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Herzlichen Glückwunsch, ERC!

In dieser Woche feiert der Europäische Forschungsrat (ERC) zehnten Geburtstag. MDC-Forscherinnen und Forscher erzählen, was ERC-Grants einzigartig macht und warum sie für riskante Projekte besonders wichtig sind.

Thomas Willnow zögert nicht, als er nach den Vorteilen eines ERC Grants gefragt wird. „Vorher wollte die EU die Vernetzung stärken. Der Ansatz beim ERC ist ein konsequent anderer. Hier geht es nicht um Konsortien, sondern um eine gute Idee und ihre Umsetzung“, sagt der Zellbiologe. Er ist einer von 14 Forscherinnen und Forschern am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, die bislang im Wettbewerb um die begehrte Förderung erfolgreich waren. Das MDC belegt damit Platz 17 von 128 deutschen Wissenschaftsinstitutionen.

Bei der Auswahl ist wissenschaftliche Exzellenz das einzige Kriterium. Keine inhaltlichen, keine politischen Vorgaben engen die Forscherinnen und Forscher ein. Der ERC sieht sie als Pioniere, die in unbekanntes Terrain aufbrechen. Sie sollen selbst entscheiden, wo sich die Erkundung lohnen könnte. Das war das Versprechen, mit dem der ERC im Jahr 2007 angetreten ist. Die Gutachter haben es umgesetzt und unter anderem Projekten Millionen Euro anvertraut, die in die Kategorie „high risk – high gain“ fallen.

Thomas Jentsch zum Beispiel suchte mithilfe seines ERC Advanced Grants einen für Zellen überlebenswichtigen Ionenkanal, an dem sich mehr als 20 Jahre viele Gruppen die Zähne ausgebissen hatten. „Das war ein langwieriges und teures Unterfangen mit ungewissem Ausgang, mit dem inhärenten Risiko, dass auch wir daran scheitern oder andere Gruppen uns zuvor kommen“, sagt er. Er hatte Erfolg. Gary Lewin analysiert mithilfe seines ERC Advanced Grants die Physiologie von Nacktmullen. Dank dieses extremen Säugetieres will er fundamentale Einsichten in menschliche Erkrankungen gewinnen: „Das ist allerdings etwas um die Ecke gedacht, mehr ins Blaue als normalerweise üblich.“

„Zeit ist ein entscheidender Faktor, wenn man ein Labor aufbaut“

Auch das Alter der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist für den ERC nicht entscheidend. So hatte Klaus Rajewsky 2010 dank ERC-Grant die Möglichkeit, trotz seines fortgeschrittenen Alters von der Universität Harvard nach Deutschland zurückzukehren und am MDC weiter zu forschen. Die ERC Starting Grants dagegen geben Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die nötigen Mittel, um ein eigenes Labor aufzubauen und unabhängig zu arbeiten. „Durch den ERC Grant haben wir alle nötigen Ressourcen, um unser Projekt voranzutreiben und unsere Zeit der Wissenschaft zu widmen“, sagt der MDC-Krebsforscher Gaetano Gargiulo. Ihm wurde im Herbst 2016 ein ERC Starting Grant zuerkannt. „Zeit ist ein entscheidender Faktor, wenn man ein Labor aufbaut.“

Während der letzten zehn Jahren hat der ERC so mehr als 7000 Grundlagenforscherinnen und -forscher in ganz Europa unterstützt. Zwei Drittel von ihnen sind jung, sie haben erst vor zwei bis zwölf Jahren ihre Dissertation abgeschlossen. Ein ERC Grant gibt ihnen nicht nur finanzielle Freiheit, sondern auch Sichtbarkeit. „Ich habe weltweit Aufmerksamkeit bekommen und konnte ausgezeichnete Kollaborationen aufbauen“, sagt Zsuzsanna Izsvák, deren Forschung zu mobilen DNA-Elementen durch einen ERC Advanced Grant unterstützt wird. „In diesen Jahren konnte ich mehrere Patente anmelden. Unsere Erfindung, das Sleeping-Beauty-System, wird nun als Gentherapie-Vektor in der Klinik erprobt.“

2015 wurde die Gefahr abgewendet. Vorerst.

Der ERC habe die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Forschung verbessert, heißt es in einem Statement von EU-LIFE, (Link) einer Allianz 13 biomedizinischer Forschungsinstitute in ganz Europa, zu der auch das MDC gehört. Trotzdem wäre der ERC 2015 beinahe Sparzwängen zum Opfer gefallen. 2,7 Milliarden Euro sollten aus dem Horizon-2020-Programm gestrichen werden, davon 221 Millionen Euro beim ERC. Der Protest war einhellig, die Gefahr wurde abgewendet. Vorerst. „Wir bitten Politiker aller EU-Mitgliedsländer und EU-Institutionen dringend, den ERC ohne Wenn und Aber zu unterstützen“, fordert EU-LIFE. „Dazu gehört, das Budget im nächsten Rahmenprogramm FP9 zu erhöhen und wissenschaftliche Leistung und Unabhängigkeit als Prinzipien des ERC zu bekräftigen.“

Wie nötig exzellente Grundlagenforschung ist, zeigt das Thema, das Thomas Willnow mithilfe seines ERC Advanced Grants bearbeitet. „Wenn man sich Patientengruppen anschaut, sieht man einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Stoffwechselstörungen und dem Risiko einer Demenz“, sagt er. Aber was genau Gefäße und Gehirn, Fettgewebe und Gehirn oder Leber und Gehirn verbindet, sei noch nicht im Detail verstanden. Willnows Team konnte für einzelne metabolische Regulatoren diesen Zusammenhang zeigen. „Die Frage ist nun, ob man dieses Wissen nutzen kann, um über metabolische Signalwege neurodegenerative Prozesse aufzuhalten.“

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