Lipid droplets

Der richtige Lipidspiegel für Herz und Gehirn

Die Forschungen von Professor Thomas Willnow vom MDC wurden beim jährlichen Treffen der Gesellschaft für Neurowissenschaften SfN (Society for Neuroscience) „Neuroscience 2018“ aus 14.000 Abstracts als „Topthema“ ausgewählt. Er und sein Team hatten demonstriert, dass ein und derselbe Rezeptor, der den Cholesterinspiegel im Blut reguliert und das Risiko eines Herzinfarkts verringert, auch den Lipidspiegel im Gehirn und das Auftreten der Alzheimer-Erkrankung beeinflusst.

Die vielen Arten von Lipiden im Körper haben unzählige Funktionen und Aufgaben. „Aus diesem Grund ist die Kontrolle des Lipidstoffwechsels für die Gesundheit des Menschen so bedeutend“, sagte Professor Thomas Willnow, der seine Studie bei der Konferenz Neuroscience 2018 am 6. November 2018 in San Diego vorstellte. „Veränderungen des Lipidstoffwechsels führen zu verheerenden Erkrankungen, die sowohl das Herz und die Blutgefäße beeinträchtigen, aber auch den Alterungsprozess des Gehirn beeinflussen.“

ApoE ist der bedeutendste genetische Risikofaktor für eine Alzheimer-Erkrankung
Prof. Dr. Thomas Willnow
Prof. Thomas Willnow Gruppenleiter „Molekulare Herz-Kreislaufforschung“

Ein wichtiges Beispiel dafür ist das Apolipoprotein E (apoE). „ApoE ist der bedeutendste genetische Risikofaktor für eine Alzheimer-Erkrankung”, sagte Willnow. Es liegt beim Menschen in den drei verschiedenen Varianten E2, E3 und E4 vor. Seit langem ist bekannt, dass Menschen mit der E4-Variante einem hohen Alzheimer-Risiko ausgesetzt sind, Personen mit dem häufigeren E3 dagegen nicht.

Willnows neuesten Arbeiten zeigen, dass die Schutzfunktionen von apoE von dem Rezeptormolekül „Sortilin“ abhängig ist. Dieser Rezeptor reguliert den Cholesterinspiegel im Blut, hilft den Neuronen aber auch bei der Aufnahme von apoE in das Gehirn.

Diese neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass apoE4 nicht mit Sortilin interagieren kann und deshalb nicht über die schützenden Eigenschaften von apoE3 verfügt. Dies könnte erklären, weshalb Personen mit der E4-Variante einem beinahe achtfach erhöhten Risiko für Alzheimer ausgesetzt sind, verglichen mit Trägern von E3.

Untersuchung der Funktion von Apolipoprotein im Gehirn

Für ihre Untersuchungen schleuste das Forschungsteam einen Gendefekt in das Sortilin-Gen von Mäusen ein, die entweder menschliches apoE3 oder apoE4 produziert haben. Im Anschluss wurde der Lipidspiegel im Gehirn dieser Mäuse gemessen und mit demjenigen der Tiere verglichen, die weiterhin Sortilin exprimierten.

Diejenigen Tiere, die apoE3 produzierten, wiesen starke Unterschiede bei der Lipidzusammensetzung im Gehirn auf – je nachdem, ob die Tiere Sortilin herstellten. Außerdem wiesen die Mäuse ohne Sortilin deutlich mehr neurotoxische A-beta-Peptide im Gehirn auf. Diese Peptide sind ein Kennzeichen für die Alzheimer-Erkrankung. Im Gegensatz dazu waren die Unterschiede zwischen den Mäusen mit der apoE4-Variante relativ gering: Die Lipid-Profile waren nur wenig verändert, und der Verlust von Sortilin hatte auch keinen Einfluss auf die ohnehin hohe Konzentration neurotoxischer Peptide.

Ein schützendes Protein

Sortilin sei demnach für die neuroprotektive Funktion von apoE3 im Lipidstoffwechsel des Gehirns notwendig, sagt Willnow. „Genau dieser Sortilinrezeptor kontrolliert die Lipid-Homöostase im Gehirn und im Blutkreislauf und schützt dadurch sowohl vor kardiovaskulären als auch vor neurodegenerativen Erkrankungen.“ Diese Erkenntnis könnte wiederum gemeinsame therapeutische Strategien zur Behandlung dieser beiden Arten von Krankheiten ermöglichen, von denen zahlreiche Menschen betroffen sind.

Auf welche Weise es apoE3 und Sortilin gelingt, eine gesunde Lipidzusammensetzung im Gehirn aufrechtzuerhalten und die Konzentration des A-beta-Peptids zu verringern, ist bisher noch nicht bekannt. Willnow sagt, diese Frage würde derzeit im Rahmen von Projekten in seinem Labor untersucht. Vorträge auf einer großen Konferenz wie der „Neuroscience 2018“ helfen dabei, derartige Projekte voranzutreiben – durch Kooperationen mit Gruppen, die an ähnlichen Themen arbeiten.