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Ein Festival für die Wissenschaft

Die Berlin Science Week hat vom 1. bis zum 10. November Wissenschaft und wissenschaftsbegeisterte Laien zusammengebracht. Forscher*innen vom Max-Delbrück-Centrum haben zu dem internationalen Festival mit mehr als zehn Veranstaltungen beigetragen. Wir haben einige Eindrücke gesammelt.

Pasta und Pesto für das Mikrobiom

Eine Symbiose aus Wissenschaft, Kochen und interessiertem Austausch beim gemeinsamen Candle-Light-Dinner konnten während der Berlin Science Week rund 40 Interessierte beim MDC-Workshop „Cooking for Microbiome“ erleben. Zuerst führte Theda Bartolomaeus aus der AG von Sofia Forslund in die Details des menschlichen Mikrobioms ein, eine noch weitestgehend unbekannte Welt mit Billionen von Mikroorganismen, deren Metabolismus den Menschen weit mehr beeinflusst als bislang bekannt. Praktisches Fazit für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Ballaststoffe sind extrem wichtig, ebenso eine ausgewogene Ernährung – und irgendwie hat das Mikrobiom viel mit der psychischen Gesundheit zu tun. Um deren Verhältnis präziser zu beschreiben, bedarf es aber noch einiger Grundlagenforschung.

In einem zweiten Vortrag erläuterte Akis Liokatis aus dem Pastamadre-Team die Verdauung aus lebensmittelchemischer Sicht. In die Praxis der Zubereitung von Sauerteig, fermentierten Gemüse, süditalienischer Pasta und selbstgemachtem Pesto führte die Kochkünstlerin Maria-Lucrezia Schiavarelli ein und leitete damit den genussvollen Teil des Abends ein. Ihre italienische Leidenschaft für das Kochen – und die Kreativität dieses Prozesses – übertrug sich auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Erinnerungen an wissenschaftliche Details ist so kombiniert mit denen an gute süditalienische Tomatensoße und das Ausrollen von Pastateig, an Pesto aus Radieschenblättern und angeregte Gespräche während des Essens.  Vom Mikrobiom zum Candle-Light-Dinner – gelungene Wissenschaftskommunikation!

Stefanie Mahler

Das Innenleben des Mikrobioms stand im Mittelpunkt bei der Veranstaltung „Cooking for Microbioms“
 

Eureka! Umwege, Dilemmata und Freude an Entdeckungen

Die Scheinwerfer sind so hell, dass ich das Publikum vor mir nur noch als schemenhafte Menge wahrnehme. Mir ist heiß, ich habe Lampenfieber. Aber als ich anfange zu sprechen, ist das ein Moment der Erleichterung. Die Begeisterung setzt sich durch, als ich einen einsamen Moment in einem dunklen Raum beschreibe.

Ich bin auf einer Eröffnungsveranstaltung der Berlin Science Week, einem 10-tägigen internationalen Festival, das Wissenschaft mit der Öffentlichkeit zusammenbringt. Diese Show wird gemeinsam von The Bear und MDC organisiert: Wissenschaftler*innne gehen auf die Bühne und erzählen eine persönliche Geschichte über ihre Missgeschicke, Fehler und Momente der Wahrheit.

Mit meiner Geschichte „Dark Spots of Berlin“ will ich eine Brücke schlagen zwischen meiner Arbeit in einem dunklen Raum für Fluoreszenzmikroskopie und der Erfahrung, in einem dunklen Club in Berlin zu tanzen. Als meine Geschichte auf den Höhepunkt zusteuert, höre ich einige melancholische Cello-Töne, gespielt von der Musikerin Illay Chester. Es passt so gut zur Geschichte! „Unglaublich“, denke ich mir, nur um später herauszufinden, dass die Musik das Zeichen war, dass ich fertig werden sollte! Es spielte keine Rolle, und obwohl ich prägnanter hätte sein können, war das Feedback des Publikums lohnend. Ich konnte ihnen einen Einblick geben, wie es ist, Wissenschaftler zu sein.

