Ursache für Taubheit bei Bartter-Syndrom aufgeklärt
Bevor der Mensch ein Geräusch wahrnimmt, muss der Schall in
Nervenimpulse umgewandelt werden. Diese Aufgabe übernehmen Sensoren, sogenannte
Haarzellen, die in der Schnecke (Cochlea) des Innenohrs sitzen. Durch
ankommende Schallwellen öffnen sich Ionenkanäle, die in der Zellhülle der
Haarzellen sitzen. Positiv geladene Ionen (Kalium) strömen in die Zelle und
verändern ihre elektrische Spannung. An die Haarzellen angeschlossene
Nervenzellen bemerken die Spannungsveränderung und geben sie als Nervenimpulse
an das Gehirn weiter.
Damit die positiv geladenen Kaliumionen in die sensorischen
Haarzellen einströmen und somit den Schall in elektrische Signale umsetzen,
muss der Flüssigkeitsraum der Schnecke, der mit den Haarzellen in direktem
Kontakt steht, die „Scala media“, elektrisch positiv geladen sein. Diese
positive Spannung erzeugt eine Zellschicht (die „Stria vascularis“) am Rande
der Schnecke, die sozusagen die ‚Batterie’ für den Hörprozess ist.
Aus früheren Arbeiten, an denen die Autoren der jetzigen
Arbeit beteiligt waren, war bekannt, dass ein Defekt in Barttin, einem
Bestandteil eines Ionenkanals in der Niere, zu den für die Krankheit typischen
Nierenproblemen und zugleich zu Taubheit führt. Der genaue Mechanismus, der die
angeborene Taubheit auslöst, war bisher unbekannt.
Jetzt konnten die Wissenschaftler von MDC und FMP zeigen,
wie Barttin den Gehörverlust auslöst. Um den Mechanismus genauer zu
untersuchen, schalteten die Forscher das Gen für Barttin gezielt im Innenohr
von Mäusen aus. Sie beobachteten, dass ohne Barttin, das in der als ‚Batterie’
dienenden Zellschicht vorhanden ist, keine ausreichende elektrische Spannung
für den Einstrom von Ionen in die Haarzellen aufgebaut wird. Die Folge ist,
dass trotz ankommender Schallwellen keine Nervenimpulse gebildet werden – die
Mäuse sind taub.
„Damit haben wir den Mechanismus der Taubheit bei dieser
seltenen menschlichen Erbkrankheit aufgeklärt und wesentlich zum Verständnis
der ‚Batterie’ im Innenohr beigetragen“, erläutert Prof. Jentsch. „Wie andere
Mausmodelle aus unserem Labor zeigen, wird beim Patienten der gleichzeitige
Salz- und Flüssigkeitsverlust über die Niere den Innenohrschaden noch
vergrößern. Selbst bei einer optimalen Behandlung des Flüssigkeitsverlusts
zeigen unsere Studien, dass eine Behandlung des Hörverlusts mit heutigen
Methoden nicht möglich ist.“
*Endocochlear potential depends on Cl_ channels: mechanism underlying
deafness in Bartter syndrome IV
Gesa Rickheit1, Hannes Maier2, Nicola Strenzke3,
Corina E Andreescu4, Chris I De Zeeuw4,5, Adrian Muenscher2,
Anselm A Zdebik1,6 and Thomas J Jentsch1,*
1Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
and Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin, Germany
2Department of Otolaryngology, Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany,
3Department of Otolaryngology, Center for Molecular Physiology of the
Brain Universität Göttingen, Göttingen,
Germany,
4Department of Neuroscience, Erasmus MC, Rotterdam,
The Netherlands
and
5Netherlands Institute for Neuroscience, Royal
Academy of Sciences (KNAW), Amsterdam, The Netherlands
Das Eiweiß Barttin (rot dargestellt) sorgt im Innenohr durch Bindung an einen Ionenkanal für Chlorid für eine positive Spannung in dem Flüssigkeitsraum, der an die Sinneszellen angrenzt. Diese Spannung wird benötigt, um ankommende Schallwellen in Nervenimpulse zu übersetzen. (Photo: FG Thomas Jentsch/Copyright: MDC/FMP)
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 94 06 - 38 96
Fax: +49 (0) 30 94 06 - 38 33
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/