Zellbild in magenta und cyan

Innovationen für die personalisierte Medizin

Therapien, die genau auf Erkrankte zugeschnitten sind, sind derzeit meist unbezahlbar. Mit der „GO-Bio Initial“-Förderung können jetzt drei Postdocs am Max Delbrück Center daran arbeiten, personalisierte Ansätze zu vereinfachen, die Kosten zu senken und damit für mehr Menschen zugänglich zu machen.

Sie forschen an personalisierter Medizin: Michael Fichtner, Ines Lahmann und Clara Vázquez García (von links nach rechts).

Von synthetischen DNA-Vektoren über patientenspezifische Modelle neuromuskulärer Erkrankungen bis hin zur besseren Einschätzung des Krebsrisikos und von Immunschwächen – drei Projekte von Forschenden des Max Delbrück Center werden 2025 über das „GO-Bio Initial“-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Projekte zielen darauf ab, personalisierte Therapien günstiger und damit breiter zugänglich zu machen. Das Programm unterstützt insbesondere Ansätze aus der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung mit erkennbarem Innovationspotenzial. 

Die Förderung ermöglicht eine einjährige Konzeptphase: In dieser Zeit können die Forschungsteams ihre Ideen weiterentwickeln und den Markt analysieren und das Vermarktungspotenzial ihrer Ideen abwägen. Unterstützt werden Einzelprojekte an Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit bis zu 100.000 Euro für ein Jahr. Weitere Ausgaben wie Patentierungskosten, Material- und Verbrauchskosten sind ebenfalls förderfähig. Erfolgreiche Konzepte können in einer zweiten Auswahlrunde eine zweijährige Machbarkeitsphase beantragen. 

„Dornröschen“ verändert Immunzellen  

Eine Immuntherapie mithilfe chimärer Antigenrezeptoren (CAR) und T-Zell-Rezeptoren (TCR) hat sich bei vielen Krebsarten als erfolgreich erwiesen. Den Erkrankten werden dabei Immunzellen entnommen, die werden Zellen im Labor mit für die Therapie nützlichen Genen ausgestattet. Anschließend bekommen die Patient*innen eine Infusion mit den veränderten Immunzellen. Ihr Immunsystem wird so in die Lage versetzt, Krebszellen zu erkennen und auszuschalten, was in vielen Fällen eine Heilung ermöglicht. Ob diese Methode auch für die Behandlung unheilbarer Autoimmunerkrankungen geeignet ist, wird gerade erforscht. 

Michael Fichtner

Im Moment nutzen Forschende oft modifizierte Viren, um die gewünschten Gene in die Immunzellen einzubauen. Die Herstellung dieser viralen Transportsysteme ist jedoch komplex, teuer und zeitaufwändig, was den Zugang zu solchen personalisierten Therapien einschränkt. Anstelle von Viren will Dr. Michael Fichtner, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe „Mobile DNA“ von Dr. Zsusanna Izsvák, daher synthetische Transposons für den Transfer therapeutischer DNA in menschliche Zellen nutzen. In dem Projekt wird er untersuchen, ob Herstellung und Verwendung machbar sind. 

Fichtner wird die „Sleeping-Beauty“-Transposase-Technologie einsetzen, um die Zellen zu verändern. Sie wurde in der AG Izsvák am Max Delbrück Center entwickelt und nutzt ein DNA-Transposon – also eine DNA-Sequenz, die an verschiedene Stellen im Genom „springen“ kann. Die Technologie besteht aus dem „Sleeping Beauty“-Transposon und der Transposase, einem Enzym, das das Transposon aus dem DNA-Abschnitt, der es enthält, herausschneidet und in das Erbgut der angesteuerten Zelle integriert. Mit der Förderung in Höhe von 94.000 Euro will Fichtner neue Wege zur Herstellung synthetischer Transposons, die patientenspezifische therapeutische Gene in Immunzellen einschleusen können, finden und entwickeln. Das könnte die Kosten der Therapie deutlich senken und sie damit für mehr Menschen zugänglicher machen. Die Technologie könnte auch zu neuartigen personalisierten Therapien führen. 

„Die Technologie hat das Potenzial, wirklich etwas zu verändern“, sagt Fichtner. „Ich hoffe, dass sie dazu beitragen kann, bisher unheilbare Krankheiten zu heilen oder unerschwingliche Therapien bezahlbarer zu machen.“ 

Wirkstofftests für neuromuskuläre Erkrankungen 

Ines Lahmann

Die Arbeitsgruppe „Stammzellmodellierung der Entwicklung und Erkrankung“ von Dr. Mina Gouti hat komplexe Modelle entwickelt, die nicht nur Nerven- und Muskelzellen enthalten, sondern auch chemische Synapsen (motorische Endplatten). Dazu gehören 2D-Systeme für Hochdurchsatz-Screenings und dreidimensionale neuromuskuläre Organoide. Diese Modelle werden aus patient*innenspezifischen induzierten pluripotenten Stammzellen gewonnen. Potenziell ermöglichen sie es den Wissenschaftler*innen, die Krankheitsmechanismen und die Wirksamkeit einer Therapie für die einzelnen Patient*innen zu verstehen.  