Bei „The Bear“ berichteten Wissenschaftler des MDC über Umwege, Dilemma und Entdeckungen während ihrer Arbeit im Labor.



 

Das ist die eigentliche Stärke dieses Events: zu zeigen, dass Wissenschaftler keine Genies in weißen Kitteln sind, die ständig neue Dinge entdecken und nie versagen. Scheitern ist ein großer Teil der Forschung, es lehrt uns, wie wir uns verbessern können. „Manchmal ist der einzige Ausweg das Vorwärtskommen“, erzählt Emma Harris uns in ihrer Geschichte „Scholarship in the Snow“. Das spiegelt den Geist des Abends wider, der in allen Geschichten zu finden ist. So ist die Feldarbeit auf einer abgelegenen kroatischen Insel ist ein zentraler Bestandteil von Inga Patarčićs Geschichte „Bitter-sweet taste of Science“, sie weckte ihren Sinn für das Reisen und die Neugier auf die Welt. Und in „A Moment of Clarity in the Fog of Biology“ erklärt Emanuel Wyler sehr elegant, wie er untersucht, ob Ribosomen beim Aufbau von Proteinen wie der Alkoholdehydrogenase rutschen oder springen. „Es ist ein wichtiges Protein, das ich später unbedingt brauchen werde“, sagt er dem Publikum.

Genau so endet der Abend: Die Leute holen sich Getränke von der Bar und diskutieren über ihre Favoriten. All dies wäre ohne die Moderatorin und Organisatorin Dyane Neiman nicht möglich gewesen, die uns Wissenschaftlern geholfen hat, unsere Geschichten zu gestalten. Am Ende geht es auch in der Wissenschaft darum: Geschichten zu erzählen. 

Andreas Ofenbauer

Warum sich jeder für Open Science interessieren sollte

„Das ändert alles!“, entfährt es der Doktorandin Anna Raysyan, als sie hörte, dass private Unternehmen die Impact-Faktoren von Zeitschriften für Verlage, die es sich leisten können, manipulieren. Es war ein erhellender Moment, wie man ihn sich in Workshops immer erhofft. Es beantwortete gleichzeitig die Frage, die der Titel der Veranstaltung stellte: Warum sich jeder für Open Science interessieren sollte.

Vorträge über den Austausch von Forschungsdaten, Wissenschaftskommunikation und die Entwicklung von Citizen-Science-Projekten stießen weitere Diskussionen an. Etwa zwanzig Wissenschaftler*innen und interessierte Laien waren dabei – und so drehte sich die Debatte bald um die Herausforderungen und Verantwortlichkeiten der Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Fake News und Social-Media-Berühmtheiten.

© Antje Dombrowsky / Berlin Partner

Die Citizen-Science-Idee, bei der interessierte Laien aktiv zur wissenschaftlichen Forschung beitragen, begeisterte viele. Mehrere Teilnehmer*innen erstellten Aktionspläne, um sich stärker in dieser Bürgerwissenschaft zu engagieren. Eine MDC-Forscherin, Inga Patarčić, verpflichtete sich sogar, die Mittel für die „Entwicklung eines Citizen-Science-Projekts zu finden, das das Verständnis des menschlichen Genoms verbessern wird“. Der Workshop wurde im Rahmen des ORION Open-Science-Projekts von Luiza Bengtsson, Emma Harris und Zoe Ingram vom MDC sowie Maike Weißpflug vom Museum für Naturkunde organisiert. Zoe Ingram kommentierte: „Es freut uns wirklich sehr, dass die Ideen von Open Science auf so begeisterte Resonanz stoßen.“

Emma Harris

„Und wenn es keine Tierversuche mehr gäbe?“

Warum werden immer noch Tierversuche durchgeführt, obwohl es so viele Alternativmethoden gibt? Wie geht es den Tieren? Und wem nützen solche Versuche eigentlich? Das öffentliche Interesse an diesen Fragen ist groß, doch zugleich kursieren viele Mythen. In dieser Situation sind Informationen aus erster Hand gefragt und die offene Diskussion auf Augenhöhe. Deshalb richtete der Arbeitskreis der Berliner Tierschutzbeauftragten während der Berlin Science Week erstmals eine gemeinsame Veranstaltung zusammen mit großen biomedizinischen Forschungseinrichtungen der Stadt aus. Der Einladung zum Themenabend „Tierversuche im Gespräch – unbedingt notwendig oder längst überholt?“ in die Urania Berlin folgten rund 250 interessierte Bürger*innen, darunter auch Schüler*innen und Lehrkräfte.

