Amir Kayvanjoo

Was lesen Sie gerade, Herr Kayvanjoo?

Unseren Lesetipp gibt dieses Mal Amir Kayvanjoo. Amir kommt aus Teheran, Iran. Er hat seinen Master und seinen Doktortitel an der Universität Bonn in Biowissenschaftsinformatik und Molekularer Biomedizin erworben. Seine Forschungsschwerpunkte sind Immunologie und Bioinformatik. Derzeit arbeitet er als Postdoc in der Gruppe von Prof. Katja Simon am Max Delbrück Center auf dem Campus Buch. Amir empfiehlt Gedichte eines persischen Dichters, Mathematiker, Philosophen und Astronomen.

Liebe Leserinnen und Leser,

sind Sie, wie ich, neugierig auf die literarischen Schätze dieser Welt? Dann möchte ich Ihnen eine Sammlung empfehlen, die seit Jahrhunderten die Herzen berührt: „Rubáiyát“ von Omar Khayyám („Vierzeiler“).

Omar Khayyám ist ein persischer Mathematiker, Astronom und Dichter. Er schuf Verse voll tiefer Weisheit und Lebensfreude. Seine Gedichte, die als rubáiyát (Vierzeiler) bekannt sind, behandeln existenzielle Themen, sie drehen sich um Vergänglichkeit und wie wichtig es ist, den gegenwärtigen Augenblick zu bewusst zu erleben. Im Mittelpunkt von Khayyáms Philosophie steht der Gedanke, die Freude des Lebens im Hier und Jetzt zu genießen, anstatt sich mit Fragen zum Leben nach dem Tod zu befassen.

Khayyám war nicht nur ein dichterisches Genie. Er leistete auch bedeutende Beiträge zur Mathematik und Astronomie. Er ist bekannt für seine Arbeiten zur Klassifizierung und Lösung kubischer Gleichungen, die für die Algebra bahnbrechend waren. Außerdem spielte Khayyám eine entscheidende Rolle bei der Reform des persischen Kalenders. Seine Überarbeitung, der Jalali-Kalender, ist für seine bemerkenswerte Genauigkeit berühmt und wird noch heute als Grundlage für den iranischen Kalender genutzt. Er gilt als der genaueste Kalender, der im Gebrauch ist, sogar genauer als der Gregorianische Kalender. Die Präzision wurde durch Khayyáms exakte Berechnung des Sonnenjahres erreicht, wodurch eine  Kalenderabweichung korrigiert wurde, die frühere Systeme prägte.

Jenseits seiner wissenschaftlichen Errungenschaften inspiriert Khayyám mit seiner Poesie auch heute und regt uns zum Nachdenken an. Einer meiner Lieblings-Vierzeiler fasst seine Philosophie wunderbar zusammen:

„Der Himmel ist das Trugbild unserer Wünsche, 
die Hölle nur der Schatten einer Seele 
dort auf dem Feuer in dem Dunkel, 
aus dem wir kamen und in das wir gehen.“ 

In diesen Zeilen fordert Khayyám uns auf, uns auf die spürbaren Freuden und Erfahrungen unserer Gegenwart zu konzentrieren, anstatt uns mit den ungewissen Versprechungen des Himmels oder den Ängsten der Hölle zu beschäftigen. Es ist eine sanfte Erinnerung daran, dass der Augenblick, den wir jetzt haben, kostbar ist und geschätzt werden sollte.

Khayyáms Verse spiegeln oft eine skeptische und humanistische Weltsicht wider, die die Vergänglichkeit des Lebens und den Wert von unmittelbarem Glück und Zufriedenheit betonen. Während einige seine Ansichten als agnostisch interpretieren, da diese eine prüfende Haltung gegenüber religiösen Dogmen einnehmen, feiert er letztlich das Geheimnis und die Schönheit der Existenz, ohne dogmatischen Überzeugungen hinzugeben.

"Die Rubáiyát des Omar Khayyám" ist nicht nur eine Sammlung von Gedichten; es ist eine Reise durch Zeit und Gedanken, die in jedem Wort Trost und Inspiration bietet. Egal, ob Sie neu in der Welt der Poesie sind oder schon von der Passion für Verse erfasst sind, diese Sammlung kann eine Ihre geschätzte Begleitung werden!

Viel Spaß beim Lesen, und mögen Khayyáms Worte Freude und Nachdenklichkeit in Ihre Tage bringen!