Mithilfe der Förderung – 100.000 Euro – wird die Postdoktorandin Dr. Ines Lahmann untersuchen, ob diese Modelle tatsächlich zur Entwicklung neuartiger personalisierter Therapien für neuromuskuläre Erkrankungen eingesetzt werden können. 

Ein humanes selbst-organisierendes 2D-Modell der neuromuskulären Verbindung. Die Immunfluoreszenzanalyse der gesamten Kulturschale zeigt Muskelzellen (magenta), die in Bündeln organisiert und von Rückenmarksneuronen (cyan) umgeben sind.

Im Gewebe ist die chemische Synapse der Ort, an dem Nerven und Muskelfasern zusammentreffen. Es handelt sich um eine grundlegend wichtige Synapse, über die Nervensystem und Muskeln miteinander kommunizieren. Eine Fehlfunktion dieser Synapsen kann zu neuromuskulären Erkrankungen wie Spinaler Muskelatrophie (SMA) und Amyotropher Lateralsklerose (ALS) führen. Für diese Krankheiten gibt es noch keine wirksame Behandlung. 

Die Zellen in den 2D- und 3D-Modellen organisieren sich selbst zu funktionsfähigen motorischen Endplatten, erklärt Lahmann. Sie ahmen damit die neuromuskuläre Entwicklung im lebenden Organismus nach. „Die Förderung durch das BMBF ermöglicht es uns, den nächsten Schritt zu gehen und die komplexen neuromuskulären In-vitro-Modelle des Menschen im klinischen Kontext einzusetzen. Unser oberstes Ziel ist es, das Leben von Patientinnen und Patienten zu verbessern und dafür schneller wirksame Therapien finden.“ 

Immunfitness und Krebsrisiken besser abschätzen 

Primäre Immundefekte (PID) sind angeborene Erkrankungen des Immunsystems. Sie sind schwer zu diagnostizieren, da nur ein Bruchteil durch Mutationen in einem einzigen Gen verursacht wird. Auch bei den erblichen Krebserkrankungen sind es nur zehn Prozent der Fälle, die sich auf Mutationen in einem einzelnen Gen zurückführen lassen. Ob ein Blut-Biomarker besser bei der Diagnose von PID und der Einschätzung des Krebsrisikos helfen kann, untersucht nun Dr. Clara Vázquez García, Postdoktorandin bei Professorin Kathrin de la Rosa. Sie hat dafür 95.000 Euro erhalten. 

Clara Vázquez García

Gemeinsam mit ihrem Projektteam hat sie einen neuen Test entwickelt, der einen kleinen Teil des Erbmaterials der im Blut zirkulierenden B-Zellen analysiert. Der Test untersucht über 70 genetische Merkmale, die mit der DNA-Reparatur und der Immunleistung einer Testperson korrelieren. Auf dieser Grundlage beurteilt der Test, wie gut die DNA-Reparatur und das Immunsystem der jeweiligen Person funktionieren. 

Die Ergebnisse können beispielsweise dabei helfen, ein erhöhtes Krebsrisiko vorherzusagen oder Menschen mit Immunschwäche zu diagnostizieren und zu stratifizieren. Derzeit gibt es nur eine einzige Alternative, um Mutationen, die über das Genom eines Patienten verstreut sind, zu identifizieren: Es müsste das gesamte Genom der Betroffenen sequenziert werden. Aber das ist zu teuer, erklärt Vázquez García. „Unser Ziel ist es, einen bezahlbaren Test zu entwickeln, der tiefe Einblicke ins Erbgut ermöglicht und den Zugang zu personalisierten Therapien verbessert.“ 

Kathrin de la Rosa leitet eine Gastgruppe am Max Delbrück Center und eine Forschungsgruppe am Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin – einem gemeinsamen Forschungsinstitut des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Projekt ist das Ergebnis einer vielversprechenden Zusammenarbeit zwischen Forscher*innen des Max Delbrück Center und des Berlin Institute for Health an der Charité (BIH), die von der Stiftung Charité gefördert wurde. 

Text: Gunjan Sinha 

Weiterführende Informationen 

Website von GO-Bio initial

 

Kontakt 

Gunjan Sinha 
Redakteurin, Kommunikation 
Max Delbrück Center  
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Max Delbrück Center

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.