Im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion, an der auch MDC-Forscher Dr. Thomas Kammertöns beteiligt war, standen Alternativmethoden zu Tierversuchen und Fragen zur Haltung von Versuchstieren. Auf die Frage eines Besuchers „Was passiert, wenn ein Tierversuch genehmigt ist - gilt dann Feuer frei?“ beschrieben die Experten auf dem Podium das streng geregelte und minutiös dokumentierte Prozedere, bei dem über jedes einzelne Tier genau Buch geführt werden muss.  „Und was wäre, wenn von heute auf morgen keine Tierversuche mehr gemacht werden dürften?“, wollte ein anderer Gast wissen. Dann gäbe es keine neuen Medikamente oder Chemiestoffe mehr, hieß es vom Podium, denn dafür seien Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben und nach wie vor sinnvoll. Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung ging die Diskussion bei Brezeln und Bier weiter – rund um die gut besuchten Infostände des Arbeitskreises der Berliner Tierschutzbeauftragten.
 

„Mind the Lab“ – Wissenschaft in der U-Bahn

Jeder kennt die berühmte „Mind the Gap“-Durchsage in der Londoner U-Bahn. Für ein paar Stunden hörten Berliner U-Bahn-Passagiere am 7. November einen etwas anderen Aufruf: „Mind the Lab!“. Forscher*innen des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) und anderen Institutionen der Stadt verließen ihre übliche Arbeitsumgebung – ihre Labore, wissenschaftliche Konferenzen oder Workshops – und  brachten ihre Arbeit in die U-Bahn, um sie dort Hunderten BVG-Passagieren zu zeigen.

Was haben beispielsweise Fruchtsmoothies und die Einzelzell-Sequenzierung gemeinsam?
Das war die erste Frage, die sich Interessierte stellten, die am MDC- und LifeTime-Stand am U-Bahnhof Alexanderplatz stehen blieben. Es gab Äpfel, Bananen, Trauben, Pflaumen und Zitronen zu sehen. Während sie die Früchte mit einem Smoothie-Maker mischten, erklärten die Wissenschaftler*innen, was es mit der Einzelzell-Sequenzierung auf sich hat: Es geht um die Möglichkeit, viele einzelne Zellen sehr genau zu untersuchen und dabei jede einzelne zu identifizieren und ihre Rolle in unserem Körper zu beschreiben. Aber während man ohne Rezept kaum rekonstruieren kann, welche Früchte wir morgens in einen Smoothie geben, können Wissenschaftler nun einzelne Zellen in einer „Zellsuppe“ leicht voneinander unterscheiden.

“Make science simple” – das Motto am MDC Stand in der U-Bahnstation „Alexanderplatz“

Auch künstliche Organoide, speziell für diese Veranstaltung vorbereitet, waren zu sehen. Im Labor verändern diese winzigen, selbstorganisierten dreidimensionalen Gewebekulturen die Art und Weise, wie Wissenschaftler*innen Krankheiten untersuchen, erkennen und behandeln. Sowohl Organoide als auch die Einzelzell-Sequenzierung sind Schlüsseltechnologien für das paneuropäische Projekt LifeTime.

