„Diese Wesen bestimmen mit, wer wir sind“
Unsere Körper beherbergen mehr Mikroben als menschliche Zellen. Ohne sie könnten wir nicht existieren. Sie waren lange vor uns da – und sie verbinden uns mit unserer Umwelt. Trotzdem nehmen wir sie kaum wahr, behandeln sie schlecht und schaden damit uns selbst. Die Wissenschaftlerin Dr. Theda Bartolomaeus und Podcast-Macher Michiel van Poelgeest wollen das ändern. In ihrem Podcast „Biopolis“ wagen sie ein Experiment: Sie verknüpfen fiktionale Elemente über eine gefährliche Reise in den Körper mit aktueller Wissenschaft am Max Delbrück Center und anderswo. Die Science-Fiction-Geschichte über Biopolis bildet dabei den roten Faden durch alle sechs Folgen.
Theda Bartolomaeus
Der Podcast wurde während der Langen Nacht der Wissenschaften 2025 in Berlin gelauncht, inzwischen sind alle sechs Folgen online abrufbar. Das Max Delbrück Center hat die Produktion von „Biopolis“ unterstützt. Im Interview erklären Theda Bartolomaeus und Michiel van Poelgeest, wie die Idee zustande kam – und welche Parallelen zwischen Mikrobiom und unserer Gesellschaft sie gefunden haben.
Theda, Michiel, ihr habt zusammen den Podcast „Biopolis“ produziert. Theda forscht am Max Delbrück Center, während Michiel im holländischen Leiden lebt und als Podcast-Autor arbeitet. Wie habt ihr zueinander gefunden?
Bartolomaeus: Im Frühling 2024 war ich zu Gast beim Silbersalz-Festival in Halle/Saale. Dort kommen Menschen aus Forschung, Film und Medien zum Beispiel für gemeinsame Diskussionsrunden oder Workshops zusammen. Ich habe an einem Kurs teilgenommen, bei dem es darum ging, die eigene Forschung besser zu kommunizieren. Dazu gehörten Eins-zu-eins-Sessions, in denen man in kurzer Zeit seine Arbeit vorstellte…
van Poelgeest: … und dort traf ich auf Theda. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch, auch weil wir uns beide für Science-Fiction interessieren. Die fiktive Geschichte einer Forscherin, die ins Mikrobiom reist – nach Biopolis –, bildet auch den roten Faden des Podcasts.
Was war die Idee hinter dem Podcast?
van Poelgeest: Wir wollten die Faszination einfangen, mit der Theda an dem Thema arbeitet und mit der sie mich unmittelbar angesteckt hatte. Wir beschlossen, diese Begeisterung in den Mittelpunkt zu rücken.
Bartolomaeus: Ein weiteres wichtiges Thema war die Dringlichkeit. Denn unser Mikrobiom ist bedroht – und damit unsere Gesundheit: Antibiotika funktionieren nur noch unzureichend, weil wir sie nicht nur einsetzen, um Menschen zu heilen, sondern auch bei Tieren. Anders als wir Menschen haben Bakterien eine Art Superpower, über die sie sich sehr schnell anpassen und Resistenzen aufbauen können: den horizontalen Gentransfer. Sie tauschen also einfach nützliche Gene untereinander. Und wenn Antibiotika nicht mehr funktionieren, wird es richtig kompliziert …
Für wen habt ihr „Biopolis“ gemacht?
Michiel van Poelgeest
van Poelgeest: Der Podcast richtet sich an neugierige Leute, die noch nicht viel über das Mikrobiom wissen. Dabei wollten wir das Bewusstsein dafür schärfen, wie viel es zu unserer Existenz auf dem Planeten beiträgt, und klar machen: Wir müssen uns um das Mikrobiom kümmern!
Bartolomaeus: Aktuell stehen extrem individualistische Denkweisen hoch im Kurs. Wir wollen jeweils uns selbst schützen, verlieren dabei aber aus dem Blick, wie sehr wir alle miteinander verbunden sind. Und wir verlassen uns darauf, dass fremde Wesen – die Bakterien in unserem Körper – uns zum Beispiel über die Verdauung mit Nährstoffen versorgen, ohne die wir nicht leben könnten. Deswegen ist es so wichtig zu verstehen, welche Bedeutung das Mikrobiom für uns hat.
Wie sind die Episoden aufgebaut?
van Poelgeest: Wir fangen bei Null an, erklären also, was das Mikrobiom überhaupt ist, was Bakterien sind und was sie machen. In der ersten Folge wird Theda vorgestellt und wie sie aufs Mikrobiom kam. In den weiteren Folgen kommt jeweils eine Expertin oder ein Experte zu Wort, dabei wird es auch etwas komplexer.
Über das Mikrobiom gibt es schon einige Podcasts. Was ist das Besondere an eurem?
van Poelgeest: Wir nennen es eine narrative Audio-Serie. Den Podcast anzuhören ist so, als hätte man einen Film im Kopf. Das Mikrobiom betrachten wir dabei als eine Schnittstelle zwischen äußerer und innerer Welt, jeder fiktionale Abschnitt korrespondiert mit dem jeweiligen Forschungsteil. Wir wollten das Publikum fesseln. „Biopolis“ bietet viel mehr als einen Erklär-Dialog zwischen zwei Personen.
In einer der Folgen ist Sofia Forslund zu Gast, die am Max Delbrück Center forscht. Worum geht es in dieser Episode?
Bartolomaeus: Sofia spricht über Widerstandskraft und Vielfalt. Mikroben-Gemeinschaften gedeihen am besten unter vielfältigen Bedingungen. Sie brauchen zum Beispiel ballaststoffreiche Ernährung. Vielfalt ist wichtig für das Funktionieren eines Systems: Das lässt sich auch auf unsere menschliche Gesellschaft übertragen, wo die Vielfalt in einigen Staaten angegriffen wird.
Was hast du selbst durch die Arbeit am Podcast gelernt?
Bartolomaeus: Als Forscherin schaue ich auf Details, über den Kontext zu sprechen, fand ich kompliziert. Michiel hat mir mit Fragen geholfen, zum Beispiel: Warum tun Bakterien, was sie tun? Darüber hatte ich vorher nie nachgedacht. In der Forschung muss man schnell sein, laufend Daten und Ergebnisse produzieren, aber so geht die Faszination verloren. Heute sind Bakterien für mich mehr als ein Thema für die nächste Publikation. Ich sehe sie als Wesen, die mitbestimmen, wer wir sind und wie es uns geht.
Die Fragen stellte: Wiebke Peters
Weiterführende Informationen
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- Die Macht der Mikroben
- Die ganze Geschichte über Probiotika