Ute Meyer

Mein Geburtstag am 9. November

Ute Meyer, Referentin des Administrativen Vorstands

An meinem 4. Geburtstag war nicht daran zu denken, dass ich mal an einem internationalen Forschungszentrum arbeiten werde.
Zu den Weihnachtsfeiertagen 1989 spazierten wir mit meinen Großeltern zum Brandenburger Tor. Dort waren die Mauerspechte am Werk.
 Ute Meyer
Ute Meyer Referentin des Administrativen Vorstands

Meine Erinnerungen an den 09.11.1989 sind eher schwammig, aber die Schilderungen meiner Familie über diesen Tag sind immer wieder präsent. So erzählen meine Tante und mein Onkel heute noch von ihrem Besuch des Deutschen Theaters. An diesem bedeutenden Abend sahen sie sich die Vorstellung „Nathan der Weise“ an. Sie erinnern sich an Anspielungen in dem Stück an die damalige politische Situation. In der Pause wurde unter den Anwesenden getuschelt. Meine Tante hörte beiläufig, wie sich zwei Einlasserinnen über die angebliche Öffnung der Mauer unterhielten. Sie erzählte es meinem Onkel, der es nicht glauben wollte. Nach der Pause waren vereinzelt Plätze im Saal nicht mehr besetzt. Zum Schlussapplaus fehlten schließlich einige Ensemble-Mitglieder. Zu Hause in Hohen Neuendorf schalteten meine Verwandten den Fernseher ein. In den Tagesthemen um 22:40 Uhr bestätigte sich das Gehörte. Daraufhin machte sich mein Onkel gemeinsam mit Freunden zu Fuß und mit der S-Bahn auf den Weg zur Bornholmer Straße, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Meine Tante blieb bei meinen Cousins, aus Angst die Grenze könnte wieder geschlossen werden.

Sommer 1989 auf dem Balkon einer Plattenbauwohnung: Die Autorin lebte damals mit ihrer Familie im Berliner Bezirk Hellersdorf.

Mit meinen Eltern, meinem vier Jahre älteren Bruder und befreundeten Kindern aus dem Kindergarten, feierte ich hingegen an diesem Datum tagsüber ausgiebig meinen vierten Geburtstag. Zum Zeitpunkt der historischen Pressekonferenz lag ich bereits in meinem Bett in unserer 4-Raumwohnung in einem typischen DDR-Plattenbau im Berliner Bezirk Hellersdorf. Meine Mutter erinnert sich, wie sie beim Aufräumen der Wohnung die Mitteilung von der Grenzöffnung im Fernsehen aufschnappte. Glauben wollte sie es dennoch nicht. Erst am nächsten Morgen, als sie das Radio einschaltete, hörte sie von tanzenden Menschen auf der Mauer. Sie brachte mich trotzdem wie gewohnt in den Kindergarten und ging dann zur Arbeit. Von ihrem Arbeitsplatz konnte sie die Straße sehen, in der unendlich viele Menschen vor der Meldestelle standen. Da wurde ihr die Dimension bewusst.

Anfang Dezember 1989 lief ich mit meiner Familie am Übergang Oberbaumbrücke dann erstmals nach West-Berlin. Zu den Weihnachtsfeiertagen 1989 spazierten wir mit meinen Großeltern zum Brandenburger Tor. Dort waren die Mauerspechte am Werk.

Der 9. November wird immer ein besonderer Tag für mich bleiben. 

Während die Erinnerungen an meinen vierten Geburtstag für mich vor allem von den Erzählungen geprägt sind, kann ich mich an den 09.11.2003 bewusst erinnern. An diesem Tag, meinem 18. Geburtstag, überraschte mich meine Familie mit einer Reise nach Prag. Es war für mich bewegend, 14 Jahre nach dem Mauerfall an der Prager Botschaft zu stehen und an die Ereignisse des Herbstes 1989 zu denken.

Heute, 30 Jahre nach 1989, feiere ich am 9.11. meinen Geburtstag nun wieder in Berlin, diesmal mit Freunden aus Ost und West. An meinem vierten Geburtstag war nicht daran zu denken, dass ich mal an einem internationalen Forschungszentrum arbeiten würde. Ohne die friedliche Revolution könnte ich viele Ecken der Welt nicht sehen. Auch viele berufliche Erfahrungen hätte ich nicht sammeln können, wie unter anderem im Deutschen Bundestag, im Bundesministerium für Gesundheit, beim Hauptstadtkulturfonds oder am Goethe-Institut in Sydney.

Die Erinnerungen an „Meinen 9. November“ tippte ich fast selbstverständlich und grenzenlos im Zug nach Berlin in meinen Laptop während meiner Rückfahrt von einer dreitägigen Dienstreise, die mich nach Bonn (DZNE) und Heidelberg (DKFZ) führte.