
Erfolgsgeschichten
Die Grenzen der molekularen Medizin durchbrechen
Unsere Forscherinnen und Forscher sind Ärzte oder Biologen, andere sind Bioinformatiker oder Mathematiker, Chemiker oder Physiker. Molekulare Medizin bedeutet für sie, die unterschiedlichen Perspektiven von Ärzten und Wissenschaftlern zu verbinden.
Stetig steigende Zahl von Publikationen
Das unmittelbare Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit sind Publikationen, die in wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen. Diese Artikel erfüllen eine wesentliche Aufgabe der Wissenschaft: die Verbreitung von Wissen in der ganzen Welt. Andere Forscherinnen und Forscher verwenden die Ergebnisse anschließend weiter und zitieren sie in ihren eigenen Artikeln.
gesamt | Anzahl an Publikationen in Journals mit Impact Factor > 10 | Durchschnitt Impact Factor | |
---|---|---|---|
2020 | 567 | 122 | 7,63 |
2019 | 449 | 84 | 7,57 |
2018 | 475 | 98 | 7,11 |
2017 | 448 | 98 | 7,47 |
2016 | 490 | 77 | 6,39 |
2015 | 432 | 68 | 6,32 |
2014 | 402 | 67 | 6,54 |
Berechnungsgrundlage sind Publikationen von MDC-Forschungsgruppen, Gastgruppen, Technologieplattformen und ECRC
-Gruppen mit angegebener ECRC-Affiliation.
Rund 65 Prozent aller Studien wurden von Forscherinnen und Forschern aus anderen Ländern mitverfasst.
Die renommierteste Forschungsförderung in Europa
Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt seine begehrten Fördermittel an Pioniere, die wissenschaftliches Neuland betreten. Das Auswahlverfahren für die Stipendien basiert auf einem einzigen Kriterium – der wissenschaftlichen Exzellenz – und wird nicht durch thematische oder politische Zielsetzungen eingeschränkt. Für den Empfänger ist ein ERC Grant daher eine große Ehrung und Wertschätzung der eigenen Arbeit.
Am MDC arbeiten 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ERC-Förderungen erhalten haben. Neunzehn ERC-Grants wurden insgesamt direkt am MDC eingeworben, davon vier allein im Jahr 2016. Damit liegt das MDC auf Platz 17 von 128 deutschen Forschungseinrichtungen.
Beispiele jüngster bedeutender wissenschaftlicher Entdeckungen
In den letzten zwei Jahren haben die MDC-Labore einige bemerkenswerte Entdeckungen gemacht, die für das Verständnis von Krankheiten relevant sind.
Überdruckventil in der Zellmembran entdeckt
Wie schrumpfen Zellen? Das Forschungsteam um Thomas Jentsch hat die Antwort gefunden
Gemeinsam mit der Screening Unit von FMP und MDC identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das bisher unbekannte Gen „leucin-rich repeat with 8 A" (LRRC8A). Das Gen ist essentieller Bestandteil des volumenregulierten Anionenkanals (VRAC).
In einem groß angelegten Zellkultur-Experiment schaltete das Team um Jentsch etwa 20.000 menschliche Gene vorübergehend aus. Ein automatisiertes Screening-Verfahren untersuchte zudem, welche Gene für den schwellungsaktivierten Chloridfluss über die Zellmembran verantwortlich sind.
Die Bioinformatik-Gruppe von Miguel Andrade (bis April 2014 am MDC; jetzt an der Universität Mainz) wertete die rund 130.000 zeitabhängigen Messungen statistisch aus. Jentschs Team zeigte, dass LRRC8A weitere Mitglieder der LRRC8-Genfamilie benötigt, um VRAC zu bilden.
Warum das Herz versagt
Für die dilatative Kardiomyopathie (DCM) sind Defekte beim Spleißen mitverantwortlich
DCM ist durch ein vergrößertes, geschwächtes Herz gekennzeichnet und verursacht etwa ein Drittel der Todesfälle durch kongestive Herzinsuffizienz.
MDC-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gezeigt, dass Mutationen im Protein RBM20 (RNA binding motif protein 20) wahrscheinlich zu DCM beitragen, indem sie das Spleißen wichtiger Moleküle im Herzen beeinflussen. Sie untersuchten detailliert die Funktion des Protein, dass bevorzugt im Herzen auftritt und eine Vielzahl von Zielmolekülen koordiniert.
RBM20 steuert Sequenzen in Introns an, von wo aus es das Spleißosom anweist, ein nahegelegenes Exon zu entfernen und so das Molekül zu verkürzen. Aber die defekte Variante des RBM20 entfernt das Exon nicht und erzeugt stattdessen RNA mit zusätzlichen Segmenten, was zu überlangen Proteinen führt.
Passiert das beim essentiellen Herzprotein Titin, entsteht eine zu lockere „molekulare Feder“ in den Herzmuskeln, die sich nicht genug zusammenziehen. Letztlich muss sich das Herz mehr anstrengen und vergrößert sich dadurch. Weitere Studien werden zeigen, ob diese Befunde klinisch relevant sind.
DNA-Transkription: Startregion weist nur in eine Richtung
Lange galt: Promotoren sind bidirektional und nicht auf eine Richtung festgelegt
Unmittelbar vor einem Gen besitzt die DNA Erkennungssequenzen, Promotoren genannt. Dort setzen die Enzyme an, die ein Gen ablesen. Forschungsteams von MDC und der University of California in San Diego stellten aber fest, dass das Kernstück eines Promotors nur in eine Richtung weist. Kopien des gegenläufigen DNA-Stranges gehen demnach auf einen eigenen Kernpromotor zurück.
