Berlin Cell Hospital Gruppenbild

Gründung des Berlin Cell Hospitals verkündet

Wenn Zellen falsche Entscheidungen treffen, entwickeln sich Krankheiten. Diese Erkenntnis stammt aus Berlin – von Rudolf Virchow, dessen Geburtstag sich gerade zum 200. Mal jährte. Zum Jubiläum gaben Berliner Forschungsinstitutionen die Gründung des Berlin Cell Hospitals bekannt. Das MDC ist federführend beteiligt.

Mehrere Berliner Forschungsinstitutionen und die Helmholtz-Gemeinschaft wollen in Berlin gemeinsam die zellbasierte Medizin der Zukunft gestalten. Bei einer Festveranstaltung zum 200. Geburtstag des berühmten Pathologen, Mediziners und Sozialpolitikers Rudolf Virchow  erklärten sie am 13. Oktober 2021 die Gründung des Berlin Cell Hospitals und enthüllten symbolisch dessen Markenzeichen. Mit dabei war der scheidende Wissenschaftssenator und Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller.  Führend entwickelt haben das Projekts Professor Nikolaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und Professorin Angelika Eggert von der Charité – Universitätsmedizin. Um etablierten Institutionen eine Mitgliedschaft zu ermöglichen, wird das Berlin Cell Hospital als eingetragener Verein starten.

Am Berlin Cell Hospital sind das MDC, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Charité, das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und das Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD) maßgeblich beteiligt. Die Zellklinik will mit anderen Institutionen in Berlin und Deutschland wie den Helmholtz-Gesundheitszentren und den Deutschen Gesundheitszentren (DZGs) sowie privaten Partnern kooperieren und sich auch international vernetzen.

Zellbasierte Medizin

Die Zahl chronisch kranker Menschen, die teure und invasive Behandlungen benötigen, wächst kontinuierlich. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, die Bevölkerung altert also immer weiter. Ärztinnen und Ärzte brauchen dringend neue Diagnose- und Therapiestrategien statt Volkskrankheiten erst zu behandeln, wenn ihre Patient*innen gravierende Symptome haben. Denn zu diesem Zeitpunkt ist bereits großer Schaden angerichtet.

Prof. Dr. Angelika Eggert und Prof. Dr. Nikolaus Rajewsky

Die jeweilige Krankheit beginnt oft deutlich früher. Bereits 1858 schlug der berühmte Pathologe Rudolf Virchow vor, dass Veränderungen einzelner Zellen der Ursprung von Krankheiten sind. Wie kommt es zu diesen Veränderungen?

Jede Zelle liest kontinuierlich das Genom aus, um damit auf Signale von Nachbarzellen oder neue Umweltbedingungen zu reagieren. Wie genau jede einzelne Zelle dieses „Buch des Lebens“ interpretiert, aber auch welche Fehler dabei passieren und welche Veränderungen das Lesen stören, können Wissenschaftler*innen erst seit ein paar Jahren dank der Einzelzellbiologie beobachten. Die Datenmenge, die dabei entsteht, entspricht für jede Zelle der Größenordnung klassischer Genomik-Ansätze. Informationsgehalt ist unvorstellbar, die Detailtiefe beispiellos. Maschinelles Lernen (Künstliche Intelligenz oder KI) wiederum macht diese Big-Data-Flut handhabbar.

Die Lücke zur klassischen Prävention schließen

Dank dieser Technologien können wir erstmalig jede einzelne Zelle in einem Gewebe analysieren und verstehen, wann und warum sie krank wird.
Nikolaus Rajewsky
Nikolaus Rajewsky Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC

„Das ist, als hätten wir ein Super-Mikroskop gefunden“, sagt Nikolaus Rajewsky. „Dank dieser Technologien können wir erstmalig jede einzelne Zelle in einem Gewebe analysieren und verstehen, wann und warum sie krank wird.“ Die zellbasierte Medizin will dieses Wissen nutzen, um die Zellen möglichst rasch in einen gesunden Zustand zurück zu lotsen: mithilfe äußerst frühzeitiger Diagnostik, die das erste Abweichen der Zelle in Richtung Krankheit erkennt, mithilfe gezielter Eingriffe in die molekularen Mechanismen, mit zellulären Therapien, RNA-basierten Ansätzen und ähnlichem. So soll sich die Lücke schließen zwischen klassischer Prävention und der Medizin, die symptomatische Patient*innen versorgt. Das Konzept eignet sich ebenso, um Erkrankungsrückfälle und Resistenzen bei Immun- oder Chemotherapien zu vermeiden – dank personalisierter Behandlungsstrategien.

Die zellbasierte Medizin erfolgreich umzusetzen, ist nicht trivial. Sie erfordert einen facettenreichen Ansatz, der Fach- und Institutsgrenzen sprengt und den es bislang deutschlandweit nicht unter einem Dach gibt. Wer Krankheiten neu verstehen will, braucht ein Forschungskonzept mit Expert*innen aus der Klinik, aus der biomedizinischer Forschung, Technologie, Datenwissenschaft, Mathematik und Ingenieurswissenschaft, die in direkter Nachbarschaft gemeinsam neuartige Ansätze für die Medizin vorantreiben. Wesentliche Säulen sind die Einzelzelltechnologien, patientenspezifische Modellsysteme wie Organoide und neue KI-Lösungen, die in der Zellklinik vor allem auf die großen Volkskrankheiten angewendet werden sollen (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten und neurologische Erkrankungen).

Kooperation mit Patient*innen

Die Zellklinik will molekulare Präventionsstrategien und eine neue Präzisionsdiagnostik entwickeln, darüber hinaus sollen zuverlässig neue Wirkstoffziele (drug targets) für molekulare und zelluläre Therapien identifiziert werden. Für einen möglichst schnellen Wissenstransfer plant die Berliner Zellklinik ein breites Innovations- und Industrieprogramm – etwa über den Clusterantrag Virchow 2.0 –, das dynamische Entwicklungen ermöglichen und bestehende Hindernisse beseitigen soll. Das resultierende Innovationsökosystem soll Industriepartnerschaften, branchenübergreifende Vernetzung, Innovationsräume und -labore sowie die Förderung einer Ausgründungskultur umfassen.

v.l.n.r.: Prof. David Horst (Charité), Prof. Heike Graßmann (MDC), Dr. Stan Gorski (MDC), Prof. Nikolaus Rajewsky (MDC), Prof. Christopher Baum (Charité), Prof. Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft), Prof. Angelika Eggert (Charité), Prof. Heyo K. Kroemer (Charité), Michael Müller (Regierender Bürgermeister Berlin) und Prof. Thomas Sommer (MDC)

Ein Aus- und Weiterbildungsprogramm soll sich an die Arbeitskräfte der Zukunft richten, darunter Studierende, Forscher*innen und Angehörige der Gesundheitsberufe. Die Berliner Zellklinik will diese Basiselemente und die kritische Masse an Wissenschaft unter einem Dach vereinen – in unmittelbarer Nähe zu Klinik und Patient*innen. Bürger*innen und Patient*innen sollen von Anfang an einbezogen werden.

 

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