Wie Metabolite und Proteine sich die Hand geben
Wie Makromoleküle, etwa Proteine, sowie kleine Moleküle (Nukleinsäuren und Metabolite) und ihre Varianten in Netzwerken miteinander interagieren, spielt eine wichtige Rolle bei Krebs und menschlichen Entwicklungskrankheiten. Ilaria Piazza hat neue Enzymaktivitäten entdeckt, indem sie erforscht hat, wie Metabolite und Proteine sich sozusagen „die Hand geben“. Derartige Interaktionen von Proteinen und Metaboliten regulieren zelluläre chemische Reaktionen und zeigen Funktionen an, die erklären, wie Zellen in einem Gewebe oder Organ miteinander kommunizieren.
„Meine Forschung zielt darauf ab, eine einheitliche Sichtweise auf unterschiedliche Hochdurchsatz-Herangehensweisen und „Omics-“Wissenschaften zu gewinnen, etwa auf Metabolomik, Proteomik und Genomik“, sagt Piazza. „In diese Gleichung wird meine Gruppe am MDC das interaktive Netzwerk zwischen Proteinen und Metaboliten einbeziehen – das, was ich allosterisches Proteom nenne.“
Im Fall von Krebs und Entwicklungskrankheiten geraten diese grundlegenden Prozesse oft außer Kontrolle. Piazzas neue Perspektive bietet daher eine Basis zum Verständnis der molekularen Mechanismen vieler Krankheiten – darunter Krebs, Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen – sowie zur Entwicklung vorbeugender und therapeutischer Strategien. Dazu gehört, Ansatzpunkte für Arzneimittel zu identifizieren und Ansätze im Bereich der regenerativen Medizin voranzutreiben.
Der Weg zu einer neuen Methode namens „LiP-SMap“
Als Kind hat Piazza am liebsten mit Lego gespielt. Die Begabung ihres Vaters für Elektronik beeinflusste dann ihre Studienwahl: Sie schrieb sich in Mailand für Ingenieurswissenschaften ein. Bald jedoch entdeckte sie ihr Interesse an Biologie und hatte dabei das klare Ziel vor Augen, „etwas Nützliches“ mit ihrem Leben anzufangen. Sie wechselte zur Biochemie und forschte in Großbritannien an der Universität Cambridge, bevor sie in Heidelberg am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) promovierte. Während dieser prägenden Jahre galt ihr Interesse dem Verständnis, wie die in den DNA-Molekülen der Zellen verschlüsselte Information auf kontrollierte Weise gelesen wird.
Ihr wurde jedoch klar, dass Zellen sehr komplexe Systeme sind und sie wandte sich wieder den Ingenieurswissenschaften zu, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich nutzte sie das Massenspektrometer, um die Masse (Identität und Mengen) sämtlicher Proteine festzustellen, die in Zellen und Geweben vorhanden sind. Sie entwickelte dabei sogar eine neue Forschungsmethode namens Proteolyse – die Kartographierung kleiner Moleküle, kurz „LiP-SMap“. Sie ermöglicht es Forschenden, systematisch zu kartographieren, wie sämtliche in einer Zelle vorhandenen Proteine mit den Metaboliten interagieren.
„Das ist wichtig, weil Proteine in der Zelle bestimmte Aufgaben erfüllen, etwa Strukturen aufzubauen oder chemische Reaktionen zu katalysieren“, erklärt Piazza. „Das tun sie, indem sie unablässig Bausteine, also Metabolite, innerhalb der externen Mikroumgebung eines Gewebes austauschen. Die massenspektrometerbasierte LiP-SMap-Methode stellt ein neues Werkzeug dar, um Interaktionen zwischen Proteinen und Metaboliten zu untersuchen, die vorher nicht zugänglich waren. Wir können vorhersagen, welche Proteine ihre Funktion ändern und wo in der Proteinstruktur die Region der Metabolitbindung liegt. Dieses Wissen ermöglicht uns, eine Strategie zur Kontrolle des Protein-Metabolit-Netzwerks zu entwickeln.“
Ihr Labor am MDC
Im Mai wird Piazza am MDC ihre Arbeit als Leiterin einer Nachwuchsforschungsgruppe im Forschungsschwerpunkt „Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen“ beginnen. Ihr wissenschaftliches Langzeitziel ist, die Bindung zwischen Proteinen und Metaboliten sowie die Veränderungen der Interaktionen zwischen Proteinen und Metaboliten zu beschreiben. Dabei wird sie sich grundlegenen Fragen der Biologie widmen, die noch weitgehend unbeantwortet sind und deutliche Auswirkungen auf die Medizin haben.
„Diese neue proteomische Technologie ermöglicht uns, neue Arzneimittel zu entdecken und zu beschreiben“, erläutert Piazza. „Wir werden zum Beispiel in der Lage sein, herauszufinden, welches Protein sich an eine bestimmte Stelle bindet, ohne dass wir maßgeschneiderte Tests benötigen und ohne das Mittel chemisch modifizieren zu müssen, womit wir zugleich seine Eigenschaften verändern würden.“
Die Entscheidung, ans MDC zu kommen, fiel der Forscherin nicht schwer: „Berlin ist ein wachsendes Zentrum für Lebenwissenschaften in Europa, insbesondere für Systembiologie. Es ist also ein ausgesprochen guter Ort für mich, um meine eigene Gruppe aufzubauen“, fasst sie zusammen. Doch auch die Stadt mag eine Rolle dabei gespielt haben, dem MDC den Zuschlag zu geben: „Die Aussicht auf Berlins Internationalität, Offenheit, Geschichte und sogar auf seine Widersprüchlichkeit finde ich sehr aufregend. Es scheint mir ein Ort zu sein, wo spannende Dinge geschehen.“