Thomas Willnow: Förderung für riskante Projekte
Was ist das Besondere an den ERC-Grants?
ERC war ein Quantensprung in der Forschungsförderung in Europa. Vorher stand die strategische Zusammenarbeit im Vordergrund, die EU wollte die Vernetzung stärken. Der Ansatz bei ERC ist ein konsequent anderer. Hier geht es nicht um Konsortien, sondern um Förderung einer einzelne Person oder Arbeitsgruppe, um eine gute Idee und um die Umsetzung. Die Begutachtungen sind transparent und wissenschaftlich hochqualifiziert. Die Gutachter suchen einige wenige Leute aus und vertrauen ihnen viel Geld an, auch für riskante Projekte. Eine solche Förderung bekommt man in Deutschland sonst nur mit dem Leibniz-Preis. Entsprechend hoch ist das Renommee. Am Anfang hilft das. Gleichzeitig geht damit aber auch eine Verantwortung einher. Nach fünf Jahren schauen die Leute sehr genau: Was hat dieses Labor eigentlich mit zweieinhalb Millionen Euro gemacht?
Was hat ihr Projekt „riskant“ gemacht?
Unser Projekt beschäftigt sich mit den metabolischen Ursachen neurodegenerativer Prozesse. Die Fragestellung dahinter ist eminent wichtig. Wenn man sich Patientengruppen anschaut, sieht man einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Stoffwechselstörungen und dem Risiko einer Demenz. Was genau Gefäße und Gehirn oder Leber und Gehirn oder Fettgewebe und Gehirn miteinander zu tun haben, warum das Alzheimer-Risiko erhöht ist, ist dagegen noch nicht verstanden. Aber nur mit diesem Wissen kann man Risikofaktoren abschätzen oder einen neuen Zugang zur Demenz-Therapie finden. Bei metabolischen Störungen können Patienten viel erreichen, wenn sie den eigenen Lebensstil ändern, ihre Ernährung umstellen oder Medikamente nehmen. Statt zu versuchen, Nervenzellen zu retten, würde man also metabolische Risikofaktoren minimieren und so das Auftreten einer Altersdemenz bekämpfen.
Der Haken ist: Das weiß man seit vielen Jahren aus der Genetik. Trotzdem kennt bislang kein Mensch den Zusammenhang. Mithilfe von Mausmodellen, die metabolische Erkrankungen haben, wollen wir deren Risiko für die Neurodegeneration untersuchen. Aber kann man das überhaupt? Sind Mausmodelle mit Stoffwechselstörungen überhaupt geeignet diesen Zusammenhang aufzuzeigen? Das ist ein Risiko.
Haben Sie Zwischenergebnisse? Klappt es?
Ja, für einzelne metabolische Regulatoren können wir diesen Zusammenhang tatsächlich zeigen. Die Frage ist nun, ob man dieses Wissen nutzen kann, um über diese Signalwege auch neurodegenerative Prozesse aufzuhalten oder zu minimieren. Das muss sich noch zeigen. In den zwei Jahren, in denen das Projekt jetzt läuft, haben wir zumindest mechanistisch verstanden, welchen Zusammenhang es zwischen Stoffwechselveränderungen bei Übergewicht und Signalwegen für das Überleben von Neuronen gibt.
Hintergrund: Prof. Thomas Willnow forscht mit seiner MDC-Arbeitsgruppe „Molekulare Herz-Kreislaufforschung“ an grundlegenden Prozessen der Zellbiologie. Diese sind auch relevant für neurodegenerative und Stoffwechselerkrankungen.