Was lesen Sie gerade, Herr Panetzky?
Seit Wochen trage ich „Hoffnung für Verzweifelte: Wie wir als erste Generation die Erde zu einem besseren Ort machen“ durchs Max Delbrück Center und rate jeder und jedem, der oder die nicht schnell genug das Weite sucht: „Das musst du lesen!“ Nicht weil das Buch universelle Lösungen für die Krisen unserer Zeit anbietet, sondern weil es dazu motiviert, optimistisch zu bleiben.
Mit „Not the End of the World“ bietet Hannah Ritchie einen faszinierenden Einstieg in die Welt der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Auf Grundlage fundierter Statistiken gibt die Autorin einen Überblick zu den drängendsten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit: Klimawandel, Artensterben und Ressourcenknappheit. Beim Lesen schwankt man als Leser*in zwischen Erstaunen und Entgeisterung: Wussten Sie, dass jede*r von uns in Deutschland fast 180 Kilogramm Plastikmüll pro Jahr produziert und mehr als 36 Prozent des Plastiks in unseren Weltmeeren von den Philippinen stammt? Oder dass in Deutschland ca. elf Prozent, in den USA sogar 33 Prozent des angebauten Getreides zu Brennstoffen verarbeitet werden? Dabei sind Ritchies Thesen teils durchaus streitbar: Wenn sie Nuklearenergie schlicht als „nachhaltige“ Lösung für die Energieversorgung der Zukunft darstellt, hätte ich mir beispielsweise eine differenziertere Betrachtung gewünscht, die nicht nur auf CO₂-Neutralität schaut, sondern auch die Gefahren der Radioaktivität und das ungeklärte Müllproblem reflektiert.
Doch „Not the End of the World“ ist kein Buch, das die Ursachen und Folgen menschgemachter Umweltveränderungen bis ins kleinste Detail auslotet. Wer tiefgehende wissenschaftliche Analysen sucht, dem empfehle ich Fachliteratur oder ein Gespräch mit Kolleg*innen aus der Klima-, Energiesystem- und Umweltforschung an einem unserer Helmholtz-Zentren.
Wir werden besser
Das Buch begeistert – oder sollte ich sagen ermutigt –, weil es zeigt, dass wir nicht einfach unaufhaltsam auf die Klima-Apokalypse zusteuern. Es ist komplizierter. Ja, wir sind als Gesellschaft in Sachen nachhaltiger Transformation viel zu langsam. Ja, struktureller Wandel in einer auf Wachstum fixierten Welt scheint manchmal aussichtslos. Ja, ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung leidet darunter schon jetzt. Doch in vielen kritischen Bereichen, sei es bei der Luftverschmutzung, der Abholzung von Regenwald oder der Nutzung chemischer Düngemittel, haben wir die „Peaks“ bereits überschritten – wir werden also besser. Der weltweite Schulterschluss für Umweltschutz und gegen den Klimawandel kann gelingen.
Denken wir an den Erfolg globaler Initiativen gegen das Waldsterben und sauren Regen in den 80ern und 90ern, die Tatsache, dass wir heute die niedrigste Kindersterblichkeit in der Geschichte der Menschheit haben, oder dass Energie aus klimafreundlichen Quellen vielerorts zum Standard wird, sieht die Zukunft gar nicht mehr so düster aus. Manchmal übersehen wir das. Ritchie bringt es auf den Punkt: „Many changes that do profoundly shape the world are not rare, exciting or headline-grabbing. They are persistent things that happen day by day and year by year until decades pass and the world has been altered beyond recognition.“
In diesem Sinne: Ich bleibe zuversichtlich. Auch weil ich Teil einer Forschungsorganisation sein darf, in der tausende hochtalentierte Menschen Tag für Tag und mit größter Überzeugung an einer lebenswerten, nachhaltigen und gesünderen Zukunft arbeiten.
Weitere spannende und auf den ersten Blick oftmals kontraintuitive Ansätze und Statistiken findet Ihr in Hannah Ritchies Blog „Sustainability by Numbers“.
Hannah Ritchie: Hoffnung für Verzweifelte: Wie wir als erste Generation die Erde zu einem besseren Ort machen. 384 Seiten, Piper.