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Mit ACE2-Hemmern gegen Hautkrankheiten

Mehr als eine halbe Million Euro hat Michael Bader von der LEO Foundation erhalten. Damit will er eine Therapie gegen die Weißfleckenkrankheit und andere entzündliche Hautleiden auf den Weg bringen. Helfen soll eine Salbe, die ACE2 hemmt. Bekannt wurde das Molekül in der Coronapandemie.

Alles begann vor ein paar Jahren mit einer unerwarteten Entdeckung. „Eigentlich wollte ein Doktorand aus meinem Team bei Mäusen die Funktion des Enzyms ACE2 im Blutkreislauf näher untersuchen“, berichtet Professor Michael Bader, der am Max Delbrück Center die Arbeitsgruppe „Molekularbiologie von Hormonen im Herz-Kreislaufsystem“ leitet. Dazu arbeitete der Doktorand mit weißen Mäusen, denen das Gen für ACE2 teilweise fehlte. „Bei seinen Experimenten stellte er fest, dass er ohne genetische Prüfung sehen konnte, ob es sich um Knock-out-Mäuse handelte oder nicht“, erzählt Bader. „Tiere ohne das ACE2-Gen hatten kein weißes, sondern eher gelbliches Fell.“ 

Erhöhte Melaninproduktion 

Bader und sein Team stellten daraufhin die Hypothese auf, dass ACE2 auf noch unbekannte Art und Weise die Produktion des Pigments Melanin – und damit nicht nur die Farbe des Fells, sondern auch die Bräunung der Haut – beeinflusst. Jetzt soll diese Entdeckung neue Therapien gegen Hautkrankheiten ermöglichen, bei denen die Melaninproduktion und die Synthese des Melanozyten-stimulierenden Hormons (MSH) gestört sind. „Wir wollen ACE2-Hemmer entwickeln, die sich als Salbe auftragen lassen und die Symptome zum Beispiel der Weißfleckenkrankheit, der Schuppenflechte und der Akne lindern“, sagt Bader. Für dieses Ziel unterstützt ihn die dänische LEO Foundation, die sich für innovative Behandlungsmöglichkeiten von Hauterkrankungen einsetzt, seit Anfang Februar für die kommenden drei Jahre mit 3,9 Millionen Kronen – umgerechnet rund 520.000 Euro. 

„Das Hormon MSH, das sich in den Pigment bildenden Zellen, den Melanozyten, an den MC1R-Rezeptor heftet, ist der wichtigste Regulator der Melaninproduktion. Es wirkt in der Haut zudem sehr stark entzündungshemmend“, erläutert Bader. Daher ist MC1R schon länger ein pharmakologisches Ziel für entzündliche Hautkrankheiten und die Prävention von Melanomen. Mehrere Agonisten – also Wirkstoffe, die den Effekt des MSH imitieren – sind bereits zugelassen oder werden derzeit entwickelt. 

Für eine stärkere Immunabwehr

„Wir hatten zunächst vermutet, dass ACE2 die Melaninproduktion in der Haut von Mäusen und Menschen begrenzt, indem es MSH abbaut“, sagt Bader. „Ganz so einfach scheint es nicht zu sein. Aber sicher ist dennoch, dass das Enzym – mit dessen Hilfe sich Coronaviren übrigens auch Zugang zu menschlichen Zellen verschaffen – die Wirkung des Hormons beeinträchtigt.“ Somit könne die Hemmung von ACE2 eine neue Strategie für dermatologische Erkrankungen sein. „Es wird mehr MSH bereitgestellt und dadurch nicht nur die Bräunung gefördert, sondern auch die Immunabwehr der Haut gestärkt“, erklärt der Forscher. 

In den Haarfollikeln der Haut kommt ACE2 (hier zu sehen als rote Punkte) in großen Mengen vor.

Einen Haken hat die Idee allerdings: ACE2 ist im Blutkreislauf ein schützendes Enzym, das am Renin-Angiotensin-System beteiligt ist. Über diesen Regelkreis reguliert der Körper seinen Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt sowie den Blutdruck. „Deshalb möchten wir diese Medikamente lieber topisch, das heißt lokal auf der Haut, anwenden“, sagt Bader. „Wir haben auch bereits mehrere verfügbare ACE2-Hemmer getestet, die aber für die topische Verabreichung alle nicht geeignet waren.“ 

Therapie gegen weiße Flecken

In dem von der LEO Foundation geförderten Projekt will Bader nun zusammen mit der Gruppe des Chemikers Dr. Marc Nazaré vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin bekannte ACE2-Hemmer chemisch so verändern, dass sie leichter in die Haut eindringen können und dennoch ihre Wirkung nicht verlieren. Dazu werden die Forschenden Experimente mit künstlicher Haut und Schweinehaut vornehmen. Anschließend wollen sie die angepassten Wirkstoffe zunächst in einem Mausmodell für die Weißfleckenkrankheit testen. 

Die weißen Flecken sind an sich zwar ungefährlich, stellen aber für viele Menschen eine hohe psychische Belastung dar.
Michael Bader
Michael Bader Leiter der Ag „Molekularbiologie von Hormonen im Herz-Kreislaufsystem“

Das auch unter dem Namen Vitiligo bekannte Hautleiden ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem wahrscheinlich die Vorläuferzellen der Melanozyten angreift. Dadurch kommt es im Endeffekt zu weißen, scharf begrenzten Flecken auf der Haut. „Sie sind an sich zwar ungefährlich, stellen aber für viele Menschen eine hohe psychische Belastung dar“, sagt Bader. „Darum wäre ich sehr froh, wenn es uns gelingen würde, eine effektive und zugleich nebenwirkungsarme Therapieoption für die Vitiligo und andere entzündliche Hautleiden zu entwickeln, bei denen MSH eine Rolle spielt.“ 

Zwar lasse sich der Verlust von Melanozyten durch ACE2-Hemmer nicht aufhalten, räumt der Forscher ein. „Man könnte mit ihnen aber die verbleibenden Zellen dazu anregen, mehr Melanin zu produzieren – und so die Bräunung der Haut erhalten.“ Gegen Corona würden die neuen Wirkstoffe allerdings nicht helfen, bedauert Bader: „ACE2-Hemmer beeinträchtigen nicht die Funktion des Enzyms als Rezeptor für SARS-CoV-2.“ 

Text: Anke Brodmerkel 

 

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