Immunfärbung einer Plazenta

Dreifach geehrt: Forschung am ECRC

Gleich zwei Arbeiten des Teams um Dominik Müller und Ralf Dechend hat die American Heart Association mit dem Paul Dudley White International Scholar Award ausgezeichnet. Eine der beteiligten Erstautor*innen ist außerdem Preisträgerin des Dr.in Sabine Oberhauser Preises.

 Mit dem Paul Dudley White International Scholar Awards ehrt die American Heart Association (AHA) Forschungsteams aus verschiedenen Ländern. Die ausgezeichneten wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben auf den „Hypertension Scientific Sessions 2021“ die höchsten Bewertungen erhalten. Unter den Preisträger*innen für Deutschland und Österreich sind Autorinnen und Autoren des Experimental and Clinical Research Centers (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Beide noch unveröffentlichte Studien können dazu beitragen, die Grundlagen von Krankheiten wie Bluthochdruck besser zu verstehen.

Das Mikrobiom im Darm ist Schlüssel für viele Erkrankungen

Die Arbeitsgruppe hat kürzlich eine neue Methode entwickelt, um die Wechselwirkungen zwischen Immunsystem und Darmmikrobiom zu untersuchen. Im Darm tummeln sich Billionen Bakterien. Sie können darüber entscheiden, ob wir gesund bleiben oder krank werden; einige Metabolite lösen zum Beispiel Entzündungsreaktionen im Körper aus und können Bluthochdruck verursachen.

Diese Informationen spiegeln aber nur ungefähr die Bedingungen an ihrem Wirkungsort wider
Portrait Ellen Avery
Ellen G Avery Doktorandin in der AG Müller/Dechend über indirekte Messmethoden der Interaktion zwischen WIrt und Mikrobiom.

Dieses Zusammenspiel von bakteriellen Stoffwechselprodukten analysieren Wissenschaftler*innen oft indirekt anhand von Stuhl- oder Blutproben. „Diese Informationen spiegeln aber nur ungefähr die Bedingungen an ihrem Wirkungsort wider“, sagt Erstautorin Ellen Avery aus der Arbeitsgruppe der Professoren Dominik Müller und Ralf Dechend. Dem Team gelang es auf neue Art und Weise, interstitielle Flüssigkeit aus verschiedenen Darmabschnitten von Ratte und Maus zu isolieren – diese befindet sich zwischen den Zellen in den Gewebsspalten. Damit sei es nun möglich, die Interaktion zwischen Wirt und Mikrobiom direkt dort zu messen, wo Darmzellen Stoffwechselprodukte absorbieren, erklärt die Doktorandin. Für diese Arbeit erhielten alle beteiligten Autor*innen den Paul Dudley White International Scholar Award für Deutschland.

Wie entsteht Präeklampsie?

Eine weitere Arbeit der Arbeitsgruppe liefert Einblicke in die Entwicklung von Trophoblasten – jene Plazentazellen, die Mutter und Kind voneinander trennen. Bei etwa drei bis fünf Prozent der schwangeren Frauen kommt es zu einer Präeklampsie, es ist eine der häufigsten Erkrankungen, die während einer Schwangerschaft auftreten. Wie genau, haben Ärzt*innen und Forschende noch nicht vollständig verstanden. Werden Symptome wie hoher Blutdruck nicht behandelt, kann dies zu Schädigungen an Organen, Blut- und Nervensystem von Mutter und Kind führen.

Immunfluoreszenz-Färbung einer frühen Plazenta der Schwangerschaftswoche 11: In türkiser Farbe sieht man die Plazentazellen, die eine Barriere zum mütterlichen Blut bilden und für Nährstoff- und Gasaustausch zuständig sind. Diese sogenannten Trophoblasten ummanteln den fötalen Blutkreislauf, dessen Gefäße man im Bild in rot erkennt.

Erstautorin Dr. Olivia Nonn, früher an der Medizinischen Universität Graz, nun am ECRC, forschte gemeinsam mit Dr. Florian Herse und weiteren Wissenschaftler*innen aus Österreich und Norwegen. Mithilfe der Einzelzelltechnologien konnten sie zum ersten Mal überhaupt in-vivo Stammzellen in der Plazenta von Menschen in frühen und späten Schwangerschaften identifizieren. Dabei wurde klar: Bei Präeklampsie ist die Entwicklung zu Trophoblasten gestört. Funktionieren hier wichtige Prozesse fehlerhaft, kann dies zu typischen Symptomen der Präeklampsie führen. Dafür gab es den Paul Dudley White International Scholar Award für Österreich.

Ein blutdruckregulierendes Hormon als Auslöser

Welche Faktoren diese Störung anstoßen, ist bisher nur teilweise geklärt. In einer weiteren Arbeit ist das Team dieser Frage nachgegangen. Der Dr.in-Sabine-Oberhauser-Preis für angewandte Medizinforschung zeichnet Nonn für diese bereits im AHA-Journal „Hypertension“ publizierte Arbeit aus.

Interessant ist, dass in der Frühschwangerschaft im Gegensatz zu Nicht-Schwangeren ein alternativer Renin-Angiotensin-System-Signalweg vorwiegt.
Portrait Olivia Nonn
Dr. Olivia Nonn Postdoktorandin in der AG Müller/Dechend

Die Studie weist darauf hin, dass ein blutdruckregulierendes Hormon eine zentrale Rolle in der frühen Entwicklung der Präeklampsie spielt und auf die hormonell aktiven und nährstofftransportierenden Trophoblasten wirkt. „Interessant ist, dass in der Frühschwangerschaft im Gegensatz zu Nicht-Schwangeren ein alternativer Renin-Angiotensin-System-Signalweg vorwiegt und dadurch die Stoffwechselfähigkeit und somit der Energiehaushalt der Trophoblasten in Schwangerschaften mit Präeklampsie-Risiko verändert ist“, erklärt Nonn, die seit September 2021 als Medizinerin und Postdoktorandin am ECRC arbeitet. Der Preis wurde in diesem Jahr an drei Preisträger*innen für drei verschiedene Studien vergeben und ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert.

Text: Christina Anders

 

Weiterführende Informationen

Literatur

Abstract: Ellen G Avery et al. (2021): “Isolation Of Gastrointestinal Interstitial Fluid As A Novel Method To Capture Host-microbiome Crosstalk”. Hypertension; DOI: 10.1161/hyp.78.suppl_1.MP41

Abstract: Olivia Nonn et al. (2021): “Unravelling Cell-specific Interactions At The Preeclamptic Maternal-foetal Interface From Early To Late Pregnancy”. Hypertension, DOI:10.1161/hyp.78.suppl_1.27

Olivia Nonn et al. (2021): “Maternal Angiotensin Increases Placental Leptin in Early Gestation via an Alternative Renin-Angiotensin System Pathway”. Hypertension, DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.16425