Christian Panetzky

Nachhaltig forschen: Wie kann das gelingen?

Als Berater des Helmholtz-Präsidenten konnte Christian Panetzky tiefe Einblicke in die Forschungspolitik und internationale Zusammenarbeit gewinnen. Jetzt konzentriert er sich als Beauftragter am Max Delbrück Center darauf, wie Forschung nachhaltig gestaltet werden kann. Hier seine Denkanstöße:*

Seit drei Monaten arbeite ich als Koordinator für Nachhaltigkeit am Max Delbrück Center – und bin damit gewissermaßen noch ein Greenhorn. Die Herausforderung ist: Wie können Forschungseinrichtungen umweltfreundlicher werden, ohne ihre wissenschaftliche Leistung zu beeinträchtigen? Um nicht bei Bekanntem stehenzubleiben, schlage ich vor, über folgendes zu diskutieren: Welche Hebel haben wir, um die nachhaltige Weiterentwicklung des Forschungssystems voranzutreiben?

  1. Ein gemeinsames Narrativ entwickeln: Ja, unsere Forschungseinrichtungen verursachen erhebliche klimaschädliche Emissionen. Das Max Delbrück Center beispielsweise stößt jährlich rund 20.000 Tonnen CO₂ aus. Ja, unsere Labore produzieren große Mengen an Plastikmüll. Ja, wir müssen in der Planung unserer Forschungsprozesse umsichtiger werden. Und selbstverständlich tragen wir als öffentlich finanzierte Forschungseinrichtung eine besondere Verantwortung bei der nachhaltigen Transformation der Gesellschaft. Unser vorrangiger Auftrag bleibt jedoch die Forschung für eine lebenswerte, nachhaltige und gesunde Zukunft. Es gilt, grüner zu werden, ohne unsere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Unser Geschäftsmodell ist von Grund auf nachhaltig, und diese Botschaft sollten wir verbreiten – sei es in Vorträgen, Gesprächen mit Politiker*innen oder bei der Beantragung von Fördermitteln. Mein Vorschlag: Wir lassen in jedem wissenschaftlichen Artikel, in jedem Post und in jeder Präsentation ein paar Sätze zu den nachhaltigen Auswirkungen unserer Arbeit einfließen!
  2. Regulierungen im Blick behalten und ein guter Draht zu Politik und Fördermittelgebern: Nachhaltigkeit ist ein hochpolitisches Thema, und die Anforderungen an Forschungseinrichtungen werden immer konkreter. Viele staatliche Fördermittelgeber fragen inzwischen aktiv nach Nachhaltigkeitskriterien. Große Forschungseinrichtungen in Deutschland müssen Energiemanagementsysteme einführen und umfassende Nachhaltigkeitsberichte gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive) erstellen. Damit solche Regelungen wissenschaftsadäquat gestaltet werden, braucht die Nachhaltigkeits-Community vertrauensvolle Beziehungen und klare Ansprechpartner*innen bei den relevanten Entscheidungsträger*innen. Wir sollten uns daher selbstkritisch fragen: Ist unsere Einrichtung ausreichend mit den zuständigen Ansprechpartner*innen im Ministerium oder bei unseren wichtigsten Fördermittelgebern vernetzt?
  3. Eine solide Datengrundlage schaffen: „You can't manage what you can't measure.” Meine Aufgabe als Nachhaltigkeitskoordinator ist es, unsere Wissenschaftler*innen in ihrer Forschung zu unterstützen – und ihnen keine Steine in den Weg zu legen. Nachhaltigkeitsmaßnahmen müssen gemeinsam mit der Wissenschaft entwickelt werden und einen nachweisbaren Nutzen haben. Angesichts begrenzter Ressourcen in den Nachhaltigkeitsabteilungen gilt umso mehr: Wir sollten uns auf Initiativen konzentrieren, die messbare Erfolge versprechen. Und wenn wir Ressourceneffizienz und CO₂-Einsparungen finanziell messbar machen, erleichtert das auch die Überzeugungsarbeit gegenüber den Verantwortlichen an der Spitze des Forschungszentrums. Mein Vorschlag lautet daher: Jede umgesetzte Maßnahme sollte mit mindestens einem messbaren Parameter hinterlegt werden – sei es durch Einsparungen in Euro, CO₂-Reduktionen oder einen nachweisbaren Nutzen für die Community.
  4. Nachhaltigkeitsleistungen belohnen: Für einen Nachhaltigkeitskoordinator gibt es wahrscheinlich keine dankbarere Community als die hoch engagierten und weltoffenen Mitarbeitenden eines Forschungsinstituts. Natürlich sind die Kolleg*innen in erster Linie ihren eigenen Forschungsprojekten verpflichtet und haben daher nur begrenzte Kapazitäten, sich für die nachhaltige Weiterentwicklung von Strukturen und Prozessen einzusetzen. Wir müssen Wege finden, wie neben exzellenter Forschung auch das Engagement für Nachhaltigkeit auf die akademische Vita einzahlt. Zudem gibt es das Paradoxon des Sparens: Wenn Forschungsgruppen Einsparungen erzielen, profitieren sie oft nicht direkt davon. Doch wäre das nicht ein zentrales Incentive, um die Kreativität unserer Forschenden anzuregen? Ideen für mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparungen sollten anerkannt werden. Ein betriebliches Vorschlagswesen für Nachhaltigkeitsmaßnahmen oder organisationsinterne „Green Revolving Funds“ (wie das Intracting an der Universität Kassel oder der Harvard Green Revolving Funds) könnten hier erhebliches Momentum erzeugen.

Was ich in den vergangenen Monaten festgestellt habe: Die Community von Nachhaltigkeitsexpert*innen in der Forschung sowie gleichgesinnten Wissenschaftler*innen ist größer, als ich es mir je vorgestellt habe. Und ich lerne jeden Tag neue Best-Practice-Beispiele kennen. Sei es von Kolleg*innen an unserem Zentrum, die den Nachhaltigkeitsgedanken auf einzigartige Weise verinnerlicht haben – bei der Planung unserer zukünftigen Energieversorgung, der effizienten Datenverwaltung oder der Mülltrennung im Labor. Und genauso lerne ich von Kolleg*innen in der internationalen Community. Deshalb bin gespannt darauf, zu erfahren, wo andere die großen Stellschrauben für die nachhaltige Weiterentwicklung des Forschungssystems sehen.

Text: Christian Panetzky

*Dieser Artikel erschien zuerst als Blogbeitrag für das FEBS Network (Federation of European Biochemical Societies) FEBS-Community.