Organoid

Krebstumoren im Miniformat

Dreidimensionalen Zellkulturen – Organoide – imitieren Eigenschaften von Organen und erleichtern die Suche nach neuen Wirkstoffen. Einblicke in diese Forschung gibt's zur Langen Nacht.

Wo im Labor wachsen die Mini-Organe am MDC? Nicht etwa in einem Reagenzglas, sondern am Boden einer Plastikplatte mit 48 Näpfchen und einer grellpinken Nährlösung. In einem Stückchen Gel am Boden jeder Vertiefung leben die Organoide. Sie sind dem Gewebe im Körper viel ähnlicher als eine herkömmliche Zellkultur, in der die Zellen in einer dünnen Schicht am Boden der Kulturflasche wachsen.

Im Labor von Professor Walter Birchmeier gibt es Mini-Darmkrebse und Mini-Nierentumoren. Seine Mitarbeiterin Dr. Annika Fendler schiebt eine Kulturplatte mit Organoiden unter das Mikroskop, blickt hindurch und sieht ballonartige Formen, von denen einige einen halben Millimeter groß sind. „In so einem Verband aus mehreren Tausend Zellen herrschen viel natürlichere Bedingungen als in einer normalen Zellkultur“, sagt die Krebsforscherin.

Die Tumor-Organoide bestehen aus bereits spezialisierten Zelltypen. Ein Mini-Darm besitzt zum Beispiel eine Innen- und eine Außenseite und die Zellen sind entsprechend organisiert. Tumor-Organoide sind außerdem ähnlich heterogen zusammengesetzt wie Tumore im menschlichen Körper.

Das bessere Modellsystem

All diese Eigenschaften sind für die Forschung nützlich. Denn wenn es um die Wahl des richtigen Krebsmedikamentes geht, sollen die Laborergebnisse möglichst aussagekräftig und gut auf den menschlichen Organismus übertragbar sein.

„Man kann aus Patientengewebe 3D-Kulturen herstellen, viele Wirkstoffe testen, und dann sehen, worauf die Zellen am stärksten ansprechen – und damit auch die Patienten“, sagt Annika Fendler. Ist der Wirkstoff bereits als Medikament zugelassen, kann diese Strategie sogar Tests in Versuchstieren ersetzen und personalisierte Therapien ermöglichen. Bei der Suche nach völlig neuen Therapeutika kann sie die Zahl der benötigten Tiere reduzieren.

Signalwege in Tumorstammzellen

In ihrem Forschungsprojekt arbeitet Annika Fendler an Nierenkrebs, dem klarzelligen Nierenzellkarzinom. Sie hat Krebszellen aus dem Gewebe von Erkrankten sortiert, Organoid-Kulturen hergestellt und so jene Zellpopulationen identifiziert, die Eigenschaften von Stammzellen besitzen. Im Körper lassen diese Tumorstammzellen den Tumor immer wiederkehren und als Metastasen in andere Organe streuen.

Wie lassen sich diese Stammzellen stoppen? Annika Fendler fand heraus, dass bei Tumorstammzellen des Nierenkrebses die biochemischen Wnt- und Notch-Signalwege gestört sind, mit deren Hilfe die Zellen während ihrer Entwicklung und Spezialisierung miteinander kommunizieren. Mutieren beteiligte Enzyme, gerät die Entwicklung außer Kontrolle und Tumorstammzellen entstehen. Die gute Nachricht: Es gibt bereits Medikamente, die diese Signalwege hemmen.

In der Zellkultur im Labor spulen die Tumorstammzellen ihr genetisch gespeichertes Entwicklungsprogramm ab und ermöglichen erst die Bildung der Organoide – für die Forschung, aber auch zur Freude jeden Betrachters, der im Labor von Professor Birchmeier vorbeischaut.

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© MDC Berlin

Laborführung

„Krebs-Stammzellen, Organoide, molekulare Tumor-Therapien“| Gruppe W. Birchmeier 17:00 Uhr Treffpunkt: Infopunkt im Foyer, Max Delbrück Communications Center MDC.C (C83)