PostDoc Day: „Wer jung ist, gestaltet die Zukunft“
Auch viele Nobelpreisträger*innen waren einmal Postdocs. „Mir ging es genau wie Ihnen: Ich war verunsichert und dachte, dass ich es vielleicht nicht schaffen würde“, berichtete Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier während des Berlin PostDoc Day, der Mitte November virtuell stattfand.
Der Postdoc Day ist ein jährliches Ereignis, das Mitglieder der Postdoc Association des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) und des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) sowie vom Postdoc-Büro des MDC organisieren. Die Postdocs haben bei Vorträgen und Postersessions Gelegenheit zum Austausch über ihre Arbeit und können so die Postdoc-Community innerhalb Berlins stärken.
„In Berlin gibt es über 50 Forschungsinstitute, und viele Postdocs spielen eine wesentliche Rolle in diesem Wissenschaftsbetrieb“, sagte Dr. Jean-Yves Tano, wissenschaftlicher Koordinator des ASPIRE-Programms am Postdoc-Büro des MDC. „Wenn sich Berlin als wichtiges Zentrum der Wissenschaft etablieren will, brauchen wir Forscherinnen und Forscher, die sich und ihre Arbeit vernetzen, damit ein Informationsaustausch möglich wird.“
Eine Nobelpreisträgerin als Gast
Beim Postdoc Day können sie bei Workshops ihre sozialen Kompetenzen erweitern, netzwerken und eine Rede eines zukunftsweisenden Mitglieds der wissenschaftlichen Community hören. Das war diesmal die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, die die Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin leitet – die Einladung erfolgte noch vor der Verkündung der Nobelpreisträger*innen im Oktober. Fast hätten andere Verpflichtungen sie an der Teilnahme gehindert, doch letztlich konnte sie eine einstündige Frage-Antwort-Runde mit einer Einführung des FMP-Direktors Volker Haucke einrichten.
Sie habe sich oft gefragt, ob sie weiterhin Grundlagenforschung betreiben oder lieber in die Biotech- oder Pharmaindustrie wechseln solle, sagte Charpentier. Allerdings liebt sie die Arbeit im Labor mit bakteriellen Erregern so sehr, dass sie der Grundlagenforschung treu geblieben ist. Diese Forschung führte schließlich zum Chemie-Nobelpreis, der ihr 2020 für die Mitentwicklung der Genschere CRISPR/Cas9 verliehen wurde. Mit der Genschere ist es möglich, DNA- und RNA-Abschnitte ganz gezielt zu verändern. „Die Methode hat viel verändert“, sagte Charpentier über ihre Entdeckung. „Allerdings darf man nicht vergessen, dass es anfangs reine Grundlagenforschung war. Und zwar zu einem Aspekt, der wenig Aufmerksamkeit und Interesse auf sich zog.“
Charpentier sprach auch über ihren schnellen Aufstieg von der Postdoktorandin zur Arbeitsgruppenleiterin und darüber, wie Wissenschaftler*innen beinahe über Nacht bereit sein müssen, mit Geldern umzugehen und Teams zu leiten. Doch selbst kleine Labore mit Nachwuchsforscher*innen und begrenztem Budget können große Entdeckungen machen. „Auf dieser Stufe war ich“, sagte Charpentier. Die später mit dem Nobelpreis prämierte Forschung habe sie zusammen mit je einem Master- bzw. Promotionsstudierenden betrieben.
„Denken Sie immer daran, dass junge Menschen die Zukunft gestalten“, fasste sie zusammen. „Schon bald werden Sie dem Nachwuchs sagen müssen: ‚Die Zukunft liegt in euren Händen.‘ Und falls Sie erst seit Kurzem eine eigene Arbeitsgruppe leiten, können diese Nachwuchsforscherinnen und -forscher die Zukunft gemeinsam mit Ihnen gestalten.“
Wissenschaftlicher Austausch
Im Anschluss an die Eröffnungsrede nutzten Forscher*innen von zwölf Instituten, darunter das MDC, FMP, Berlin Institute of Health, Max-Planck-Institut für molekulare Genetik und die Charité – Universitätsmedizin Berlin, ein virtuelles Konferenztool für Gespräche und Postersessions. Das Publikum konnte den Diskussionen auf der Hauptbühne folgen oder in der virtuellen Ausstellung Poster aufrufen und selbst mit Referent*innen ins Gespräch kommen. Zum Netzwerken bestand die Möglichkeit, für eine fünfminütige Unterhaltung eine zufällige Verbindung mit einer anderen teilnehmenden Person herzustellen oder einen Side Call zu vereinbaren.
