheren Jeanne-Mammen-Gesellschaft als Schenkung übereignet. Der überwiegende Teil der ausgestellten Bilder kommt aus der ehemaligen Sammlung Max Delbrück, Pasadena, CA, USA. Nach seinem Tod 1981 übereignete seine Witwe, Manny Delbrück, der Jeanne-Mammen-Gesellschaft einen großen Teil seines Bilderbestandes.
Heute zeigt eine Dauerausstellung auf dem Campus Berlin-Buch Werke der Künstlerin. Die Ausstellung kann im Jeanne-Mammen-Saal – im Torhaus am Eingang zum Campus – nach Anmeldung besucht werden. Haus und Saal wurden zusammen mit der früheren Jeanne-Mammen-Gesellschaft umgestaltet.
Biografie von Jeanne Mammen
1890 in Berlin geboren, wächst Jeanne Mammen ab dem 10. Lebensjahr in Paris auf. 1907 beginnt sie zusammen mit ihrer Schwester Marie Louise (Mimi) das Kunststudium an der renommierten Académie Julian. 1908 setzt sie das Studium an der Académie Royale des Beaux-Arts in Brüssel fort. Sie lernt 1911 an der Accademia di Belle Arti di Roma, Via di Ripetta und an der Scuola Libera del Nudo dell’ Accademia di Belle Arti di Roma. 1912 leben die Schwestern wieder in Paris und Brüssel und arbeiten in einem gemeinsamen Atelier.
1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, flieht die Familie Mammen nach Berlin, wo sie ab 1915 lebt. Das Vermögen wurde vom französischen Staat konfisziert. Jeanne Mammen und Mimi halten sich in den Kriegsjahren mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1920 beziehen sie ein Wohnatelier im 4. Stock eines Gartenhauses am Kurfürstendamm 29. Mit Entwürfen für Filmplakate und Illustrationsaufträgen für Bücher und Zeitschriften sichern sie sich einen besseren Verdienst. 1922–1932 arbeitet Jeanne Mammen als freischaffende Künstlerin. Sie erhält Aufträge von Modezeitschriften und Gesellschaftsmagazinen und kann gut von ihrem Einkommen leben. Mit ihren realistischen, auch sozialkritischen Aquarellen und Zeichnungen wird sie zur anerkannten Chronistin des Berliner Großstadtlebens in den 20er Jahren. 1930 findet mit großem Erfolg ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Gurlitt in Berlin statt. 1933 nimmt sie das letzte Mal vor dem 2. Weltkrieg an einer Ausstellung in Berlin teil.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutet für Jeanne Mammen das abrupte Ende ihrer Karriere. Zeitschriften, für die sie arbeitet, werden gleichgeschaltet oder verboten, sie verliert ihre Existenzgrundlage. Dem offiziellen Kunstbetrieb des NS-Regimes will sie sich nicht anpassen. Sie meldet sich arbeitslos und zieht sich in ihr Wohnatelier in die innere Emigration zurück. Ihr Aufnahmeantrag in die Reichskammer der bildenden Künste als Gebrauchsgrafikerin ermöglicht ihr eine Tarnung, auch um sich weiter Malmaterialen beschaffen zu können. Konträr zur offiziellen Kunstausrichtung arbeitet sie im Verborgenen in ihrem Atelier und malt kubistisch-expressionistische Bilder („entartete Kunst“). Als Wohlfahrtsempfängerin mit niedrigem Satz schlägt sie sich wieder mit unterschiedlichen Gelegenheitsarbeiten durch.
1935 lernt sie bei gemeinsamen Freunden den Physiker und Biologen Max Delbrück kennen, und es beginnt eine lebenslange Freundschaft.
Nach Kriegsende beteiligt sie sich im Sommer 1945 zum ersten Mal wieder an einer Ausstellung: „Antifaschistische Maler und Bildhauer stellen aus“. Jeanne Mammen gehört zum avantgardistischen Kreis der Berliner Galerie Gerd Rosen, wo 1947 ihre erste Einzelausstellung nach Kriegsende gezeigt wird. Der durch die Kriegszeit unterbrochene Kontakt mit Freunden in den USA und England ist wieder möglich. Die Care-Pakete sind eine wichtige Überlebenshilfe. Insbesondere Max Delbrück (1937 in die USA emigriert) unterstützt sie auch materiell in den Nachkriegsjahren.
1949/50 beteiligt sich Jeanne Mammen am legendären Malerkabarett „Badewanne“. Sie fertigt Bühnenbilder, Kostüme und Figurinen an und gehört zu dem Folgeprojekt „Quallenpeitsche“. Das Malen gibt sie nie auf. In einer nun aufgelockerten, lyrisch-abstrakten Malweise entstehen Gemälde, die 1954 in einer Einzelausstellung in Berlin gezeigt werden und begeistern. Zu ihrem 70. Geburtstag ehrt die Akademie der Künste in Berlin sie mit einer Einzelausstellung.1967 wird ihre Übersetzung von Arthur Rimbauds „Illuminations“ im Insel-Verlag veröffentlicht.
Zwischen 1962 und 1975, der letzten Werkphase von Jeanne Mammen, entstehen großformatige Glanzpapiercollagen und „numinose Bilder“. 1971 findet eine umfangreiche erfolgreiche Verkaufsausstellung in der Galerie Brockstedt in Hamburg statt. Weitere Verkaufsausstellungen folgen in Stuttgart, 1974 in der Galerie G. A. Richter und 1975 in der Galerie Valentien.
1976 stirbt Jeanne Mammen in Berlin. Nach ihrem Tod gründet ihr enger Freundeskreis die Jeanne-Mammen-Gesellschaft. Sie erhält das Wohnatelier und erschließt und pflegt den Nachlass. Jeanne Mammens Werke werden seitdem in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt, bis 2019 in 44 Einzelausstellungen und 148 Ausstellungsbeteiligungen.
Weitere Informationen
2003 wurde die Jeanne-Mammen-Stiftung in der Stiftung Stadtmuseum Berlin gegründet und die Jeanne-Mammen-Gesellschaft e.V. ging über in den Förderverein der Jeanne-Mammen-Stiftung e.V. 2018 wurden der Kunstbestand und Nachlass der Künstlerin im ehemaligen Wohnatelier aus sicherheitstechnischen und konservatorischen Gründen in das Depot der Jeanne-Mammen-Stiftung überführt. Erhalt und Pflege des Erbes von Jeanne Mammen wurden so in angemessen gewährleistet. In diesem Zusammenhang wurde der Förderverein der Jeanne-Mammen-Stiftung e. V. aufgelöst, und die Stiftung Stadtmuseum Berlin hat das ehemalige Wohnatelier der Künstlerin am Kurfürstendamm 29 übernommen. Eine Besichtigung des rekonstruierten Ateliers ist nach Absprache möglich.
Kontakt
http://www.stadtmuseum.de/ueber-uns
Dr. Martina Weinland
Vorsitzende der Jeanne-Mammen-Stiftung im Stadtmuseum Berlin
Hans-Poelzig-Straße 20
13587 Berlin
Telefon: +49 30 353059 850
E-Mail: Weinland@stadtmuseum.de