Anhand von Hochdurchsatz-Experimenten und verschiedenen Analyseverfahren stellten die Teams fest, dass etwa 40 Prozent der Gene zwei entgegengesetzte Kernpromotoren mit variablem Abstand besitzen. Durch die Kopie des gegenläufigen Stranges entsteht eine lange nicht-codierende RNA (lncRNA), also eine Kopie der DNA, die nicht in ein Protein übersetzt wird und deren Funktion bisher ungeklärt ist.
Da entgegengesetzte Kernpromotoren häufig, aber nicht universell vorkommen, vermuten die Forscherinnen und Forscher, dass diese die Transkription des Gens regulieren helfen.
Effizientere Genom-Editierung
Mit einer Reihe molekularer Tricks verbesserte ein MDC-Forschungsteam die Effizienz der Genschere CRISPR-Cas9
Mittels der CRISPR-Cas9-Technologie erzeugen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler DNA-Doppelstrangbrüche an bestimmten Stellen im Genom.
Diese Brüche repariert die Zelle durch zwei unterschiedliche Mechanismen. Die homologe Rekombination erlaubt sehr genaue Veränderungen an Gensequenzen, während das Non-homologous end-joining (NHEJ) zwar effizienter, aber weniger präzise ist, da es häufig DNA-Abschnitte löscht.
Das Forschungsteam von BIH und MDC griff nun in die Trickkiste der Natur, um das Non-homologous end-joining zu unterdrücken. Sie steigerten damit die Effizienz der präziseren homologen Rekombination auf das bis zu Achtfache.
Was Bluthochdruck und Brachydaktylie gemeinsam haben
Nach mehr als 20 Jahren Forschung haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursache für eine seltene Krankheit in einer türkischen Familie identifiziert
Das Forschungsteam um Friedrich Luft am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des MDC und der Charité, hat die Ursache für eine seltene Erkrankung gefunden.
Die betroffenen Personen leiden an erblicher Hypertonie, ungewöhnlich kurzen Fingern und sind von kleiner Statur. Wenn ihr Bluthochdruck unbehandelt bleibt, sterben sie in der Regel noch vor dem fünfzigsten Lebensjahr. Bei der Erkrankung, die weltweit sechs Familien betrifft, die nicht miteinander verwandt sind, kommt es zu sechs verschiedenen Punktmutationen im PDE3A-Gen.
Diese Mutationen führen zu Bluthochdruck und verkürzten Knochen der Extremitäten, insbesondere des Mittelhandknochens und des Mittelfußknochens. Die Arbeit deckte damit die erste Bluthochdruckform auf, die nicht auf der Wiederaufnahme von Salz in den Nieren beruht, sondern direkt mit der Struktur und Funktion der Gefäßwand zusammenhängt.
Tumorbekämpfung mit T-Zellen
Jüngste bedeutende Fortschritte in der Entwicklung der Krebsimmuntherapie
Das Konsortium "Targeting somatic mutations in human cancer by T cell receptor gene therapy" hat eine große Fortschritte in der Entwicklung der Krebsimmuntherapie gemacht. Die Forscher modifizierten erfolgreich Immunzellen (T-Zellen), die Krebszellen in Mäusen erkennen und gezielt bekämpfen.
Sie analysierten die Antigene und konnten mit Hilfe eines humanisierten Mausmodells klar zwischen "guten" und "schlechten" T-Zell-Targets unterscheiden. Die therapeutische Eignung von T-Zell-Rezeptoren und -Antigenen kann mit diesem Tiermodell getestet werden – eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung klinischer Anwendungen.
Forschung für bessere Therapien und Diagnosen
Therapeutische Fettsäuremetabolite
Omega-3-Fettsäuren, die zum Beispiel in Lachs stecken, sollen das Herz schützen. Allerdings profitieren längst nicht alle von einer Ernährungsumstellung. Denn im Körper müssen die Omega-3-Fettsäuren zunächst in aktive Stoffwechselprodukte umgewandelt werden, fand ein Team um den MDC-Arbeitsgruppenleiter Wolf-Hagen Schunck heraus.
Der Biochemiker und seine Kolleginnen und Kollegen entwickeln nun in der MDC-Ausgründung OMEICOS eine Substanz namens OMT-28. Sie soll den Zwischenschritt umgehen und direkt auf Rezeptoren von Herzmuskelzellen wirken. Das könnte Vorhofflimmern verhindern und das Risiko für Herzmuskelschwäche und Schlaganfälle mindern, hoffen die Forscherinnen und Forscher. Im Tiermodell haben sie es bereits nachgewiesen. Im März 2017 begann eine Phase-1-Studie an 300 gesunden Menschen.
Zwei kürzlich zugelassene Medikamente basieren auf MDC-Forschung
Forscherinnen und Forscher des MDC haben wesentlich zu zwei Medikamenten beigetragen, die 2015 auf den Markt kamen: VONVENDI (Baxalta Inc., jetzt: Shire) und Blincyto (Amgen).
VONVENDI ist die einzige rekombinante Therapie für Erwachsene mit einer erblichen Blutungsstörung, der Von-Willebrand-Krankheit (VWD). Bei den Patienten fehlt ein Protein, das für die normale Blutgerinnung unverzichtbar ist: der Von-Willebrand-Faktor. VONVENDI ersetzt das Protein und hilft auf diese Weise bei der Kontrolle von Blutungsepisoden.
Blincyto dagegen ist eine Immuntherapie gegen eine sehr aggressive Form von Blutkrebs (Akute lymphatische B-Zell-Leukämie). Das Knochenmark der Erkrankten produziert zu viele unreife weiße Blutkörperchen. Diese Lymphoblasten reifen nicht zu funktionellen Zellen heran, sondern vermehren sich schnell und unterdrücken die normale Blutbildung. Das Medikament setzt körpereigene T-Zellen ein, um den Krebs zu zerstören.