Blick auf Jerusalem

Mehr als nur Ko-Autoren: Das MDC etabliert eine neue Kooperation mit israelischen Partnern

Internationale, wissenschaftliche Kooperationen zwischen individuellen Laboren sind ein essenzieller Baustein der heutigen Forschung. Am MDC in Berlin-Buch unterstützen besonders Doktorandenprogramme die strategische Verankerung internationaler Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene. So zum Beispiel das deutsch-israelische Helmholtz-Kolleg „Frontiers in Cell Signaling and Gene Regulation“ (SignGene), das jüngste Programm am MDC, das seit 2013 besteht. Ziel von SignGene ist es, den wissenschaftlichen Austausch mit zwei israelischen Universitäten zu intensivieren. Dabei unterstützt SignGene Dissertationen, die jeweils als Tandemprojekt zwischen zwei assoziierten Gruppen in Berlin und Israel durchgeführt werden. Neben dem MDC sind die Humboldt-Universität (HU) und die Charité-Universitätsmedizin Berlin, sowie das Technion – Israel Institute of Technology (TEC) in Haifa – und die Hebrew University of Jerusalem (HUJI) beteiligt.
Haifa bei Nacht. Dieser wunderbare Ausblick gehörte zum Abendessen, das Amir Orian während der Winterschool 2014 organisierte. Foto: Dámaris Anell

Claus Scheidereit, Forschungsgruppenleiter (PI) am MDC und Sprecher des Programms, hat das Konzept für SignGene mit Unterstützung von Oksana Seumenicht, Referentin für Internationales am MDC, sowie israelischen und deutschen Kollegen entwickelt. „Ich wollte damals etwas Neues schaffen, etwas das wirklich interessant ist“, sagt Claus. Als er 2009 zum Koordinator des MDC-Krebsforschungsprogramms gewählt wurde, erhielt er den Auftrag, ein neues Doktorandenkolleg zu gründen. Von existierenden Modellen wollte er jedoch abweichen. „Internationale Kooperationen sollten mehr beinhalten, als nur das gegenseitige Zuschicken von Proben. Mit SignGene haben wir ein Netzwerk geschaffen, das auf persönlicher Ebene stattfindet und den unterschiedlichen Wissenschaftskulturen Raum gibt, sich gegenseitig kennenzulernen und voneinander zu profitieren.“

Er weiß, dass der Erfolg von SignGene davon abhängt, in wie weit die Wissenschaftler vom Nutzen der neuen Partnerschaft überzeugt sind. „Ich sehe großes Potenzial in dieser Zusammenarbeit. Die Stärken des MDC liegen im den Bereichen der genetischen Mausmodelle, der Systembiologie und Biochemie. Diese Stärken ergänzen sich wunderbar mit der Expertise des Technions in der Entwicklung neuer Technologien und die Arbeit der HUJI in quantitativer Biologie.“

Claus Scheidereits persönliche Beziehungen zu israelischen Wissenschaftlern reichen bis an den Anfang seiner Karriere zurück. Noch als Postdoc in New York lernte er Yehudit Bergman kennen, die inzwischen Professorin an der HUJI ist und bekannt für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Immunologie und der Stammzelldifferenzierung. Als SignGene-Mitglied erhielt sie 2013 den Helmholtz International Fellow Award. „Über die Jahre haben wir uns stetig auf Konferenzen getroffen bis ich sie 1990 schließlich zum ersten mal nach Berlin einlud um einen Vortrag zu halten.“ Mit Rückblick auf die Geschichte sind solche wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel von besonderer Bedeutung, da sie den Weg bereiteten für diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Claus, der am MDC auch Symposien organisierte und dazu israelische Wissenschaftler einlud, lernte dadurch die Unterschiede und Ergänzungsmöglichkeiten der beiden Wissenschaftskulturen in Deutschland und Israel besser kennen. Während deutsche Wissenschaftsinstitutionen ihren Forschungsgruppen eine ausreichende Finanzierung gewährleisten, sind israelische Forscher in der Regel deutlich stärker auf Drittmittelförderung angewiesen. So stehen sie generell unter einem höheren Wettbewerbsdruck. „Unter solchem Druck müssen israelische Forscher sich stärker fokussieren und besonders innovative Konzepte entwickeln“, sagt Claus. „Wenn ich an die nächsten Generationen unserer MDC-Doktoranden denke, bin ich überzeugt, dass sie sehr viel von dieser innovativen Denkweise lernen werden.“

 

