Susanne Holtze und Thomas Hildebrandt vom IZW befruchten das Nashorn-Weibchen.

Erster erfolgreicher Embryotransfer bei Nashörnern

Erstmals ist die Schwangerschaft eines Nashorns nach einem Embryotransfer gelungen, teilte das internationale BioRescue-Konsortium in Berlin mit. Das ebnet den Weg, dieselbe reproduktionsmedizinische Methode beim Nördlichen Breitmaulnashorn anzuwenden, um die Dickhäuter vor dem Aussterben zu bewahren.

Weltweit gibt es noch zwei Nördliche Breitmaulnashörner: Najin und ihre Tochter Fatu leben in Kenia, in der Ol Pejeta Conservancy. Um die Unterart zu retten, hat das internationale BioRescue-Konsortium, zu dem das Max Delbrück Center gehört, bereits 30 Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns erzeugt. Sie lagern in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius in Berlin und Cremona und warten auf den Embryotransfer in Leihmütter der südlichen Unterart. Zuvor musste das Team jedoch nachweisen, dass ihr Konzept funktioniert – und konnte nun eine Schwangerschaft von 70 Tagen mit einem gut entwickelten und lebensfähigen, 6,4 Zentimeter langen männlichen Fötus bestätigen.

Susanne Holtze und Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW setzen der Leihmutter Curra zwei südliche Breitmaulnashorn-Embryonen ein.

Am 24. September 2023 hatte das vom Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) geleite BioRescue-Team in Kenia zwei südliche Breitmaulnashorn-Embryonen in die Leihmutter Curra, ebenfalls ein südliches Breitmaulnashorn, transferiert. Die Eizellen stammten von Elenore aus dem belgischen Zoo Pairi Daiza, das Sperma von Athos aus dem Zoo Salzburg in Hellbrunn, Österreich. Die künstliche Befruchtung und die Entwicklung zu Blastozysten übernahmen die Avantea Laboratories in Cremona, Italien.

Der Embryotransfer ist bei Nashörnern Neuland. Das BioRescue-Team hat die Methode entwickelt – darunter Protokolle und Geräte, mit denen sie die Stelle finden und erreichen können, an die der Embryo in ein zwei Tonnen schweres Tier eingeführt werden muss. Die Universität Padua bewertet diese Transfers jeweils ethisch.

Meilenstein unter tragischen Umständen

Thomas Hildebrandt untersucht den männlichen Fötus, der als transferierter Embryo bestätigt wurde.

Als das Team am 28. November 2023 die Trächtigkeit bei Curra in der Ol Pejeta Conservancy kontrollieren wollte, war die Leihmutter tot. Nach extremen Regenfällen waren aus tieferen Erdschichten Sporen von Clostridien an die Erdoberfläche gelangt. Die Sektion von Curra und eines weiteren Bullen ergab eine schwere systemische Infektion mit Clostridien, ein bakterielles Toxin hatte die Tiere vergiftet. Curra war aber mit einem männlichen Fötus trächtig. Genetische Analysen am Max Delbrück Center und am Leibniz-IZW in Berlin bestätigten, dass es sich um den transferierten Embryo handelte.

„Wir sind überwältigt, dass diese Technik perfekt funktioniert“, sagt Professor Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW und Projektleiter von BioRescue. „Es ist bitter, dass dieser Meilenstein unter so tragischen Umständen bestätigt wird. Aber ich bin mir sicher, dass dieser Nachweis eine Wende für das Überleben des Nördlichen Breitmaulnashorns bedeutet.“

Um alle in menschlicher Obhut lebenden Nashörner zu schützen, darunter Najin und Fatu, startete das BioRescue-Team, zu dem der Kenya Wildlife Service, das Wildlife Training and Research Institute, die Ol Pejeta Conservancy und der Safari Park Dvůr Králové gehören, ein Impfprogramm. Sie stellten betroffene Gebiete unter Quarantäne und zäunten neue Schutzgehege ein. Der Vorfall verzögert die Anwendung der Forschungsergebnisse für den Artenschutz, da unter anderem neue Leihmütter ausgewählt werden müssen.

Genetische Vielfalt erweitern

Jetzt freuen wir uns erstmal mit unseren Kolleg*innen über den Nachweis, dass die Leihmutterschaft von im Labor gezeugten Embryonen prinzipiell möglich ist.
Dr. Sebastian Diecke
Sebastian Diecke Leiter der Technologieplattform „Pluripotent Stem Cells“

„Wir wollen, dass der Nachwuchs mit Najin und Fatu zusammenlebt, um das Sozialverhalten seinesgleichen zu lernen. Wir haben es also eilig, ein Nördliches Breitmaulnashornbaby auf die Welt zu bringen – mit diesem Konzeptnachweis kann es uns in zwei bis drei Jahren gelingen“, sagt Hildebrandt.

Das seit 2019 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit sechs Millionen Euro geförderte Projekt kombiniert Reproduktions- und Stammzelltechnologien. Aus Zellen von zwölf verstorbenen Nördlichen Breitmaulnashörnern wollen Dr. Sebastian Diecke und Dr. Vera Zywitza vom Max Delbrück Center mit einem japanischen Team zusätzliche Spermien und Eizellen generieren. „So können wir die genetische Vielfalt erweitern“, sagt Sebastian Diecke. „Aber jetzt freuen wir uns erstmal mit unseren Kolleg*innen über den Nachweis, dass die Leihmutterschaft von im Labor gezeugten Embryonen prinzipiell möglich ist.“

IZW, Max Delbrück Center

 

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