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Wenn Krankheiten im Darm beginnen

Wie sich Entzündungen der Darmschleimhaut auf die Blutgefäße auswirken, untersucht jetzt ein Berliner Team um den ECRC-Forscher Dominik N. Müller. Für die Studie sucht das Team noch Interessent*innen – etwa mit entzündlichen Darmerkrankungen, Multipler Sklerose, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus.

Im Darm ist viel los: Mehr als 1.000 Bakterienarten helfen bei der Verdauung, produzieren Botenstoffe für andere Organe und unterstützen das Immunsystem. Gerät die komplexe Lebensgemeinschaft namens Darm-Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, können chronisch entzündliche Darmerkrankungen und wahrscheinlich Stoffwechselstörungen, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems sowie Gefäßkrankheiten entstehen. Schon vor 2.500 Jahren sagte Hippokrates: Alle Krankheiten beginnen im Darm.

Das Zusammenspiel zwischen Entzündungen der Darmschleimhaut und der Funktion der Blutgefäße untersucht jetzt ein Team aus Berliner Grundlagen-, Computer- und klinischen Wissenschaftler*innen in der InFlame-Studie. Beteiligt sind das Experimental and Clinical Research Center (ECRC), die Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Campus Benjamin Franklin), das Max Delbrück Center und das Berlin Institute of Health (BIH). Das ECRC ist eine gemeinsame Einrichtung des Max Delbrück Center und der Charité. Das Hauptaugenmerk der Forschenden liegt auf Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, Multipler Sklerose, Bluthochdruck und Diabetes mellitus.

3D-Atlas der Darmschleimhaut

Dr. Kristin Kräker

Das Team sucht noch Interessent*innen für die Studie, die im März 2023 begonnen hat. Insgesamt wollen die Forscher*innen mindestens 30 Männer und 30 Frauen zu jedem Krankheitsbild sowie gesunde Proband*innen als Kontrollen rekrutieren. Zunächst werden ihnen im Rahmen einer Darmspiegelung kleine Proben aus der Darmschleimhaut entnommen. Diese werden von Dr. Lea-Maxie Haag und weiteren Mitgliedern aus der Arbeitsgruppe von Professorin Britta Siegmund, Charité, untersucht. Dr. Kristin Kräker aus der Arbeitsgruppe „Hypertonie-vermittelter Endorganschaden“ von Professor Dominik N. Müller und Professor Ralf Dechend am ECRC untersucht die Herz- und Gefäßfunktion sowie den Stoffwechsel der Studienteilnehmer*innen in enger Zusammenarbeit mit Dr. Michael Boschmann und Dr. Edyta Blaszczyk (ECRC). Bei allen Studienteilnehmer*innen wiederholen sie diese Untersuchungen nach sechs, zwölf und 24 Monaten.

Studienteilnehmer*innen gesucht

 

Für die InFlame-Studie werden noch Teilnehmer*innen gesucht. Interessent*innen mit und ohne einer der im Text genannten Erkrankungen können sich per E-Mail melden unter: inflame@charite.de

Wir wollen herausfinden, wo genau der Darm entzündet ist und wie sich die Entzündungen auf die Gefäßfunktion auswirken.
Dominik Müller
Dominik Müller Leiter der AG „Hypertonie-vermittelter Endorganschaden“

Weitere Forscher*innen um René Hägerling (BIH/Charité) erstellen dreidimensionale Schnittbilder aus den Proben. „So entsteht ein räumlicher Atlas des jeweiligen Schleimhautmikrobioms“, sagt Dominik N. Müller. „Wir wollen herausfinden, wo genau der Darm entzündet ist und wie sich die Entzündungen auf die Gefäßfunktion auswirken.“ Den Forschenden geht es um die Mechanismen, die die Krankheiten auslösen. Und sie wollen die Therapien verbessern. „Warum wirken Medikamente zum Beispiel bei manchen Patient*innen und bei anderen nicht“, fragt Kristin Kräker. „Bisher basieren die Entscheidungen für eine Therapie nicht auf genauen Messungen des Darmmikrobioms und deren Produkten. Wir glauben, dass es besser – gezielter geht, wenn wir diese ‚Black Box‘ beleuchten“, sagt Dominik N. Müller.

Text: Jana Ehrhardt-Joswig

 

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