Doktoranden beim Retreat am See Genezareth in Israel. Foto: Sylvia Gurevich

Der Austausch findet zum Beispiel in wissenschaftlichen Symposien statt, zu denen die SignGene-Gemeinschaft regelmäßig zusammentrifft. Sabine Löwer organisiert diese Symposien und ist als Koordinatorin des Programms am MDC die wichtigste Ansprechpartnerin für die Studenten. Im September wird die nächste Auswahlrunde für jene Doktoranden stattfinden, die an einem Kooperationsprojekt zwischen zwei Laboren interessiert sind. Dazu gehören längere, über den Verlauf der Doktorandenzeit ca. sechs Monate umfassende Forschungsaufenthalte im Partnerlabor. „SignGene ist den Doktoranden gewidmet. Ihr Feedback und das der Gruppenleiter beeinflusst entscheidend die Entwicklung und Regularien von SignGene“, erklärt Sabine. „Aus einer kürzlich durchgeführten Studentenbefragung wissen wir, dass ein Besuch im Partnerlabor von mindestens einem Monat innerhalb des ersten Doktorandenjahres für die Studenten wichtig ist, um einen Eindruck vom Labor ihres Co-Mentors zu bekommen. In dieser Zeit können sie das Team kennenlernen und mit ihren PIs die gemeinsame Forschungsstrategie genauer festlegen. Zusammen mit den jährlich stattfindenden Soft-Skills-Kursen und Committee-Meetings, zu denen der Partner-PI eingeladen wird, sehe ich unsere Doktoranden in einen exzellenten Bildungskontext eingebettet“.

Claus Scheidereit beschreibt SignGene als einen „lebenden Organismus“ mit flexiblen Strukturen, der auf großes Interesse in beiden Ländern stößt und durch die Aufnahme neuer Mitglieder weiter wächst. So traten kürzlich Sebastian Kadener (HUJI) und Ulrike Stein (MDC) dem Programm bei und bereichern es jeweils mit ihrer Expertise in RNA-Biologie, beziehungsweise Darmkrebs.

„Durch den lebhaften Austausch sehen SignGene-Mitglieder einander manchmal häufiger als ihre Institutskollegen“, sagt Claus. „Da PIs und Studenten auf solch persönlicher und gleichgestellter Ebene interagieren, sind die Beteiligten sehr motiviert nicht nur wissenschaftlich zu diskutieren, sondern auch über ihre privaten Erfahrungen und Eindrücke zu sprechen.“ In Symposien halten herausragende Sprecher Vorträge, die für alle Teilnehmenden sehr inspirierend sind. So hielt zum Beispiel Howard Cedar, weltweit bekannter Wissenschaftler auf dem Gebiet der DNA Methylierung, bei einem Retreat in Jerusalem im Februar einen fesselnden Vortrag.

Darüber hinaus nahm sich Ravid Straussmann vom Weizmann Institut bei diesem Retreat die Zeit, den Doktoranden von seinem persönlichen, wissenschaftlichen Werdegang zu erzählen. „Es war eine bereichernde Erfahrung. Ravid entschied sich spontan, seine vorbereitete Präsentation zu überspringen und sich stattdessen zu uns zu setzen, um zu erklären, mit welchen Ideen er den Durchbruch in seiner Forschung schaffte“, erzählt Dhana Friedrich. Sie ist Doktorandin im ersten Jahr im Labor von Alexander Löwer (MDC) und arbeitet an dem oszillatorischen Verhalten von Transkriptionsfaktoren. Durch die Zusammenarbeit mit Amit Meller (Technion) hat sie Zugang zu der Expertise seines Labors auf dem Gebiet der Nanotechnologie und Analyse von Einzelmolekülen. Diese Kooperation wird es ihr durch den Zugang zu modernster Technologie ermöglichen, Transkriptionsfaktordynamiken mit Einzelmolekülauflösung zu untersuchen.

 

Das war bevor es zu schneien begann: Exkursion zur Westlichen Mauer in Jerusalem 2015. Foto: Nir Friedmann

Innerhalb von SignGene nimmt sie ein hohes Maß an Enthusiasmus wahr und profitiert merklich von dem projektbezogenen Rat der PIs und Studenten. „Als es in Jerusalem im Februar plötzlich anfing zu schneien, mussten wir unseren Plan kurzerhand ändern und bereits am nächsten Tag nach Tel Aviv aufbrechen. Also hörten wir einander bis nachts um zwölf bei unseren Vorträgen zu. In diesem Moment empfand ich die Bereitschaft von allen am Ball zu bleiben und hilfreiche Ratschläge zu geben, wirklich inspirierend und verbindend.“

Es ist ganz klar eine Win-win-Situation. Studenten erhalten Zugang zu unterschiedlicher Expertise und knüpfen Kontakte, die ihre wissenschaftliche Karriere auf lange Sicht beeinflussen werden. Gleichzeitig profitieren Gruppenleiter von einer Interaktionsplattform, die ihnen dabei hilft, einen großen Bereich von biologischen Systemen und Technologien abdecken zu können, indem sie zu Kollegen im Ausland neue Verbindungen knüpfen und bereits bestehende ausbauen.

 

 Hier finden Sie mehr Informationen zu den Doktorandenprogrammen am MDC und zu SignGene.


Beitragsbild: SignGene Winter School “Biology of Differentiation and Cancer” 2014 in Haifa, Israel Foto: Sabine Loewer