Logo des Max Delbrück Center auf einer Glasscheibe

Raffael Rheinsberg

Ausstellung im MDC.C

August/September 2005, im Max Delbrück Communications Center am MDC Berlin-Buch Ausstellung der Stiftung für Bildhauerei

Zur Ausstellung

Raffael Rheinsbergs Streifzüge durch die Welt der Dinge, ihre Formen und Erscheinungen, die materielle Hinterlassenschaft der Menschen, Relikte ihres realen Tuns, ihres Handelns an den Gegenständen, mit ihnen und unter ihnen, hat ihn gleichsam automatisch an die hier vorgestellten Bleiglas-Objekte herangeführt, mit denen die elementaren Gesetze der Materie, die Grundlagen unseres Universums als wahrscheinliches Geschehen des Übergangs von Energie nach Materie kurz nach dem Urknall - also auch des Lebens auf der Erde, unserer eigenen Existenz dem Verstand erfahrbar werden.

Raffael Rheinsberg untersucht mit seinen Installationen in „Überschreitung der grenzpolizeilichen Befangenheit der Fächer“ (Aby Warburg) die sinnlich erfahrbaren Gesetze, die Beziehungen und Verhältnisse der von ihm aufgefundenen Dinge, also ihre natürlichen Zusammenhänge, die sie miteinander und mit dem Leben der Menschen verbinden. Er folgt im Aufbau von Feldern, in der exakten Aneinanderreihung der Objekte einem mathematischen Kanon, der auch wissenschaftlichen Experimenten zugrunde liegt.

In der formalen Annäherung seiner „Feldforschungen“ erfolgen natürlich keine Messungen, werden keine Beweise für Theorien gesucht. Es ist nur entsprechende Methode, sich selbst der Wirklichkeit zu nähern und sich seiner Herkunft und Zukunft zu vergewissern. Es ist seine ihm eigene Art der Befriedigung seiner Neugier an den Werkzeugen, dem Tun anderer, dem Alltag der Mitmenschen, ihrer Findungen in Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft unserer Spezies.

 

In der Installation „Abschied von Opal“ sind es wie gesagt nicht die Ergebnisse der Experimente, die hier vorgeführt werden sollen, es sind nur die Werkzeuge, die von 1989 bis zum Jahr 2000 am CERN in Genf zum Nachweis der kleinsten Teile der Materie dienten.

Eine Endkappe des Detektors OPAL mit seinem elektromagnetischen Kalorimeter. Er besteht aus 566 Bleiglasblöcken und wiegt ca.10 Tonnen. (Foto CERN)

 

Die Werkzeuge und Formen der neuen künstlichen Natur prägen unsere moderne Lebenswelt.

Musste die „alte“ Natur noch durch Nachahmung anverwandelt und so angeeignet werden, so kann die „neue“ Natur als ready-made übernommen werden. Sie ist schon Nachahmung. Nach Erfüllung ihrer funktionellen Aufgaben verbleiben Teile der Werkzeuge und Formen im künstlichen Kreislauf, überleben sie als begreifbare Körper neben den tatsächlich lebendigen und funktionellen Körpern der „alten“ Natur. Sie erhalten eine neue Bedeutung als Teil der gesamten Wirklichkeit, gleichberechtigt zur alten Natur.

Was macht, so muss man fragen, diesen entwerteten Gegenstand gleichberechtigt und, wie in unserem Beispiel, nun für den Künstler anziehend? Geht von diesem Objekt wie von den Erscheinungen der alten Natur eine für den Künstler spürbare Kraft aus, der er sich nicht entziehen kann?

Die Begriffe „anziehen“ und „Kraft“ deuten schon einen physikalischen Hintergrund an und führen zu dem Begriff der Gravitation, der jeder Art Materie eigen ist. Obwohl es reizvoll wäre, soll hier der Trägheitsbegriff der Masse und sein elementarer Zusammenhang mit der Schwerkraft nicht weiter ausgeführt werden. Es soll nur ergänzt werden, dass mit Einstein und seiner Äquivalenztheorie Materie eine Manifestation der Energie darstellt; in unserem Falle des Bleiglas-Objektes und Kaloriemeters Energie als Wärme-Energie. Die Funktion der Kaloriemeter in den Experimenten am CERN war ja die Messung der Energie und kinetischen Energie der aus der Kollision der Elektronen und Positronen hervorgehenden Teilchen durch Absorption im Bleiglas. Das hochdichte Material wandelt die eingetragene kinetische Energie vollständig in Wärme. Für den Physiker ist allein der Wert interessant. Der Erfolg seines Experiments bemisst sich daran, ob mit diesem Wert seine Theorie, d. h. seine mathematisch formulierte Voraussage und, wenn man so will, sein Orakel erfüllt wird. Den Künstler interessiert nicht der Mess-Wert, sondern das Produkt selbst, die Wärme wie auch der Prozess, den man als Metamorphose bezeichnen kann. Formen und Farben sind Ergebnis dieses Wandlungsprozesses, sind Ausdruck unterschiedlicher Energie, die wir nur als Wärme sinnlich wahrnehmen und so auch messen können.

