Lil Bub

Genom von Social-Media-Katze Lil BUB entschlüsselt

Ihr Aussehen hat Lil BUB im Internet Millionen Follower beschert. Jetzt berichten zwei Molekularbiologen aus Deutschland und eine Molekularbiologin aus den USA, dass eine Kombination von zwei seltenen genetischen Veränderungen das einzigartige Aussehen der berühmten Katze verursacht. Die Ergebnisse des über Crowdfunding finanzierten Projekts „LilBUBome“ sind auf der Preprint-Plattform bioRxiv verfügbar.

Gemeinsame Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, Berlin, des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik, Berlin, und der Universität von Pennsylvania, USA

Lil BUB sieht außergewöhnlich aus. Die Katze war von Geburt an sehr klein, bereits im Alter von sieben Monaten endete ihr Wachstum. Ihre Schnauze ist verkürzt, ihre Zunge hängt heraus und an jeder Pfote hat sie zusätzliche Zehen. Außerdem wurde bei ihr die „Marmorknochen-Krankheit" (infantile maligne Osteopetrose) festgestellt, eine seltene Erkrankung bei der die Knochendichte mit zunehmendem Alter immer weiter zunimmt. Gerade wegen dieser Eigenheiten finden Millionen Follower im Internet Lil BUB niedlich. Die Bekanntheit benutzt Lil BUB, um Geld für Tierheime und Tierschutzorganisationen zu sammeln und Katzen in Not zu helfen.  

Jetzt haben drei Genetikerinnen und Genetiker aus Deutschland und den USA Lil BUBs Genom untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht. Die Analyse ergab, dass die Katze zwei unterschiedliche seltene Veränderungen in ihrer DNA trägt. Eine ist für die Entwicklung der zusätzlichen Zehen (Polydaktylie) verantwortlich, die andere für die Knochenerkrankung (Osteopetrose), aus der auch ihre geringe Größe und kurze Schnauze resultiert.

Crowdfunding ermöglichte die Sequenzierung des Genoms

Die Molekularbiologinnen und –biologen Dr. Darío G. Lupiáñez (Berliner Institut für Medizinische Systembiologie am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin), Dr. Daniel Ibrahim (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin) und Dr. Orsolya Symmons (University of Pennsylvania, Philadelphia, USA) stießen zufällig im Internet auf eines der Videos der Katze. „Eigentlich begann das Projekt damit, dass Daniel mir zurief: Das musst Du Dir ansehen!“, erinnert sich Lupiáñez. Die Forschenden vermuteten, dass Lil BUBs außergewöhnliche Erscheinung durch ähnliche genetische Veränderungen verursacht sein könnte wie bei den Patientinnen und Patienten sowie Mäusen, mit denen sie sich beschäftigen.

„Unsere Neugier war geweckt, wir wollten ihr Genom untersuchen“, sagt Ibrahim. „Entwicklungsprozesse wie die Knochenbildung sind bei Säugetieren konserviert. Das heißt, sie verlaufen bei allen Arten sehr ähnlich. Die Mutationen zu identifizieren, die BUBs Phänotyp und damit ihrem Aussehen zugrunde liegen, könnte uns daher helfen, diese seltenen Erkrankungen auch beim Menschen besser zu verstehen.“ Lil BUBs Besitzer Mike Bridavsky war von der Idee begeistert und stellte den Forschenden eine Blutprobe zur Verfügung. 

Daniel Ibrahim und Darío G Lupiáñez.

Die Forschenden begannen mit einem Projekt, das sie als „lebend und organisch“ bezeichnen. Sie wollten nicht nur Lil BUBs Genom analysieren, sondern auch die Möglichkeiten moderner Genetik zeigen. Um Lil BUBs Follower und die Öffentlichkeit dafür zu begeistern, beschloss das Team die benötigten Mittel über Crowdfunding einzuwerben. Das „LilBUBome“ Projekt war geboren. Über 45 Tage wurden mehr als 7.000 Euro gespendet.

