Drei exzellente Forscher zu Gast am MDC
Die Stiftung Charité hat die Förderung von sechs Einstein BIH Visiting Fellows beschlossen, drei von ihnen werden eng mit Forscherinnen und Forschern am MDC kooperieren. Mit dem Programm werden führende Persönlichkeiten von renommierten Universitäten im Ausland zeitweise nach Berlin eingeladen, um in der Hauptstadt Arbeitsgruppen zu aktuellen lebenswissenschaftlichen Themen ins Leben zu rufen. Sie arbeiten dabei mit Gastgeberinnen und Gastgebern des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung, der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft zusammen. Die Stiftung Charité führt das Programm in enger Kooperation mit der Einstein Stiftung Berlin durch. Die Mittel stammen aus der Privaten Exzellenzinitiative, die die Unternehmerin Johanna Quandt 2013 zur Stärkung der Lebenswissenschaft in Berlin ins Leben gerufen hat.
Einzelzellbiologie für die Krebsmedizin
Zu den neu ausgezeichneten Einstein BIH Visiting Fellows gehört Professor Chris Sander. Er ist Professor für Zellbiologie an der Harvard Medical School (USA), weltweit führend im Bereich der computergestützten Krebsforschung und einer der Begründer der Perturbationsbiologie – einem Gebiet, das die Reaktionen von Zellen auf bestimmte Störungen mithilfe von Computersimulationen vorhersagen möchte. Seine neue Arbeitsgruppe in Berlin wird sich in den nächsten Jahren die Möglichkeiten von neuen Methoden der Einzelzellanalysen zunutze machen, um die Wirksamkeit von Medikamenten bei der Behandlung unterschiedlicher Tumore abschätzen und individuell verbessern zu können. Hierfür sollen unter anderem Organoide aus Gewebeproben von Krebskranken erzeugt und deren Behandlungsmöglichkeiten bis auf die Ebene von Einzelzellen analysiert und simuliert werden. Dabei wird er eng mit seinem Gastgeber, dem Bioinformatiker Professor Nils Blüthgen vom Institut für Pathologie der Charité und IRI Life Sciences zusammenarbeiten. Von Seiten des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin beteiligt sich der Zellbiologe Professor Markus Landthaler. Die Gruppe wird für drei Jahre mit 450.000 Euro gefördert.
Zwei Perspektiven auf die Rolle von Mikroglia
Für zwei Jahre verlängert wurde die Förderung von Professor David Gutmann, Washington University School of Medicine in St. Louis, USA. Sein Gastgeber ist Professor Helmut Kettenmann, MDC. Gutmanns Arbeitsgruppe definiert seit 25 Jahren die molekularen Mechanismen hinter einer genetisch bedingten, seltenen Erkrankung, die Defizite des Nervensystems nach sich zieht: Neurofibromatose Typ 1 (NF1). Dabei hat das Team herausgefunden, dass Mikroglia den Verlauf beeinflussen – insbesondere die gutartigen Wucherungen, die im Gehirn der Kinder auftreten. Es lag daher nahe, mit Helmut Kettenmann zu kooperieren, einem Pionieren der Gliaforschung. Die Gruppen untersuchen nun gemeinsam, wie NF1-Mutationen die Biologie der Mikroglia bei Mäusen und Menschen
und somit die normale Gehirnfunktion beeinflussen. Gutmann hat Haut- und Urinproben von Erkrankten gesammelt. Diese Zellen werden zunächst in Stammzellen und dann in Mikroglia umgewandelt. So können die Teams normale Zellen und Zellen mit NF1-Mutationen vergleichen. „Die interessantesten Fragestellungen begegnen mir, wenn ich Kinder mit NF1 behandle. Doch nur durch Grundlagenforschung lassen sich diese Probleme lösen“, sagt Gutmann.
Ein Nukleus für die Genomarchitektur
Meterlang ist der Erbgutfaden, der in jeder Zelle des Körpers steckt. Die Zellen müssen ihn in einem winzigen Kern verstauen. Das funktioniert dank einer kunstvollen Falttechnik, durch die ein räumliches Zusammenspiel zwischen Genen und ihren Schaltern entsteht – mit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Professorin Ana Pombo vom MDC hat eine Methode entwickelt, mit der sich die dreidimensionale Topographie des gesamten Genoms kartieren lässt. Die Molekularbiologin ist die Gastgeberin des theoretischen Physikers Professor Mario Nicodemi von der Universität Neapel; seine Förderung als BIH Visiting Fellow wurde für zwei Jahre verlängert. Nicodemi nutzt physikalische Gesetze, um zu verstehen, welche molekularen Mechanismen die 3D-Architektur des Genoms kontrollieren und mithilfe von Modellen ihre Wirkung vorhersagen. Dabei arbeiten die Teams eng mit dem klinischen Genetiker Professor Stefan Mundlos von der Charité zusammen. „Wir haben herausgefunden, dass Mutationen in der Genomsequenz, die die Gene nicht direkt betreffen, oft die Kontakte zwischen den Genen und ihren regulatorischen Elementen an anderer Stelle im Genom verändern, und dass bestimmte angeborene Krankheiten mit diesem Mechanismus verbunden sind“, sagt Nicodemi.
Weiterführende Informationen
- Interview mit Helmut Kettenmann und David Gutmann
- Interview mit Ana Pombo und Mario Nicodemi
- Pressemitteilung der Stiftung Charité und der Einstein Stiftung