Klaus Rajewsky wird für sein Lebenswerk geehrt
Es begann mit zwölf Käfigen für Kaninchen in Köln. Und mit einer Stelle als Vertreter eines wissenschaftlichen Assistenten. Als der damals 27-jährige Klaus Rajewsky nach einem Medizinstudium in Frankfurt und München sowie einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in Paris im Jahr 1964 an das erst kurz zuvor von Max Delbrück gegründete Institut für Genetik kam, war es seine vorrangige Aufgabe, Antikörper in Kaninchen herzustellen. Und Forschungsgelder für eigene Studien einzuwerben. „Ich war der einzige Immunologe dort und die anderen schienen meine Antikörper für nützlich zu halten“, erinnert sich Rajewsky.
Als er die Kölner Universität nach 38 Jahren wieder verließ, um an der Harvard Medical School in Boston weiter zu forschen und so seiner Emeritierung in Deutschland zu entgehen, war seine Abteilung die größte des Instituts und unter Immunolog*innen und Molekularbiolog*innen auf der ganzen Welt bekannt. Inzwischen kann der 88-jährige Forscher, der am Max Delbrück Center seit 2011 die Arbeitsgruppe „Immunregulation und Krebs“ leitet, auf eine mehr als sechs Jahrzehnte währende Karriere zurückblicken – in der er viele der genetischen Mechanismen entschlüsselt hat, die dem Immunsystem zugrunde liegen und Krankheiten entstehen lassen.
Die European Federation of Immunological Societies (EFIS) hat Professor Rajewsky jetzt für sein Lebenswerk geehrt. Anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens vergibt die EFIS, der europäische Dachverband von 26 nationalen Gesellschaften für Immunologie, zum ersten Mal einen Lifetime Achievement Award. Mit dem Preis würdigt sie Rajewsky als Pionier der zellulären und molekularen Immunologie.
„Bahnbrechende Forschung, transformative Innovationen“
„Als ich von der Auszeichnung erfahren habe, war das für mich ein bewegender Moment“, sagt Rajewsky. „Die EFIS ist eine große Gemeinschaft von Immunologinnen und Immunologen – und dass sie mich, der damals so klein angefangen hat, für ihren ersten Lifetime Achievement Award ausgesucht hat, das fand ich wirklich toll.“ Der Forscher nahm den Preis am 17. August 2025 in Wien entgegen. Die Verleihung fand während des Kongresses der International Union of Immunological Societies (IUIS) statt.
Für den Award vorgeschlagen wurde Rajewsky von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), die er 1967 mitgegründet hat. Er habe sein Fachgebiet mit bahnbrechender Forschung, transformativen Innovationen und der Betreuung von Generationen von Immunologen geprägt, heißt es in der Begründung der EFIS für ihre Wahl. Sie hebt insbesondere Rajewskys grundlegende Arbeiten zur Biologie der Antikörper bildenden B-Zellen hervor sowie zur Entwicklung eines Gene-Targeting-Systems, mit dem sich einzelne Gene erstmals spezifisch in bestimmten Geweben oder zu einem gewünschten Zeitpunkt ein- und ausschalten ließen. „Beim klassischen Gene-Targeting hingegen wurden prinzipiell alle Zellen im Organismus verändert“, erläutert Rajewsky. Forschende aus aller Welt seien in sein Kölner Labor gekommen, um diese CRE/loxP-basierte Methode zu erlernen.
Darüber hinaus lobt die EFIS den Wissenschaftler dafür, dass er moderne Technologien wie die Mikro-RNA-Analyse und die Genschere CRISPR/Cas9 nicht nur früh in die immunologische Forschung eingeführt, sondern auch verfeinert hat. Erst vor drei Jahren stellte sein Team im Fachblatt „Science Advances“ zum Beispiel eine modifizierte Version der Genschere vor, die deutlich präziser arbeitet als ihre Vorgängerin – und somit zur Genkorrektur bei Erbkrankheiten, die auf einer einzelnen Mutation beruhen, vermutlich besonders geeignet ist.
Rajewsky hat noch einiges vor
Die Publikation ist nur eine auf der sehr langen Liste der Veröffentlichungen, an denen der Forscher beteiligt war. Mehr als 500 dürften es inzwischen sein, schätzt Rajewsky, der gemeinsam mit seinen Mitarbeiter*innen und einem Pathologen auch als erster erkannte, dass das bis dahin völlig rätselhafte Hodgkin-Lymphom aus B-Zellen eines bestimmten Entwicklungsstadiums entsteht. Er sei ein unermüdlicher Förderer der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und des internationalen Austauschs gewesen, betont die EFIS. Zudem habe er Generationen von Immunolog*innen in Deutschland, Europa und weltweit ausgebildet und inspiriert. Auf die Preisverleihung und den Kongress freut Rajewsky sich daher auch schon sehr: „Es werden sicherlich viele ehemalige Schülerinnen und Schüler, Bekannte, Freundinnen und Freunde von mir anwesend sein“, sagt er.
Auch danach hat der Forscher noch einiges vor. „Aktuell beschäftigen wir uns unter anderem mit bestimmten erblichen Immundefizienzen, bei denen die T-Zellen nicht richtig funktionieren“, berichtet er. Man könne diese Zellen genetisch reparieren – und im Mausmodell hat er gemeinsam mit seinem derzeit zehnköpfigen Team schon gezeigt, dass damit die Tiere von ihrer tödlichen Krankheit geheilt werden konnten. Auch Experimente mit menschlichen Zellen waren bereits erfolgreich. „Es handelt sich allerdings um Erkrankungen, die beim Menschen sehr selten sind – weshalb es schwierig ist, Forschungsgelder für klinische Studien einzuwerben“, bedauert Rajewsky. Doch vielleicht hilft ihm ja auch dabei wieder sein Erfahrungsschatz, den er vor mehr als sechzig Jahren in Köln zu sammeln begonnen hat.
Text: Anke Brodmerkel
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