Izabela Kowalczyk, die demnächst ihre Promotion am MDC und an der Freien Universität Berlin abschließen wird, war – trotz anfänglicher technischer Schwierigkeiten mit ihrer Posterpräsentation – sehr zufrieden mit der virtuellen Veranstaltung: „Es war schön, dass ein solcher Austausch auch online möglich ist und wir auf diese Weise aktiv miteinander ins Gespräch kommen und diskutieren können.“
Professionell präsentieren
Matteo Cassese, seines Zeichens Coach für digitale Präsentationen, verriet in seinem Workshop neun Tipps, wie man all die Zoom-Konferenzen und virtuellen Präsentationen bestmöglich gestalten kann. Er gab praktische Hinweise zur Beleuchtung, Ausrichtung der Laptop-Kamera und Mikrofoneinstellung – wer diese beachte, sagt Cassese, „gehört schon zur Spitzenklasse der Vortragenden“.
Außerdem führte er vor, wie Vortragende dabei wie bei einem echten „Chalk Talk“ Anmerkungen und Gleichungen notieren oder Bilder zeichnen können – sei es mit Papier vor der Kamera oder mithilfe einer Grafikanwendung auf einem Tablet, das mit dem Präsentationsbildschirm verbunden ist. All jenen, die ihr Zuhause oder Büro lieber nicht vor aller Welt zeigen möchten, empfahl er einen einfarbigen Hintergrund. „Bitte zoomen Sie nicht vom Weltall aus. Es sei denn, Sie sind Astrophysiker“, scherzte er.
Mehr Teilnahme gewünscht
Das Organisationsteam war mit dem reibungslosen Ablauf des Online-Events sehr zufrieden, auch wenn dies hoffentlich das erste und letzte Mal war, dass die Pandemie zu einem rein virtuellen Format zwingt. Für die Zukunft wünscht sich das Team noch mehr Mitwirkende an der Veranstaltung und in der gemeinsamen Postdoc Association des MDC und des FMP. Tano vom Postdoc Office des MDC merkte an, dass die Mehrheit der Teilnehmer*innen vom FMP stammte, obwohl dort lediglich 100 Postdocs tätig seien – gegenüber 350 Postdocs am MDC. „Es wäre schön, wenn mehr Menschen teilnehmen, insbesondere vom MDC“, sagte Tano.
Der Berlin PostDoc Day 2020 wurde von der Bayer AG, Thorlabs, Inc. und New England Biolabs gesponsert. Mit ihrer Unterstützung konnten attraktive Preise für die besten Wortbeiträge und Poster verliehen werden.
- Preisträger*innen „Best Talk Award“
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1. Platz: 1000 Euro Preisgeld
Dr. Domenico Azarnia Tehran
Postdoktorand am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
„Der Alzheimer-Risikofaktor CALM beeinflusst synaptische Plastizität durch subtypselektive Anordnung von Glutamat-Rezeptoren“2. Platz: 500 Euro Preisgeld
Dr. Anne Merks
Postdoktorandin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
„Vangl2-Molekül verknüpft Änderungen in der Mechanik des Zellkerns mit Muskelentwicklung“3. Platz: 250 Euro Preisgeld
Dr. Léo Guignard
Postdoktorand am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
„Über die morphologische Invarianz der Embryogenese von Seescheiden“ - Preisträger*innen „Best Poster Award“
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Es wurden vier Preise für die besten Poster verliehen. Die Preisgelder von je 500 Euro wurden vom MDC, FMP, Berlin Institute of Health und Max-Planck-Institut für molekulare Genetik gestiftet und sind für künftige Konferenzreisen oder Online-Kurse vorgesehen.
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Dr. Juliane Glaser
Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG)
„Expression eines endogenen Retrovirus in einer sich entwickelnden Mäuseextremität führt zu schwerer Fehlbildung“Dr. Marijn Kuijpers
Postdoktorandin am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
„Neuronale Autophagie reguliert präsynaptische Neurotransmission durch Steuerung des axonalen endoplasmatischen Retikulums“Dr. Álvaro Fernández Ochoa
Postdoktorand am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und am Berlin Institute of Health (BIH)
„Das MSTARS-Konzept: Multimodale klinische Massenspektrometrie, um die Therapieresistenz gezielt anzugehen“Izabela Kowalczyk
Doktorandin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und an der Freien Universität Berlin (FU)
„Integrität der Stammzellnische im sich entwickelnden Gehirn – Mechanismen der Neuralrohrbildung“
Text: Laura Petersen