Huntingtin

200.000 Euro für Huntington-Forschung am MDC

Dr. Eduardo Silva Ramos erhält ein Fellowship der Huntington's Disease Society of America. Der MDC-Forscher will einen Proteinkomplex näher untersuchen, der entscheidenden Einfluss auf eine der Huntington-Krankheit zugrundeliegende Mutation haben könnte, und daraus neue therapeutische Ansätze entwickeln.

Die Huntington-Krankheit, auch Chorea Huntington genannt, ist eine unheilbare erbliche Erkrankung des Gehirns. Sie bricht meist zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus, seltener in der Kindheit oder im höheren Alter. Typische Symptome sind Bewegungsstörungen, Wesensveränderungen bis hin zur Demenz. Meist führt sie innerhalb von 20 Jahren zum Tod. Am Ende ihres Lebens sind die Patient*innen völlig hilflos.

Der Huntington-Krankheit ihren Schrecken nehmen - das ist das Ziel von Dr. Eduardo Silva Ramos, der am MDC einen bislang nicht identifizierten Proteinkomplex entdeckt hat, der Proteine für den Abbau markieren kann. Er hofft, dass er mit seinen Teamkolleg*innen Ansatzpunkte für eine medikamentöse Therapie dieser heimtückischen Krankheit findet.

Krankheitsursache ist eine Mutation auf dem Huntingtin-Gen. Diese führt in den Nervenzellen zu einer Fehlfaltung des gleichnamigen Proteins (HTT) und damit zu einer schleichenden, unaufhaltsamen Zerstörung des Gehirns.  Dass das fehlerhafte HTT-Protein bei der Huntington-Krankheit eine entscheidende Rolle spielt, ist seit fast 30 Jahren bekannt. Doch wie die Genmutation, die Funktion des Proteins und die Erkrankung genau zusammenhängen, ist noch unklar.

Dr. Eduardo Silva Ramos, der seit 2019 am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) forscht, verfolgt nun eine neue Spur: „Wir konnten einen bislang noch nicht beschriebenen Proteinkomplex identifizieren, der Proteine für den Abbau markieren kann. Er besteht aus zwei Untereinheiten, die beide mit HTT interagieren“, berichtet Ramos, der als Postdoktorand in der Gruppe „Proteomforschung und molekulare Mechanismen bei neurodegenerativen Erkrankungen“ von Professor Erich E. Wanker tätig ist. „Unsere experimentellen Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Proteinkomplex eine bedeutende Rolle bei der Regulierung der HTT-Proteinspiegel spielt.“

„Das ist ein großartiges Gefühl“

KryoEM-Struktur des Huntingtin-Proteins (blau) im Komplex mit HAP40 (magenta). Urheber: Harding, R.J., et al. (2021). HAP40 orchestrates huntingtin structure for differential interaction with polyglutamine expanded exon, https://doi.org/10.1101/2021.04.02.438217

Um den von ihm entdeckten Proteinkomplex genauer zu erforschen, erhielt Eduardo Silva Ramos nun das „Berman-Topper Family HD Career Development Fellowship 2021“ der Huntington's Disease Society of America. Das Programm zielt darauf ab, junge Forschende über einen Zeitraum von drei Jahren bei einem Vorhaben zu unterstützen, das wegweisende neue Einsichten in die Biologie der Huntington-Krankheit verspricht. „Für mich ist dieses Stipendium eine Anerkennung der innovativen Stärke unseres wissenschaftlichen Ansatzes. Das ist ein großartiges Gefühl und ein Motivator für meine weitere Forschungskarriere“, sagt der Biologe. Das Fellowship ist mit insgesamt 240.000 US-Dollar bzw. knapp 200.000 Euro dotiert.

Eduardo Silva Ramos und weitere Forschende aus der AG Wanker wollen herausfinden, ob und wie sie den Proteinkomplex für neue therapeutische Ansätze nutzen können. In einem ersten Schritt will das Team die Mechanismen des Zusammenspiels zwischen dem Proteinkomplex und HTT untersuchen. Ein besonderes Augenmerk legen die Wissenschaftler*innen dabei auf die Ubiquitinierung: „Ubiquitin ist ein Protein, das an andere Proteine angehängt werden kann, um sie gezielt abzubauen, etwa fehlgefaltete Proteine in Neuronen“, erklärt Eduardo Silva Ramos. „Die Untereinheiten unseres Proteinkomplexes können Ubiquitin-Ketten anhängen. So wird möglicherweise die Menge des krankmachenden HTT in den Neuronen gesenkt.“ Parallel dazu wollen die Forschenden ein Wirkstoffscreening durchführen, in der Hoffnung, dabei Moleküle zu identifizieren, die die Interaktion zwischen dem fehlerhaften HTT und dem Proteinkomplex stabilisieren. „Wenn uns das gelingt, könnte dies den Weg in Richtung einer medikamentösen Therapie dieser heimtückischen Krankheit ebnen“, hofft Eduardo Silva Ramos.

Text: Wiebke Peters

 

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