Soapbox-science

Weg mit den Klischees!

Julia Markowski und Dubravka Vučićević forschen am MDC – und engagieren sich für die Initiative Soapbox Science, die Frauen in der Wissenschaft mehr Sichtbarkeit verschaffen will. Hier erzählen sie, warum sie mitmachen.

Wenn Julia Markowski sich im September vor dem Berliner Hauptbahnhof auf eine Seifenkiste stellen wird, um von ihrer Forschung zu erzählen, wird sie ein Wollknäuel in der Hand halten. „Ich beschäftige mich mit der räumlichen Organisation von Chromatin. Kein Mensch weiß, was das ist“, sagt die Doktorandin aus der Arbeitsgruppe von Dr. Roland Schwarz. „An dem Wollfaden kann ich prima zeigen, wie Chromatinfäden gefaltet sind, und erklären, warum ihre Verortung und ihr Verhalten in der Zelle für meine Arbeit so interessant sind.“

Ins Gespräch kommen

Sie ist einer der Nachwuchswissenschaftlerinnen am MDC, die sich für „Soapbox Science“ engagieren. Die Initiative wurde 2011 im Vereinigten Königreich gegründet und will Forscherinnen und ihre Arbeit sichtbarer machen. Das Konzept: Einmal pro Jahr findet in zahlreichen Städten rund um den Globus ein Soapbox-Science-Event statt, bei dem Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen an zentralen Plätzen über ihre Forschung sprechen und sich dabei auf ein Podest – die namensgebende Soapbox – stellen. Dafür gibt’s nur ein paar Minuten. Anschließend haben Zuschauerinnen und Passanten Gelegenheit, nachzufragen und mit den Forscherinnen zu diskutieren.

Wissenschaft ist keine Black Box, sie ist jeden Tag um uns herum. Wir können alles erklären, was wir machen.
 Julia Markowski
Julia Markowski Doktorandin aus der AG Schwarz

Dr. Dubravka Vučićević, Postdoktorandin in der Gruppe von Professor Uwe Ohler, hat bereits im Herbst 2019 mitgemacht. Im letzten Jahr war das MDC zum ersten Mal dabei, nun ist die junge Frau Teil des Organisationsteams: „Ich glaube, dass alle Forschenden ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilen sollten. Soapbox Science ist dabei ein wunderbarer Weg, um dem Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft voranzubringen.“ Ähnlich sieht es Julia Markowski. „Wissenschaft ist keine Black Box, sie ist jeden Tag um uns herum. Wir können alles erklären, was wir machen. Jeder und jede kann Wissenschaft verstehen, wenn er oder sie neugierig und begeisterungsfähig ist“, sagt sie. Außerdem will die Bioinformatikerin junge Menschen für die Berufswahl inspirieren: „Als Forscherin kann man sein ganzes Leben lang immer wieder neue Sachen entdecken, es wird nie langweilig!“

Dubravka Vučićević interessiert sich nicht erst seit Soapbox Science für die Wissenschaftskommunikation. Ihr Thema: Genom-Engineering mit CRISPR/Cas9. Sie erklärt, was das ist, berichtet, wie sie im Labor mit den Gen-Scheren arbeitet, was damit möglich ist und was in Zukunft möglich sein könnte. Den anschließenden Austausch mag sie am liebsten. „Es macht mir unheimlich Spaß, Fragen zu beantworten und die Wissbegierde der Leute zu stillen. Die schätzen es sehr, eine Wissenschaftlerin direkt fragen zu können“, sagt die Biologin. Auch für ihre eigene Arbeit findet sie diese Art von Austausch wichtig: „Normalerweise denken wir Forschenden über sehr kleinteilige Probleme nach. Es ist gut, mal einen Schritt zurückzutreten und die eigene Arbeit in einem größeren Zusammenhang zu sehen“.

Vorbilder für junge Frauen

Wir feiern Frauen in der Wissenschaft und verstehen uns als alternative Rollenmodelle für junge Frauen.
Dubravka Vučićević Postdoktorandin in der AG Ohler

Dass Wissenschaftlerinnen bei Soapbox Science auf sich aufmerksam machen wollen, ist für beide Frauen ein zentraler Punkt. „Wir feiern Frauen in der Wissenschaft und verstehen uns als alternative Rollenmodelle für junge Frauen“, sagt Dubravka Vučićević. Sie selbst nutzt die Gelegenheit auch, um sich mit anderen zu vernetzen: Die Soapbox-Science-Veranstaltungen finden mittlerweile in mehr als 50 Städten auf allen Kontinenten statt, über 1500 Wissenschaftlerinnen haben bislang mitgemacht.

Julia Markowski liegt an der Selbstdarstellung als forschende Frau. Denn sie stellt häufig fest, wie voreingenommen Menschen sind. „Dass ich als junge Frau mit langen blonden Haaren als Bioinformatikerin arbeite, also ‚harte‘ Wissenschaft am Computer mache, löst immer wieder auf Erstaunen aus“, beschreibt sie ihre Erfahrung. Sie will der Wissenschaft ein diverses Gesicht geben, weg vom Klischee des hellhäutigen ergrauten Professors. „Viele Forschende am MDC und anderen Einrichtungen kommen aus fernen Ländern. Bei Veranstaltungen wie Soapbox Science können wir uns Rassismus entgegenstellen und zeigen, dass Fremde nicht immer Geflüchtete sind, sondern beispielsweise als Forscherinnen wichtige Arbeit machen“, sagt sie. Wissenschaft, so lautet die Botschaft, ist für alle zugänglich – egal woher und welchen Geschlechts.

Text: Wiebke Peters

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Das nächste Soapbox Science Event in Berlin, bei dem die MDC-Forscherinnen auftreten, findet am 19. September 2020 von 14 bis 17 Uhr auf dem Washingtonplatz am Berliner Hauptbahnhof statt. Mehr Infos: https://www.facebook.com/soapboxscienceberlin