📺 Molekulare Mechanismen des sozialen Verhaltens
„So etwas wie ein normales Gehirn gibt es nicht“, sagt Dr. Hanna Hörnberg. Seit ihrem Biologiestudium ist sie vom menschlichen Gehirn fasziniert, davon, wie molekulare Prozesse die grauen Zellen verändern können. Die 36 Jahre junge Schwedin ist neue Juniorforschungsgruppenleiterin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Am Campus Berlin-Buch leitet sie seit 1. November die Arbeitsgruppe „Molekulare und zelluläre Grundlagen des Verhaltens“.
Hanna Hörnberg im Interview
Auf der Suche nach gezielten Therapien
Autismus, Schizophrenie, Depression – ihnen ist gemein, dass Ausprägungen und Schweregrade so vielfältig sind wie die Risikofaktoren, die ihnen zugrunde liegen. Wirksame Therapien sind schwer zu finden. Ärzt*innen bleibt häufig nichts anderes übrig, als den Betroffenen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum Medikamente zu verschreiben: Menschen mit Depressionen oder Schizophrenie müssen oftmals eine ganze Reihe an Tabletten ausprobieren, bis ein Medikament gefunden ist, das ihnen hilft.
„Das liegt daran, dass es dafür kaum klinische Biomarker gibt“, erklärt Hörnberg. In der Krebstherapie beispielsweise geben Biomarker – das können Genmaterial, Genprodukte oder Moleküle wie Enzyme, Rezeptoren oder Hormone sein – wertvolle Hinweise darauf, ob eine bestimmte Therapie sinnvoll ist oder nicht. Hörnberg will solche Biomarker für neuropsychiatrische Erkrankungen und für Entwicklungsveränderungen identifizieren.
Als Postdoktorandin am Biozentrum der Universität Basel hat die Biologin die sogenannten dopaminergen Neuronen – das sind Neuronen, in denen sich der Neurotransmitter Dopamin bildet – in den Gehirnen von Mausmodellen für Autismus untersucht. Dabei hat sie festgestellt, dass dopaminerge Neuronen im Belohnungszentrum des Gehirns der Mäuse nicht auf das Bindungshormon Oxytocin reagieren. Die Mäuse zeigen eine reduzierte soziale Interaktion. Am MDC möchte sie nicht nur die neuronalen Schaltkreise für die sozialen Symptome erforschen, sondern auch diejenigen, die die Gefühle steuern, etwa Ängstlichkeit. „Die Signalkaskaden, die dieses Verhalten regulieren, könnten Angriffspunkte für neue Medikamente sein“, begründet sie ihren Ansatz.
Beeinträchtigende Symptome lindern – nicht die Persönlichkeit ändern
In der Wissenschaft spielen Frauen und Minderheiten immer noch nicht überall die gleiche Rolle. Vielfalt in der Wissenschaft ist aber eine Stärke. Nach meiner Erfahrung unterstützt das MDC diese Vielfalt.
Dabei ist ihr wichtig, dass die Betroffenen selbst entscheiden können, ob und in welchem Maß sie überhaupt Hilfe wollen. Bei Autist*innen können Symptome wie Angst, Überempfindlichkeit oder Schlafstörungen auftreten, unter denen sie leiden und die sie möglicherweise behandeln lassen möchten; das heiße aber nicht, dass sie unter einer Therapie die Welt anders wahrnehmen wollen. „Das ist Teil dessen, wer sie sind, und nicht behandlungsbedürftig“, sagt die Neurowissenschaftlerin. Es sei sehr wichtig herauszufinden, welche Veränderungen im Gehirn welche Symptome auslösen – damit nur die ausgeschaltet werden können, die den Betroffenen Probleme bereiten.
Dass sie am MDC nun eine Forschungsgruppe leite, sei für sie „ein großes Privileg“. Am MDC begeistere sie der spürbare Teamgeist. Sie freue sich auf den Austausch mit ihren Kolleg*innen, auf gemeinsame Forschungsergebnisse. Darüber hinaus wird sie im Rahmen von NeuroCure, einem Berliner Exzellenzcluster zur Erforschung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, mit anderen Wissenschaftler*innen zusammenarbeiten. Nicht zuletzt sei es für sie extrem wichtig, dass
am MDC der Diversitätsgedanke gelebt werde. „In der Wissenschaft spielen Frauen und Minderheiten immer noch nicht überall die gleiche Rolle. Vielfalt in der Wissenschaft ist aber eine Stärke. Nach meiner Erfahrung unterstützt das MDC diese Vielfalt.“
Text: Jana Ehrhardt-Joswig