Gaetano Gargiulo für Glioblastom-Forschung geehrt
Krebszellen entstehen aus gewöhnlichen Körperzellen, die sich auf genetischer und epigenetischer Ebene verändern. Die bösartigen Zellen unterliegen einem ständigen Wandel. Sie reagieren auf das Immunsystem und Krebstherapien, rekrutieren umliegendes Gewebe für ihre Zwecke und tarnen sich regelrecht. Dabei verändern sie nicht nur immer weiter ihr Erbgut. Sie wechseln auch ihren Zustand, also Eigenschaften, durch die sie sich bestimmten Gewebetypen zuordnen lassen. Beim Glioblastom tragen solche Veränderungen dazu bei, dass sich Krebszellen aus der primären Tumorstruktur lösen. Sie wandern an weiter entfernten Stellen im Gehirn und bilden dort Absiedelungen. Dadurch wird es unmöglich, das gesamte Tumorgewebe chirurgisch zu entfernen und es kommt zu Rückfällen.
Letztlich entsteht im Tumor eine große Vielfalt von Krebszellen mit unterschiedlichen Eigenschaften – die wiederum unterschiedlich aggressiv sind und individuell auf Krebstherapien reagieren. Dr. Gaetano Gargiulo, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Onkologie“ am Max Delbrück Center, und seine Kolleg*innen haben eine Technologie erfunden, die die Veränderung der Zellzustände sichtbar machen und ihren Verlauf dokumentieren kann. Für seine zukunftsweisende Arbeit wurde Dr. Gaetano Gargiulo während des Einsteintags mit dem mit 10.000 Euro dotierten Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. Der Preis ist gestiftet von der Monika Kutzner Stiftung und wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Krebsforschung verliehen.
Ausweichmanöver einkalkulieren
„Wer Krebs verstehen, das Fortschreiten der Erkrankung beurteilen und sie mit präzisen Therapien behandeln will, muss die gesamte Heterogenität der Krebszellen betrachten und auch Ausweichmöglichkeiten einkalkulieren, mit denen Krebszellen Angriffen durch das Immunsystem oder durch Krebstherapien zu entgehen versuchen“, sagt Gaetano Gargiulo.
Er untersucht mit seinem Team, wie sich Tumoren entwickeln, wie sie wachsen und mit dem gesunden Körpergewebe interagieren. Im Zentrum seiner Arbeit stehen Glioblastome, die häufigste und gleichzeitig eine sehr aggressive Art von Gehirntumoren bei Erwachsenen. Dabei geht es Gargiulo nicht nur um ein besseres Verständnis des Krankheitsgeschehens und der Heterogenität im Tumor. Er will mit diesem Wissen dazu beitragen, die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern. So entwickelt er unter anderem seine neue Technologie weiter, damit sie in der Pharmaindustrie bei Wirkstoff-Screenings in dreidimensionalen Zellkulturen zum Einsatz kommen und die Heterogenität im Tumor künftig besser abbilden kann. Bislang erfolgen solche Tests mit Hilfe von Zelllinien, die die Vielfalt und die unterschiedlichen Zustände von Krebszellen nicht berücksichtigen. Dadurch lässt sich die Wirksamkeit einer Substanz nicht realistisch prüfen.
Text: Stefanie Reinberger