Unsere neuesten Marie-Curie-Stipendiat*innen
Es ist ein warmer Sommertag. Die Luft ist schwül und lastet gefühlt schwer auf der Haut. Wie wird die Wahrnehmung von Feuchtigkeit im Gehirn verarbeitet? Diese Frage möchte Dr. Ivan Ezquerra Romano, Neurowissenschaftler und Postdoktorand in der Arbeitsgruppe für „Neuronale Schaltkreise und Verhalten“ von Professor James Poulet, mit seinem neuen Marie-Curie-Stipendium beantworten.
Wie wir Feuchtigkeit wahrnehmen
Wir Menschen verfügen über thermische Rezeptoren, die Temperaturen wahrnehmen, und mechanische Rezeptoren, die Druck oder Berührungen wahrnehmen. Wir haben jedoch keine Rezeptoren, die den Feuchtigkeitsgehalt der Haut erkennen, erklärt Ezquerra Romano. Anscheinend kombinieren wir die Signale der vorhandenen Rezeptoren, um dem Gehirn das Gefühl der Feuchtigkeit zu vermitteln. „Bisher hat sich jedoch noch niemand damit befasst, wie das Nervensystem diese Signale integriert”, sagt er.
Um dieses Zusammenspiel zu untersuchen, wird Ezquerra Romano immunhistochemische und Kalzium-Bildgebungsverfahren einsetzen. So will er sehen, welche Hirnregionen die Feuchtigkeit bei Mäusen aktiviert, die sich frei bewegen können. Zusammen mit Studien an transgenen Mäusen hofft er, genau die neuronalen Schaltkreise zu finden, die es uns ermöglichen, „ein erfrischendes Bad im Pool zu genießen“, sagt Ezquerra Romano.
Die Forschungsergebnisse könnten für die Behandlung von Symptomen wie Phantom-Nässe von Bedeutung sein, fügt er hinzu. Einige Menschen mit Multipler Sklerose berichten beispielsweise, dass sie das Gefühl haben, dass ein Körperteil tropfnass sei oder dass sie sich eingenässt hätten. Die Ergebnisse könnten auch in virtuelle Realität noch immersiver machen, indem sie es Menschen ermöglichen, in der virtuellen Welt das Gefühl von Nässe zu spüren.
Durch DNA-Origami Proteinstruktur verstehen
Die Struktur eines Proteins gibt Forscher*innen n Hinweise auf die jeweilige Funktion. Doch einige wichtige Proteine sind nicht stabil genug, um sie zu untersuchen. Nehmen wir die MICOS-Proteinkomplexe – Hauptstrukturelemente der Mitochondrien. „Sie sind zu schlaff“, sagt Dr. Ashwin Karthick Natarajan, Postdoc in der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie membranassoziierter Prozesse“ von Professor Oliver Daumke. „Wir konnten sie nicht richtig charakterisieren.“ Die Lösung? DNA-Origami.
Für seine Dissertation in Finnland experimentierte Natarajan damit, Knoten in einzelnen DNA- und RNA-Strängen einzufügen. So konnte er sie in zwei- oder dreidimensionale Formen biegen, die ein Millionstel der Größe eines menschlichen Haares haben. Mit seinem Stipendium will Natarajan MICOS-Proteine in eine Ringstruktur aus DNA einbauen, um die Proteine zu stabilisieren. Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie wird er dann versuchen, ihre Struktur und Funktion zu bestimmen.
Man geht davon aus, dass der MICOS-Proteinkomplex wie eine Barriere wirkt, die es bestimmten Molekülen ermöglicht, durch die mitochondrialen Cristae-Verbindungen zu diffundieren – schmale Öffnungen, die die Cristae-Membranen mit der inneren Grenzmembran verbinden. Da das Protein jedoch nicht stabil ist, war dies bisher nur schwer zu untersuchen. Um die Theorie zu testen, will Natarajan seine DNA-Origami-Strukturen, die die MICOS-Proteine tragen, in riesige unilamellare Vesikel einbringen. Mit diesem Modellmembransystem kann er dann die Wechselwirkungen zwischen Lipiden und Proteinen untersuchen. Anschließend wird er mithilfe von Färbetechniken bestimmen, ob der Proteinkomplex tatsächlich als zellulärer Pförtner fungiert, indem er Metaboliten in die Cristae hinein- und hinaus diffundieren lässt.
Die Funktionsweise der MICOS-Proteinkomplexe zu verstehen, kann den Weg für neue Behandlungsmethoden ebnen. Mitochondriale Dysfunktion und Anomalien sind unter anderem Kennzeichen von neurodegenerativen Erkrankungen, Herzmuskelerkrankungen und Diabetes.
Organoide mit Bioelektronik kombinieren
In den letzten zehn Jahren haben Organoide – 3D-Mikrogewebe – den Weg für neue Modelle geebnet, die gesundes und krankes Gewebe realistischer nachahmen. Dr. Chrysanthi-Maria Moysidou, Postdoc in der Forschungsgruppe „Stammzell-Modellierung der Entwicklung und Krankheit“ von Dr. Mina Gouti, will die Entwicklung neuromuskulärer Organoide jetzt auf eine höhere Stufe heben. Im Zuge ihres Marie-Curie-Stipendiums will sie neuromuskuläre Organoide mit neuartiger Bioelektronik kombinieren.
„Ich bin von Hause aus Ingenieurin, aber Biologie hat mich schon immer fasziniert”, sagt Moysidou, die über Erfahrung in den Bereichen chemische Verfahrenstechnik, Biotechnologie und Bioelektronik verfügt. „Ich konstruiere gerne Instrumente, um komplexe biologische Systeme besser untersuchen und modellieren zu können.” Auf einer Konferenz lernte sie Gouti kennen und fand die Idee der neuromuskulären Organoide „einzigartig und aufregend”. Kurz darauf bewarb sie sich um eine Postdoc-Stelle in Goutis Labor.
Das Marie-Curie-Projekt von Moysidous zielt darauf ab, neuromuskuläre Organoide mit anpassungsfähiger Bioelektronik zu verbinden. Ihr Ziel ist es, ein ausgefeilteres und realistischeres Modell der neuromuskulären Entwicklung zu schaffen. Die Integration von Bioelektronik in Organoid-Modelle könnte Forscher*innen dabei helfen, die Entwicklung und Funktion der Organoide ganz gezielt und gewünschter Weise zu steuern. Solche Fortschritte auf diesem Gebiet werden ein tieferes Verständnis der menschlichen Biologie und der Krankheitsmechanismen ermöglichen. „Es wäre großartig, wenn die Instrumente, die wir derzeit entwickeln, zur Entdeckung wirksamer Therapien beitragen, die in der Klinik eingesetzt werden können”, sagt Moysidous.
Text: Gunjan Sinha
Weiterführende Informationen
Marie Skłodowska-Curie Actions Postdoctoral Fellowships