Das HI-TAC wächst
Seit 2023 arbeiten das Max Delbrück Center und die Universität Heidelberg eng zur AngioCardioScience zusammen – ein neues Wissenschaftsfeld, das die Herz- und Gefäßforschung miteinander verbindet. Das Helmholtz-Institut für translationale AngioCardioScience (HI-TAC) ist eine Außenstelle des Max Delbrück Center auf dem Campus der Universität Heidelberg. Das Berliner Max Delbrück Center und die Medizinischen Fakultäten Mannheim und Heidelberg der Universität Heidelberg haben das HI-TAC gemeinsam gegründet, um ihre Expertise in der Herz-, Gefäß- und Systembiologie zu bündeln. Wir freuen uns nun, die ersten vier HI-TAC-Gastgruppen vorzustellen.
Blutgefäße und zirkadiane Rhythmen
Mahak Singhal
Dr. Mahak Singhal leitet am European Center for Angioscience (ECAS) der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg die Nachwuchsgruppe „AngioRhythms in Health and Disease“. Mit seinem Team erforscht er die Funktion von Blutgefäßen. Man weiß inzwischen, dass die Gefäße nicht nur für den Transport von Nährstoffen, Sauerstoff und Abfallprodukten zuständig sind, sondern auch Signale senden, die die Homöostase des Körpers aufrechterhalten. Eine Funktionsstörung der Blutgefäße kann das Entstehen von Krankheiten wie Krebs und chronischen Entzündungen fördern.
Singhal verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, um diese Doppelrolle des Gefäßsystems besser zu verstehen. Eines seiner Ziele ist es, herauszufinden, wie sich Blutgefäße in verschiedenen Organen unterschiedlich verhalten. Dabei konzentriert er sich vor allem darauf, frühe molekulare Auslöser von Krankheiten zu identifizieren. „Wir wissen noch immer nicht, ob es eine besonders empfindliche Gruppe von Gefäßen gibt, die, wenn sie gestört werden, Krankheiten ausbrechen lassen“, sagt er.
Am HI-TAC will Singhal auch zirkadiane Rhythmen untersuchen und der Frage nachgehen, wie sich Endothelzellen an die täglichen Schwankungen der Umweltreize anpassen. „Menschen essen beispielsweise meist nur zu bestimmten Zeiten am Tag und nicht in der Nacht“, erklärt er. „Das bedeutet, dass die Leber tagsüber aktiver ist.“ Gemeinsam mit seinem Team möchte Singhal erforschen, wie sich die Blutgefäße dynamisch anpassen, um diese sich über den Tag verändernden Organfunktionen zu unterstützen.
RNA-Splicing-Fehler und Herzerkrankungen
Maarten van den Hoogenhof
Dr. Maarten van den Hoogenhof, Nachwuchsgruppenleiter an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, erforscht das RNA-Spleißing und dessen Folgen für das Herz. Ein Großteil seiner Arbeit konzentrierte sich in den vergangenen Jahren auf die Frage, wie Mutationen im RBM20-Gen die arrhythmogene dilatative Kardiomyopathie (ADC), eine schwere Herzerkrankung, verursachen. RBM20 kodiert für ein Protein, das sich an bestimmte Boten-RNA-Sequenzen heftet und damit beeinflusst, wie diese geschnitten und zusammengefügt werden – ein Prozess, der als RNA-Spleißing bezeichnet wird.
Wenn Zellen Proteine herstellen, erstellen sie zunächst eine Kopie des Gens in Form von RNA. Diese RNA enthält sowohl proteinkodierende Abschnitte, die Exons, als auch nicht kodierende Sequenzen, die Introns. Beim RNA-Spleißing schneidet die Zelle die Introns heraus und fügt die Exons zusammen, um die endgültigen Anweisungen für die Produktion eines Proteins zu erstellen. Mutationen im RBM20-Gen führen zu fehlerhaftem Spleißing und folglich zu einem falschen Protein.