Von Anfang an informierte das Team mithilfe eines eigens dafür eingerichteten Blogs und Social Media die Öffentlichkeit über die Fortschritte der Arbeit und die dabei auftretenden Probleme. Dabei lief das Projekt parallel zu den eigentlichen Arbeiten, bei denen die drei Forschenden seltene Erkrankungen beim Menschen und die Regulation von Genen erforschen. 

Hinweise auf Lil BUBs Herkunft

Orsolya Symmons

Noch bevor sie das Genom sequenzierten, machten Lupiáñez, Ibrahim und Symmons eine vorbereitende Analyse. Dabei stellten sie fest, dass die zusätzlichen Zehen der Katze durch eine bereits bekannte genetische Variante verursacht werden, die die Regulation des sogenannten Sonic Hedgehog-Gens kontrolliert. Eine identische Variante dieses Gens haben auch die Katzen des Schriftstellers Ernest Hemingway. Sie sind dafür berühmt, dass sie  sechs Zehen an ihren Vorderpfoten haben. Etwa fünfzig Nachkommen dieser Katzen leben immer noch im Ernest-Hemingway-Museum in Key West, Florida. „Das ist sehr aufschlussreich. Lil BUB ist eine Waise, sie wurde als verwildertes Kätzchen im ländlichen Indiana gefunden. Aber obwohl wir keinerlei Informationen über ihre Herkunft haben, gibt uns die in ihrem Genom enthaltene Information Hinweise zu ihrer möglichen Herkunft und zu ihrer entfernten Verwandtschaft“, sagt Symmons.

Die Blutprobe ist eingetroffen.

Die genetische Veränderung zu finden, die Lil Bubs Osteopetrose verursacht, dauerte etwas länger: Eine erste Auswertung ihres Erbmaterials ergab etwa sechs Millionen möglicher Unterschiede zwischen Lil BUBs Genom und dem Katzen-Referenzgenom. Normalerweise hätten die Forschenden in einem zweiten Schritt Lil BUBs Genom mit dem ihrer gesunden Verwandten verglichen – doch das war in diesem Fall nicht möglich. „Wir hatten aber das große Glück, mit Genetikerinnen und Genetikern zusammenzuarbeiten, die auf Erkrankungen des Skelettsystems beim Menschen spezialisiert sind“, sagt Ibrahim. „Sie haben uns dabei geholfen, die immense Menge an Varianten auf eine überschaubare Zahl an potenziell krankheitsverursachenden Veränderungen zu verringern. Diese konnten wir dann einzeln untersuchen.“ Bei der Analyse dieser Daten fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass eine einzelne Base in einem Gen fehlte, das bereits zuvor bei Menschen und Mäusen mit Osteopetrose in Verbindung gebracht worden war.

Ein fehlender Buchstabe ändert den Leserahmen für gesamtes Gen 

Mit freundlicher Genehmigung von lilbub.com/Mike Bridavsky.

Genome bestehen aus vier unterschiedlichen Nukleinbasen, die im Allgemeinen mit den Buchstaben A (Adenin), G (Guanin), C (Cytosin) und T (Thymin) bezeichnet werden. In der Zelle werden diese Buchstaben in Dreiergruppen, den sogenannten Tripletts, gelesen und übersetzt. In Lil BUBs Fall wurde durch die Deletion in dem Triplett C-A-T das „A“ entfernt. Dadurch verschiebt sich der Leserahmen für alle nachfolgenden Nukleinbasen um eine Position. Ein Beispiel: Der Satz „Ich mag nur ein Eis.“ würde bei einer Deletion des „m“ zu „Ich agn ure ine is“ werden und keinen Sinn mehr ergeben. Bei Lil BUB betrifft die Leseraster-Verschiebung ein Gen namens RANK/TNFRSF11A, das für die ordnungsgemäße Funktion der Osteoklasten erforderlich ist. Dies ist eine der zwei Zelltypen, die für den lebenslangen Umbau der Knochen erforderlich sind. Durch die Mutation entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Knochenbildung und Knochenabbau, so dass letztlich zu viel und zu dichtes Knochengewebe gebildet wird. Menschliche Patientinnen und Patienten sowie Mäuse mit einer vergleichbaren Veränderung dieses Gens zeigen Symptome, die denen von Lil BUB sehr stark ähneln. 

