Schwere Belastungen für Versuchstiere in Europa verringern
Die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) diskutieren gemeinsam mit Experten aus 16 Ländern darüber, wie man die Anzahl der Versuchstiere verringern kann, die schweren Belastungen ausgesetzt sind.
Seit fünf Jahren leitet die in England und Wales ansässige Tierschutzorganisation RSCA eine wegweisende Initiative. Sie unterstützt all jene, die in die Regulation, den Einsatz und die Pflege von Versuchstieren involviert sind, dabei, die Anzahl der Tiere zu verringern, die in der Forschung und bei anderen Tests schweren Belastungen ausgesetzt sind.
Die RSPCA möchte in erster Linie Menschen zusammenbringen, damit sie ihr Wissen weitergeben, neue Ideen diskutieren und praktische Schritte vorschlagen können, die das Leid der Labortiere verringern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) unterstützen dieses Vorhaben und sind sich der Verantwortung bewusst, die sie gegenüber den Tieren in ihren Forschungsprojekten tragen.
Deshalb luden RSPCA und MDC 120 Delegierte aus 16 europäischen Ländern zu einer zweitägigen Konferenz ein, die seit gestern, dem 25. Oktober, in Berlin stattfindet.
Die Vertreter unterschiedlicher Forschungseinrichtungen beschäftigen sich mit der Frage, wie Schmerz, Belastungen und Stress von Labortieren derzeit bewertet werden. Sie bekommen einen Überblick darüber, welche wichtigen Fortschritte es in der Forschung und in Bezug auf unterschiedliche Arten gibt und wie sie mit den neuen Ansätzen schwere Belastungen von Labortieren erfolgreich verringern und sie im Idealfall ganz vermeiden können.
Zu den Themen der Veranstaltung zählen die Abwägung von Schaden und Nutzen, derzeit verwendete Tiermodelle in der Krebs-, Trauma- und Herzforschung sowie Strategien, sich über vorbildliche Methoden auszutauschen und sie selbst umzusetzen.
„Schwere Belastungen von Versuchstieren sind ein großes Thema, das Ethik und Tierwohl betrifft und das der Öffentlichkeit ebenso am Herzen liegt wie den Tierschutzorganisationen und der Wissenschaft“, erklärte Barney Reed, Senior Scientific Manager der RSPCA. „Wir sind sehr dankbar, dass so viele Einzelpersonen und Organisationen unsere Initiative zur Vermeidung schwerer Belastungen unterstützen, sowohl im behördlichen Sektor als auch in der Wirtschaft und in der akademischen Forschung.“
Reed sagte: „Diese Veranstaltung wird die Lage von Versuchstieren in vielen Ländern Europas verbessern. Möglich gemacht wurde sie nicht nur durch das ehrgeizige Ziel der RSPCA, dem schweren Leid ein Ende zu setzen, sondern auch dadurch, dass wir mit Unterstützung von Einrichtungen wie dem MDC Wissenschaftler, Behörden-Vertreter, Tiermediziner und Tierpfleger zusammenbringen können, um gemeinsam Fortschritte zu erzielen. Die Teilnehmer werden mit neuen Denkansätzen in ihre Forschungseinrichtungen zurückkehren und damit den Status quo hinterfragen. Sie bringen Verbesserungsvorschläge von Kollegen aus ganz Europa mit.“
Am MDC in Berlin fiel 2016 nur ein Bruchteil der Tierversuche unter die Kategorie „schwere Belastung“ (0,8 Prozent, der Bundesdurchschnitt bei sechs Prozent). In den jeweiligen Forschungsprojekten geht es um Krankheiten wie Krebs, Schlaganfälle und fortschreitende Muskelschwäche. Die Tiere bekommen in diesen Fällen Schmerzmittel und es werden weitere Maßnahmen ergriffen, die ihr Leid lindern sollen.
„Das MDC nimmt das 3R-Prinzip – reduce, replace, refine – sehr ernst“, sagte Martin Lohse, wissenschaftlicher Vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin. „Obwohl ein kleiner Prozentsatz unserer Experimente als „schwere Belastung“ kategorisiert wird, ist es nach wie vor unser Bestreben, unnötigen Schmerz bei unseren Labortieren zu erkennen und zu verringern. Wir sind daher sehr interessiert daran, Teil dieser Diskussion zu sein und gemeinsam mit Organisationen wie der RSPCA praktische Schritte zur Vermeidung schwerer Belastungen zu definieren.“
Lohse fügte hinzu: „Wir am MDC glauben, dass Tierversuche uns allen ein längeres und gesünderes Leben ermöglichen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir viele Fragen nur mit Hilfe von Tierversuchen beantworten. Es ist jedoch unsere Pflicht, die Versuche ständig zu verbessern, nach Möglichkeit minimalinvasive Methoden wie beispielsweise die Bildgebung zu nutzen, Alternativen zu prüfen und unsere Haltung immer wieder zu überdenken.“
- Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)
-
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den MDC-Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 60 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organübergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das MDC fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am MDC arbeiten 1600 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete MDC zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.