Van den Hoogenhof wollte den Mechanismus aufdecken, über den das fehlerhafte Spleißing die ADC auslöst. Am HI-TAC arbeitet er nun enger mit Professor Norbert Hübner und Professor Michael Gotthardt zusammen, die beide am Max Delbrück Center forschen und Spezialisten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind. „Wir verstehen inzwischen schon viel besser, wie RBM20-Mutationen zu ADC führen“, sagt van den Hoogenhof. Auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse testen er und sein Team nun neue Wirkstoffe, um das Herzleiden zu behandeln.
Zellkommunikation zur Gewebereparatur
Arica Beisaw
Dr. Arica Beisaw, auch eine Nachwuchsgruppenleiterin an der Mediznischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, erforscht, wie sich Kardiomyozyten nach einer Verletzung regenerieren. In einem gesunden Herzen arbeiten die Zellen zusammen, um das Blut in Bewegung zu halten. Wird das Herz geschädigt, zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, ersetzt der Körper die verletzte Stelle oft durch Narbengewebe aus Kollagen, anstatt neue Muskelzellen zu bilden. Dieses Narbengewebe kann nicht wie ein gesunder Herzmuskel kontrahieren, was das Herz im Laufe der Zeit schwächen und zu Herzversagen führen kann.
Ein Schwerpunkt von Beisaws Forschung ist es, transkriptionelle und epigenetische Netzwerke zu identifizieren, die die Regeneration des Herzens steuern. Transkriptionelle Netzwerke bestimmen darüber, ob Gene an- oder abgeschaltet werden. Epigenetische Netzwerke regulieren die Genaktivität mithilfe chemischer Modifikationen, ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern.
Am HI-TAC wird Beisaw sich auf einen weiteren Schwerpunkt ihres Teams konzentrieren: auf die Kommunikation der Herzzellen untereinander, mit der die Zellen den Reparaturprozess koordinieren. Besonders interessiert ist die Forscherin an der Frage, wie die Signale der Zellen dazu beitragen, dass neue Kardiomyozyten wachsen und Bereiche des Herzens, die geschädigt und mit Kollagen gefüllt sind, neu besiedeln.
Ihr Labor plant mehrere Projekte, um die räumliche Verteilung von Zell-Zell-Interaktionen an den Rändern der verletzten Bereiche zu verstehen. Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen möchte Beisaw Systeme entwickeln, mit denen sich diese Interaktionen beobachten und ihre Bedeutung für den Reparaturprozess untersuchen lassen.
Wie Herzzellen mit Extra-DNA zurechtkommen
Chi Chung Wu
Dr. Chi Chung Wu leitet am European Center for Angioscience (ECAS) der Medizinischen Fakultät Mannheim die Nachwuchsgruppe „Ploidy and Organ Physiology“. Die Gruppe untersucht eine rätselhafte Eigenschaft von Herzzellen: Polyploidie – ein Zustand, bei dem eine Zelle mehr als die übliche Menge an DNA enthält. Die meisten Zellen in unserem Körper sind diploid. Das heißt, sie besitzen von jedem Chromosom zwei Kopien, eine von jedem Elternteil. In einigen Organen, auch im Herzen, können bestimmte Zellen jedoch polyploid werden und dann zusätzliche Kopien ihres genetischen Materials enthalten. Dies kann natürlicherweise während der Entwicklung, als Reaktion auf eine Verletzung oder im Rahmen des Alterungsprozesses geschehen.
Wu konzentriert sich insbesondere darauf, die biologischen Signale und Mechanismen zu verstehen, die die Polyploidie in Herzzellen regulieren. Darüber hinaus erforscht er, wie diese zusätzliche DNA die Funktions- und Regenerationsfähigkeit der Zellen beeinflusst. Die Arbeit am HI-TAC werde ihm mehr Möglichkeiten bieten, gemeinsam mit Expert*innen für kardiovaskuläre Biologie, Immunologie und Zellbiologie sowie mit Kliniker*innen zu forschen, sagt er. „Solche Kooperationen werden uns helfen, der Frage, wie die interzelluläre Kommunikation die Polyploidisierung von Kardiomyozyten beeinflusst, verstärkt nachzugehen, und dazu beitragen, dass unsere Ergebnisse im Anschluss klinisch umgesetzt werden.“