Valentin Popescu

Ein Science Slam fürs Leben

Die Bühne hat rote Vorhänge, ein paar blau gefärbte Lichtkegel, ein Podium und ein paar Mikrofone. Das Publikum sitzt an den Tischen und genießt ein Glas Wein oder Bier. Stand-Up-Comedy könnte man sich an diesem Ort vorstellen. Doch während der Berlin Science Week standen im Umspannwerk Ost sechs junge MDC-Forscher*innen auf der Bühne und zeigten ihre eigene Stand-Up-Wissenschaftsshow „I know something that you don't know“. Den Science Slam für Wissensschafts-Interessierte hatten das MDC und die LifeTime-Initiative organisiert.

Emanuel Wyler kam mit seinem Herpesvirus-Maskottchen auf die Bühne, um die Einzelzell-Sequenzierung zu erklären. Angélica García Pérez zeigte ihre Arbeit mit Organoiden und deren Anwendungen mithilfe der Transformers (Science-Fiction-Film-Charaktere, die sich vom Auto zum Roboter und umgekehrt verwandeln können). Rieke Kempfer nutzte GIFs, um ihre Arbeiten zur Faltung des Erbguts zu präsentieren. Marco Urig wiederum präsentierte Mikropeptide, kleinste Proteine, die kürzlich entdeckt wurden. Wie Organoide die Art und Weise verändern, wie Wissenschaftler*innen Krankheiten untersuchen zeigte Jorge Martins dem Publikum, und Bo Hu sprach über die Rolle der Zellen bei Gesundheit und Krankheit.

Wissenschaftler des MDCs bei der “I know something you don’t know” Veranstaltung

Jede Präsentation veranschaulichte eine der Kerntechnologien der LifeTime-Initiative: Einzelzell-Sequenzierung, künstliche Intelligenz und Organoide. Am Ende der Show kürte das Publikum Angélica García Pérez zur Gewinnerin des Science Slams. Ihr Vortrag über die zukünftige Anwendung von Organoiden bei der Behandlung von Krankheiten wie Amyotrophe Lateralsklerose oder spinale Muskelatrophie (SMA) hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Valentin Popescu

Wer will es besser wissen? Eine Show für kritische Denker

Echt oder fake? Köpfe werden zusammengesteckt, Leute flüstern, oder zumindest versuchen sie es – denn einige diskutieren leidenschaftlich. Mehr als zehn Teams müssen jedes für sich selbst entscheiden, welche der auf der Bühne des Lilienthal-Gymnasiums erzählten Wissenschaftsgeschichten wahr sind und welche nicht. Die Schüler*innen werden ermutigt, kritisch zu denken und gefälschte Nachrichten (fake news) zu identifizieren. Gleichzeitig lernen sie Fakten aus den Naturwissenschaften und erfahren etwas über die Persönlichkeiten dahinter.

Schüler*innen und Lehrer*innen des Lilienthal-Gymnasiums bei der “Echt oder Fake” Veranstaltung.




 

 

Für diese einzigartige Show während der Berlin Science Week haben sich Svenja Steinfelder, Emanuel Wyler und Andreas Ofenbauer vom MDC mit Ute Weckman (GFZ Potsdam) und Karla Hajman aka „Miss Stereochemistry“ (ehemalige Neurowissenschaftlerin, heute freiberufliche Künstlerin und Musikerin) zu einem unglaublich unterhaltsamen Nachmittag voller wissenschaftlicher Gespräche und Musik zusammengetan. Für die Organisatorinnen des Vereins BesserWissen, Luiza Bengtsson und Tamara Worzewski, war es die Premiere ihres „Echt oder Fake“-Formats in einer Schule. Die jungen Erwachsenen waren sehr aufmerksam und einige dachten sogar darüber nach, selbst Wissenschaftler*innen zu werden. „Ihr habt die meist recht entfernte und schwer vorstellbare Wissenschaft in die Schule gebracht und sie greifbar gemacht. Danke!“, sagte ein Lehrer am Ende. Wir haben das Kompliment zurückgegeben und priesen das kritische Denken der Schüler*innen. Viele der Schüler*innenteams schnitten im Wettbewerb sogar besser ab als ihre Lehrer*innen.

 

Andreas Ofenbauer

Weitere Informationen

Pressemitteilung Kochen, erzählen, experimentieren
Das MDC bei der Berlin Science Week