W2-Professur für Mikhail Kudryashev
Seit August 2021 leitet Dr. Mikhail Kudryashev die Arbeitsgruppe „In situ Strukturbiologie“ am Max Delbrück Center für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) – und hatte im Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung eingeworben, die in eine Professur umgewandelt werden kann. Um den jungen Wissenschaftler bei diesem Karrieresprung zu unterstützen, hat das Max Delbrück Center in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin frühzeitig das entsprechende Verfahren gestartet. Nun kann Kudryashev zum 1. August 2022 eine W2(S)-Heisenberg-Professur an der Charité antreten.
Die große Nähe zu Patient*innen, die an der Charité gegeben ist, wird in Kombination mit der hervorragenden Forschungsinfrastruktur auf dem Campus Berlin-Buch seine Forschung beflügeln, ist Mikhail Kudryashev überzeugt: „Die Chance, pathologische Zustände von Patient*innen zu untersuchen, wird uns von großem Nutzen sein.“ Sein Forschungsschwerpunkt ist die Strukturbiologie von Membranproteinkomplexen – Proteine in der Lipidschicht von Zellmembranen. Unter anderem sorgen sie für die Aktivierung der Ionenkanäle, die die Erregungsleitung in den Nerven- und Muskelzellen steuern. Diese Steuerungsmechanismen sind für die Entwicklung von Medikamenten interessant. „Wirkstoffe, die bestimmte Proteine an- oder ausschalten können, können Krankheiten heilen oder die Lebensqualität verbessern“, sagt der Biophysiker.
Hochaufgelöster Blick in die Zelle
Mithilfe moderner bildgebender Verfahren wie der Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) und der Kryo-Elektronentomographie (Kryo-TM) untersuchen Mikhail Kudryashev und seine Kolleg*innen Zellen oder Zellbestandteile in ihrem natürlichen Zustand in situ – das heißt, in ihrer zellulären Umgebung. Bei der Kryo-EM werden gereinigte Proteine oder ganze Zellen blitzschnell eingefroren. Dabei entsteht eine glasartige, nicht kristalline Eisschicht, die in das Vakuum eines Elektronenmikroskops gelegt werden kann. Wenn ein Elektronenstrahl die Probe durchdringt, entstehen Transmissionsbilder, die aufgenommen werden. Aus mehreren zweidimensionalen Aufnahmen einer Probe errechnet eine Software eine exakte dreidimensionale Abbildung – ein Tomogramm. Solche Tomogramme liefern Informationen über die Interaktion von Molekülen innerhalb von Zellen und über die Struktur von Proteinen in ihrer natürlichen Umgebung. Kudryashevs Team entwickelt Algorithmen für diesen technisch sehr anspruchsvollen Prozess, um die höchstmögliche Auflösung zu erreichen.
Immer wieder Proteine
Nach seinem Physikstudium in Krasnojarsk/Sibirien erforschte Mikhail Kudryashev in der Arbeitsgruppe von Professor Friedrich Frischknecht an der Universität Heidelberg die Eiweißstrukturen der Einzeller, die Malaria übertragen. Dabei kam er das erste Mal mit der Kryo-Elektronenmikroskopie in Berührung, mit der es den Forschenden gelang, die Architektur der Parasiten abzubilden. Seine nächste Station war das Biozentrum der Universität Basel, wo er erst bei Professor Henning Stahlberg und dann bei Professor Marek Basler anhand von Kryo-Elektronentomogrammen die Proteine in den Membranen von Bakterien untersuchte. 2015 übernahm er seine erste eigene Gruppe am Max-Planck-Institut für Biophysik und dem Buchmann-Institut für Molekulare Lebenswissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt / Main. Dort beschäftigte er sich mit der Struktur und Aktivierung von Ionenkanälen – einem Thema, das er nun am Max Delbrück Center weiter vertieft.
Mit der Heisenberg-Professur würdigt die DFG die „wissenschaftliche Qualität und Originalität des Forschungsvorhabens auf internationalem Niveau“. Mit der Förderung will sie exzellente Wissenschaftler*innen dabei unterstützen, sich auf eine akademische Leitungsfunktion vorzubereiten und dabei ihre Projekte weiter voranzutreiben. Das nächste Projekt von Mikhail Kudryashev ist die erste Veröffentlichung, an der er mit seinem Team am Max Delbrück Center gerade feilt. Nach gerade einmal elf Monaten.
Text: Jana Ehrhardt-Joswig