„Störer vom Dienst“ zeigen einen vielversprechenden Weg in der Krebstherapie auf
Die Struktur des ringförmigen p97-Komplexes. Gerendert mit QuteMol, PDB-ID 5ftk.
Proteine organisieren sich häufig zu sogenannten Proteinkomplexen, um mit vereinten Kräften bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Der ringförmige Proteinkomplex p97 ist eine solche molekulare Maschine aus sechs identischen Untereinheiten. Er ist unter anderem an der Verarbeitung zellulären Abfalls beteiligt. Da wuchernde Krebszellen besonders viele Proteine und damit auch besonders viel Ausschuss produzieren, ist p97 für sie überlebensnotwendig.
Aus diesem Grund eignet p97 sich als Angriffspunkt für Therapien, die Krebszellen auf gezielte Weise abtöten. „Die Idee ist: Wenn wir den p97-Proteinkomplex blockieren, dann erstickt die Krebszelle in ihrem eigenen Abfall und tötet sich selbst“, sagt Dr. Anup Arumughan, der an dem Projekt federführend mitarbeitet. Weltweit versuchen bereits mehrere Forschungsgruppen, p97 mit Hilfe von Wirkstoffen gezielt zu hemmen, waren damit bislang aber nur bedingt erfolgreich.
Nun identifizierte Arumughan aus der MDC-Forschungsgruppe von Prof. Erich Wanker zusammen mit Dr. Yvette Roske und Prof. Udo Heinemann sowie weiteren Arbeitsgruppen am MDC ein Protein, das p97 nicht nur blockiert, sondern sogar in seine Bestandteile zerlegt.
Auf der Suche nach einem neuen p97-Störer
Arumughan nutzte das bewährte „Yeast Two Hybrid“-Verfahren in Hefezellen, um Proteine zu identifizieren, die sich gern mit p97 zusammenlagern. Weil diese Art Hefe-Experiment häufig unzuverlässig ist, wandte er die neu gewonnenen Ergebnisse als Grundlage für eine neue Serie von Experimenten in Zellkulturen an und erstellte ein Verzeichnis von verschiedensten Proteinen, die unterschiedlich stark an p97 binden.
ASPL ist ein besonders guter Störer
Die höchste Affinität zu p97 besitzt ein Protein namens ASPL, ebenfalls eine Komponente des zellulären Entsorgungsbetriebs. Bei weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass ASPL den p97-Komplex sogar aufbrach: „Die sechs Untereinheiten von p97 haben eine ungeheure Anziehungskraft zueinander. Diese enge Bindung zu stören, hielt ich zuerst für extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich“, sagt Arumughan.
Um die Wirkung von ASPL auf p97 besser zu verstehen, bestimmten der Wissenschaftler und seine Kollegen die dreidimensionale Struktur der beiden Bindungspartner und fanden dabei anstatt eines sechszähligen p97-Rings einen vierzähligen Komplex vor, mit je zwei p97- und ASPL-Molekülen.
m Elektronenmikroskop sind die ringförmigen p97-Komplexe erkennbar (links), zusammen mit ASPL organisieren sie sich zu vierzähligen Komplexen um.
Ein Fragment von ASPL reicht aus, um die Bindung aufzubrechen
In weiteren Experimenten identifizierte Arumughan jenen Teil von ASPL, der p97 zerlegen kann. Der Forscher kürzte das ASPL-Protein auf ein Teilstück herunter, das von zahlreichen anderen Proteinen als „UBX“-Modul bekannt ist. In diesen Proteinen dient UBX zum Andocken an den p97-Komplex. ASPL besitzt jedoch ein abgewandeltes UBX-Modul, das nicht nur an den p97-Komplex andocken, sondern ihn sogar aufbricht: „Es scheint, als hätte die Natur ein bekanntes Bindungsmotiv genommen und zwei zusätzliche Arme daran befestigt, um den Job zu erledigen,“ sagt Arumughan über das „eUBX“ getaufte Proteinfragment.
Ein neuer Impuls für die Krebsforschung
ASPL oder sein erweitertes UBX-Modul können jedoch nicht als Krebsmedikament eingesetzt werden. Die Moleküle sind so groß, dass sie von außen nicht in die Zelle eindringen können.
Kleinere Wirkstoff-Moleküle könnten die Funktion des Störers eUBX simulieren. Diese gelte es nun zu finden, erläutert Projektleiter Prof. Erich Wanker: „Unsere Ergebnisse können bei der Suche nach Medikamenten helfen, die die Struktur von p97 aufbrechen, genauso wie ASPL es tut.“ Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, welche Aufgabe der neu entdeckte Komplex aus p97 und ASPL in der Zelle erfüllt, denn das ist noch völlig unbekannt.
Anup Arumughan1, Yvette Roske1, Carolin Barth1, Laura Lleras Forero1, Kenny Bravo-Rodriguez4, Alexandra Redel1, Simona Kostova1, Erik Mcshane1, Robert Opitz1, Katja Faelber1, Kirstin Rau1, Thorsten Mielke2, Oliver Daumke1, Matthias Selbach1, Elsa Sanchez-Garcia4, Oliver Rocks1, Daniela Panáková1, Udo Heinemann1,3, Erich E. Wanker1 (2016): „Quantitative interaction mapping reveals an extended UBX domain in ASPL that disrupts functional p97 hexamers.“ Nature Communications. doi:10.1038/NCOMMS13047
1Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin, Berlin; 2Max Planck Institut für Molekulare Genetik, Berlin; 3Institut für Chemie und Biochemie, Freie Universität Berlin, Berlin; 4Max Planck Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Beitragsbild: Strukturmodell des neu entstandenen Proteinkomplexes: ASPL (lila) hat den Verbund der p97-Moleküle (beige und rosa) aufgebrochen und sich mit zwei Untereinheiten zusammengelagert.
Grafiken von Anup Arumughan, MDC
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