Farben sind das Ergebnis der Reflektion von Licht an Materie, Formen und Körper das Ergebnis der Absorption kinetischer Energie. Beide Vorgänge sind mit der Entstehung von Wärme verbunden. Es würde hier zu weit führen, die physikalische Metamorphose als bio-physischen Vorgang zu beschreiben. Es bedürfte, insbesondere hier am MDC, einer tieferen Fundierung und wissenschaftlichen Begleitung. Es soll hier nur festgehalten werden, dass künstlerische Vorgehensweisen Experimenten gleichen.

Nur wollen und können sie im Unterschied zu wissenschaftlichen Experimenten nicht unmittelbar aus der Versuchsanordnung ihren hypothetischen Ansatz beweisen, sondern der Erfolg ihrer Versuchsanordnung ist nur mittelbar ablesbar, vollzieht sich im Anderen, im Betrachter. Sein Experiment wird so zum tatsächlichen Orakel, das auch und gerade mit der Ambivalenz seiner Aussage sich erst in der Mitwirkung durch den Anderen zu erfüllen vermag. Es vollzieht sich als Teil der Wirklichkeit und somit als Teil der Gesetzlichkeit dieser Wirklichkeit im Kontinuum des vierdimensionalen Raumes, in dem die Zeit als vierte Dimension gleichzeitig wirksam ist.

Es bietet sich an, für diesen Vorgang den Begriff der Komplementarität einzuführen. Im Zusammenhang mit der Metamorphose der Energie stellt die Übertragung eine Art Ergänzung durch und mit dem Anderen dar. Da wir gemeinhin mit dem Begriff Kraft arbeiten und die anziehende Kraft der Gravitation oben angesprochen wurde, so soll hier die Komplementarität dieses Prozesses durchaus als Feld (Gravitationsfeld) und Raum verstanden werden in dem dieser „Austausch“ kraft seiner physikalischen Bedingungen erfolgt.

In der Kunst spricht man in diesem Zusammenhang von der Aura oder der Magie. Aura ist besser und sie hat Raffael Rheinsberg zu den Bleiglas-Objekten gezogen.

 

   


Preview Kolbemuseum, Berlin (Fotos Jürgen Liepe)

Es sind in der Tat wunderbare Werkzeuge, klar und einfach, unprätentiös in ihrer Erscheinung, reduziert auf ihren Zweck und trotzdem voller unsichtbarer Geschichte, voller Ereignisse, voller Wärme. Raffael Rheinsberg versichert sich als Künstler durch Visualisierung des instrumentellen Umfeldes dieser Geschichte des Nachweises der Spuren der Elementarteilchen, die ja unserem Auge nicht sichtbar und unserem menschlichen Vermögen nicht vorstellbar sind.

Seine Installation, hier seine Versuchsanordnung ist seine künstlerische Anverwandlung in seinen eigenen Raum, der ihnen etwas vermitteln möge. Er wird nur mit ihnen vervollständigt, kann nur ihre Wirklichkeit ergänzen und ihre Phantasie anregen. Wenn man so will, ist Kunst immer nur ein Halb-Fertig-Produkt, im übrigen auch für den Künstler selbst. Wäre es ein Fertig-Produkt, so würde er kein weiteres machen müssen.

Als Künstler, der er ist, bietet er sein Tun und Handeln dem Betrachter an, stellt ihm seine Sichtweise und seine Methode zur Reflektion zur Verfügung. Diese Ausstellung möge einen Beitrag leisten zum Verständnis der Vielfältigkeit menschlichen Tuns, hier der wissenschaftlichen Erforschung der Gesetze der Materie, der Grundlage unseres Lebens auf der Erde im Universum.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und uns Erfolg.

Bernd-Heiner Berge
faktor KUNST GmbH, Berlin