Um die Ergebnisse zu überprüfen, verglich das Team sie mit Daten aus dem 99 Lives Consortium, einer Datenbank, die genomische Informationen von über 100 Katzen enthält. Sie konnten bestätigen, dass diese Veränderung bei keiner der anderen Katzen nachgewiesen worden war. „Auf der Basis dieser Informationen können wir mit großer Sicherheit sagen, dass die von uns gefundene Mutation tatsächlich die Ursache für Lil BUBs Osteopetrose ist“, sagt Lupiáñez. „Allerdings könnten weitere genetische Veränderungen zu bestimmten Aspekten ihres Phänotyps beitragen. Vielleicht haben wir diese bei unserer Analyse übersehen“, sagt Symmons. „Daher würden wir uns über jedes zusätzliche Paar Augen freuen, das sich Lil BUBs Genom ansieht. Wir hoffen sehr, dass weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichem Erfahrungsschatz und Expertise mit an diesem gemeinschaftlichen Projekt teilnehmen werden.“ Um dies zu ermöglichen, haben die Forschenden ihre Ergebnisse auf der Pre-Print-Plattform BioRxiv veröffentlicht und damit allgemein zugänglich gemacht. Im nächsten Schritt wollen sie ihre Arbeit einem Peer-Review-Prozess unterziehen und in einem Open-Access-Journal veröffentlichen.

Förderung der genetischen (Allgemein-)Bildung

Open Science – offene Wissenschaft – ist zentraler Gedanke des Projekts. Das Lil BUB-Team war von Anfang an der Auffassung, dass sich dieses Projekt besonders gut eignet, um ihre Wissenschaft zu vermitteln und zu diskutieren. „Wir wollten zeigen, wie genomische Informationen dabei helfen können, die Ursachen von seltenen Erkrankungen aufzuklären, aber auch welche Grenzen diese Methoden bieten“, sagt Ibrahim. „Wir sind bereits von Lehrerinnen und Lehrern bzw. Dozentinnen und Dozenten angesprochen worden, die dieses Projekt als praktisches Beispiel für den Genetik-Unterricht nutzen möchten“, ergänzt Symmons. Und Lupiáñez fügt hinzu: „Das ganze Projekt hat uns riesigen Spaß gemacht. Wir haben unwahrscheinlich viele Menschen erreicht, die normalerweise kaum Kontakt zur Genetik haben. Wenn einige von ihnen nun etwas mehr über die Sequenzierung von Genomen wissen, haben wir auf jeden Fall unser Ziel erreicht.“

Mit freundlicher Genehmigung von lilbub.com/Mike Bridavsky.

Weiterführende Informationen

LilBUBome – Exploring the Science and the Magic of Lil Bub (Blog der Forschenden über das Projekt) 

LilBUBome auf der Crowdfunding-Plattform experiment.com

Lil BUB Website

Website der AG Lupiáñez am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin

Website der AG Development & Disease am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik

Originalpublikation 

Mike Bridavsky, Heiner Kuhl, Arthur Woodruf, Uwe Kornak, Bernd Timmermann, Norbert Mages, 99 Lives Consortium, Darío G Lupiáñez, Orsolya Symmons,  Daniel M Ibrahim: “Crowdfunded whole-genome sequencing of the celebrity cat Lil BUB identifies causal mutations for her osteopetrosis and polydactyly”, gepostet auf BioRxiv am 22.Februar 2019, doi:10.1101/556761

Kontakt für die Medien

Jana Schlütter
Max-Delbrück-Centrumm für Molekulare Medizin (MDC) 
Stellvertretende Leiterin, Abteilung Kommunikation 

+49 30 9406 2121 
jana.schluetter@mdc-berlin.de

Dr. Patricia Marquardt
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik (MPIMG)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 

+49 30 8413 1716
patricia.marquardt@molgen.mpg.de
www.molgen.mpg.de

Evan Lerner
University of Pennsylvania 
School of Engineering and Applied Science 
Director of Media Relations  

+1 215 573 6604 
elerner@seas.upenn.edu
www.seas.upenn.edu