Mahnmal

Wissenschaftsorganisationen errichten Mahnmal

Ein Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Euthanasieverbrechen und ihren Missbrauch durch Medizin und Forschung haben das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, die Max-Planck-Gesellschaft (MPG, München) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, Bonn) auf dem Campus Berlin-Buch errichtet.

Das Mahnmal, das die in Berlin lebende Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach geschaffen hat, wurde am Sonnabend, den 14. Oktober, eingeweiht. Es trägt die Inschrift: “Zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Euthanasieverbrechen“.

Von 1939 bis 1944 haben Wissenschaftler des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Hirnforschung in Berlin-Buch Gehirne von Opfern der Mordtaten für Forschungszwecke benutzt.

Als Verpflichtung und Mahnung für Wissenschaftler und Ärzte zu ethischem Handeln, zur Achtung der unveräußerlichen Rechte aller Menschen und zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Mitverantwortung”.

Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Euthanasieverbrechen und ihren Missbrauch durch Medizin und Forschung Künstlerin: Anna Franziska Schwarzbach Copyright/Fotograf: Bernd Kuhnert, Oderberger Str. 48, 10435 Berlin (Tel. 030/44 83 848)

Prof. Detlev Ganten, Stiftungsvorstand des MDC und Vorsitzender der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, Prof. Hubert Markl, Präsident der MPG, und Prof. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der DFG, machten deutlich, dass sich die Wissenschaft in Deutschland ihrer Beteiligung an der verbrecherischen Politik des Nationalsozialismus stellt.

Das Mahnmal in Berlin-Buch ist Teil des historischen Aufarbeitungsprozesses. So hatte die MPG, die Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Hirnpräparate, die u.a. aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch stammten, am 25. Mai 1990 auf dem Waldfriedhof in München im Rahmen einer Gedenkveranstaltung beigesetzt. Darunter befanden sich Gehirne von Opfern der “Euthanasieprogramme”, die auch aus Brandenburg-Görden stammten.

Wenige Tage vor der Einweihung des Bucher Mahnmals legte zudem die von MPG-Präsident Markl eingesetzte Kommission “Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus” in Berlin einen Zwischenbericht zur “biowissenschaftlichen Forschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten und die Verbrechen des NS-Regimes” vor, darunter auch über das Bucher Hirnforschungsinstitut. Die DFG hatte im vergangenen Jahr eine Studie über die Forschungsförderung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich veröffentlicht.

Bei der Einweihung des Bucher Denkmals sagte Prof. Ganten: “Dank gemeinsamer Anstrengungen von MDC, MPG, DFG sowie mit Hilfe von Spenden und mit Geldern der Stiftung Deutsche Klassenlotterie konnte jetzt dieses Mahnmal errichtet werden. Wie sehr wachsam wir sein müssen, damit Forscherdrang nicht dazu führt, die Grenzen ethischen Handelns zu überschreiten, zeigt auch die Geschichte des Hirnforschungsinstituts in Berlin-Buch. An dieses düstere Kapitel der deutschen Forschung und an die besondere Verantwortung der Wissenschaft und des einzelnen Wissenschaftlers soll dieses Mahnmal auf dem Gelände des ehemaligen Hirnforschungsinstituts erinnern. Wir als Wissenschaftler und Ärzte haben die Verpflichtung Sorge dafür zu tragen, dass die Forschung ausschließlich dem Wohl des Menschen dient.”

MPG-Präsident Prof. Markl, sagte in seiner Rede: “Es gibt nichts daran zu beschönigen oder zu verschweigen: Direktoren, Wissenschaftler und Mitarbeiter mehrerer biologisch-medizinischer Kaiser-Wilhelm-Institute haben sich in den Dienst eines verbrecherischen Regimes gestellt und menschenrechtswidrige Maßnahmen aktiv gefördert und sogar Nutzen aus den Möglichkeiten einer moralisch ‚entgrenzten’ Wissenschaft für ihre Forschungen gezogen.”

Markl appellierte zugleich an die heute in der Biomedizin tätigen deutschen Wissenschaftler, sich dieser Vergangenheit zu stellen und sich mit ihr auseinander zu setzen. Bei aktuellen Forschungsarbeiten und der Entwicklung von Anwendungen seien menschenrechtliche und ethische Maßstäbe strikt einzuhalten und insbesondere allen rassistischen und antisemitischen Tendenzen in unserer Gesellschaft aktiv entgegenzutreten.

DFG-Präsident Prof. Winnacker sagte: “Dieses Mahnmal ist den Opfern eines gewissenlosen Regimes gewidmet, die gleichzeitig Opfer einer Wissenschaft wurden, die sich - wider jede Rückbesinnung auf die Verpflichtung, dem Menschen zu dienen - mit einem beispiellosen ethischen und moralischen Nihilismus verbunden hat. Wissenschaft schreibt sich selbst nicht selten eine besondere moralische Kompetenz zu; wie dünn dieser Boden sein kann, ist die erschreckende Erfahrung aus dem Nationalsozialismus.

Dass sich ausgerechnet diejenigen Wissenschaften, die sich die Fürsorge für das Leben und den Menschen zur Aufgabe und zur Verpflichtung machen, aufs grausamste gegen das Leben und den Menschen gewandt haben, ist eine bittere Erkenntnis. Dass sie sich dabei auch auf den wissenschaftlichen Fortschritt beriefen, muss uns eine Mahnung bleiben.”

Kontakt

Barbara Bachtler
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Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 94 06 - 38 96
Fax:  +49 (0) 30 94 06 - 38 33
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/de/news


Max-Planck-Gesellschaft Dr. Bernd Wirsing
Hofgartenstr. 8
D 80539 München
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Fax: +49/89/21 08-12 07
e-mail: wirsing@mpg-gv.mpg.de
http://www.mpg.de


Deutsche Forschungsgemeinschaft
Dr. Eva-Maria Streier
Kennedyallee 40
D 53175 Bonn
Tel: +49/228/885-22 50
Fax: +49/228/885-21 80
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http://www.dfg.de
 

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