„Ich bin da für die Schwerbehinderten“
Über unsere Serie „Wir am MDC"
Das MDC hat den Anspruch, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten – durch eine hervorragende Infrastruktur, durch den Austausch mit führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber auch als ein Ort, der von Toleranz, Respekt und einem guten Miteinander geprägt ist. Unsere Serie stellt Menschen vor, die in diesem Bereich engagiert sind. Sie begleitet außerdem einen internen Prozess, der eine positive Unternehmenskultur sicherstellen soll. Und sie gibt Tipps für ein achtsames Miteinander.
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Als Marion Posselt-Hofmann sich im November 2018 für die anstehende Wahl zur Schwerbehindertenvertreterin aufstellen ließ, kannte sie niemand der Betroffenen. Trotzdem wurde sie von den wahlberechtigten Schwerbehinderten am MDC für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen, das konnte ich anscheinend auf der Wahlveranstaltung überzeugend darlegen“, sagt Marion Posselt-Hofmann. Sie arbeitet seit Sommer 2017 als Sachbearbeiterin in der Reisekostenstelle des MDC, brachte bereits Erfahrung als Vertrauensperson ans MDC mit und ist selbst von einer Behinderung betroffen.
Die Schwerbehindertenvertretung war am MDC zwar nicht neu, aber ein weitgehend unbestelltes Feld, wie Posselt-Hofmann schnell feststellte. „Ich musste vieles beginnen, das hatte ich nicht erwartet“, erzählt sie. „Viele Verantwortliche am MDC, aber auch viele der hier Betroffenen wussten nicht, welche Rechte Schwerbehinderte haben und was eine Schwerbehindertenvertretung macht.“ Jeder Arbeitgeber in Deutschland, der mindestens 20 Personen beschäftigt, ist verpflichtet, auch Schwerbehinderte einzustellen; die Mindestquote liegt bei fünf Prozent. Wer sie nicht erfüllt, zahlt eine Ausgleichsabgabe. Auch das MDC, wo die Quote derzeit bei 3,1 Prozent liegt. Hier arbeiten heute etwa 35 Schwerbehinderte, quer über alle Bereiche, sowohl in der Verwaltung als auch in der Wissenschaft. „Ich bin für diese Menschen da“, sagt Marion Posselt-Hofmann. Ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben: die Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten zu vertreten und ihre Eingliederung zu fördern.
Problemlöserin und Bewerbungshelferin
Wenn etwa ein besonderer Tisch oder Stuhl oder eine angepasste Arbeitszeit nötig wird, ist sie zur Stelle. Die Schwerbehindertenvertreterin vermittelt dabei nicht nur zwischen Führungskraft, Team und Betroffenen. Sie weiß auch, welche Zuschüsse es vom Amt gibt, zum Beispiel für bauliche Veränderungen wie eine Rampe.
Marion Posselt-Hofmann berät und unterstützt ebenfalls, wenn Beschäftigte zum ersten Mal beantragen, dass der Grad ihrer Behinderung festgestellt wird. Diese „Erstfeststellung“ geht einer Anerkennung der Schwerbehinderung voran, und sie betrifft etwa Beschäftigte, die einen Unfall hatten oder chronisch erkrankt sind.
Als Vertrauensperson achtet sie außerdem darauf, dass Schwerbehinderte, die sich am MDC bewerben, eine faire Chance gegenüber anderen Kandidatinnen und Kandidaten erhalten. „Ich muss einschätzen, ob schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber für die ausgeschriebene Stelle gleich gut geeignet sind. Falls ja, wirke ich darauf hin, dass sie eingestellt werden“, sagt Posselt-Hofmann. Denn das Gesetz sieht vor, dass bei abweichenden Meinungen die Frage, wer eine Stelle bekommt, mit der Vertrauensperson erörtert werden muss. Sie möchte die Quote schwerbehinderter Beschäftigter deutlich erhöhen, auch bei den Auszubildenden. „Das ist mir sehr wichtig, denn hier sehe ich das MDC als öffentlichen Arbeitgeber in der Pflicht“, sagt sie.
Eine Inklusionsvereinbarung für bessere Teilhabe
Seit einem halben Jahr ist Marion Posselt-Hofmann nun im Amt. Vieles laufe gut, zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem Personalrat sowie regelmäßige Treffen mit dem Vorstand, sagt sie. Bisher konnten für fast alle Probleme am Arbeitsplatz Lösungen gefunden werden. Mit den Führungskräften am MDC hat sie unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Manche sind zurückhaltend, manche gar nicht interessiert“, sagt sie. „Andere sind offen und fragen, entwickeln sogar eigene Konzepte. So macht die Zusammenarbeit Spaß.“
Für die kommenden Jahre hat sich die Schwerbehindertenvertreterin des MDC viel vorgenommen. Sie will eine Inklusionsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließen, um die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben durch praxisbezogene Vereinbarungen zu verbessern. Dazu gehört beispielsweise, dass Betroffene mit körperlichen Handicaps neben den benötigten technischen Hilfsmitteln die dafür notwendige zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen dürfen.
Wichtig ist der Schwerbehindertenvertreterin auch eine umfassende gesundheitliche Prävention. Sie denkt dabei an mehr Bewegungsangebote und Angebote für Stressbewältigung oder Organisationsmanagement. Idealerweise dürfen Schwerbehinderte solche Angebote zumindest teilweise in ihrer Arbeitszeit nutzen.
Sichtbarkeit fördert die Toleranz
Die Aufgabe Marion Posselt-Hofmanns hat durchaus widersprüchliche Aspekte. Einerseits will sie mehr Sichtbarkeit für die Schwerbehinderten am MDC als Ganzes. „Öffentlichkeitsarbeit“ nennt sie das. Sie will den Führungskräften klarmachen, welche Pflichten und Möglichkeiten sie mit einer betroffenen Person im Team haben, Schwerbehinderte auf ihre Rechte aufmerksam machen und diese durchsetzen. Andererseits sei „Sichtbarkeit“ das, was Schwerbehinderte gerade nicht wollen. Viele Betroffene am MDC geben ihre Schwerbehinderung nicht preis, weil sie etwa Unverständnis fürchten oder Angst haben, anders behandelt zu werden, ist Marion Posselt-Hofmann überzeugt.
Auch für diese Menschen will sie da sein; ihre Beratung ist absolut vertraulich. „Für das betriebliche Arbeitsklima finde ich es aber wichtig, offen mit schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen umzugehen, um Toleranz zu fördern“, sagt sie. Zudem hat die Anerkennung einer Schwerbehinderung handfeste Vorteile für die betroffenen Personen, zum Beispiel ein Recht auf mehr Urlaub.
Die Schwerbehindertenvertretung ist ein Ein-Personen-Amt. Nur wenn sie in den Urlaub geht, darf die Vertrauensperson für aktuell laufende Fälle ihre Stellvertretung informieren. Etwa 25 Prozent der Arbeitszeit hatte sie für das Amt vorgesehen, wobei die Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreterin immer Vorrang hat. In der Praxis hat Marion Posselt-Hofmann in diesen Tagen deswegen weniger Zeit für ihren eigentlichen Job. Sie hofft, dass sich das bald ändern wird. Wenn selbstverständlicher gelingt, was sie jetzt noch erstreiten muss.
Text: Wiebke Peters
Weiterführende Informationen
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