Gespräche über Vielfalt anregen
Die Diversity-Woche am Max Delbrück Center bot in diesem Jahr etwas für jede*n in unserer Community. Ein besonderes Highlight war ein Workshop zum Thema Behinderungen. Wer wollte, konnte an verschiedenen Stationen erfahren, welche Hürden offensichtliche oder weniger sichtbare Beeinträchtigungen verursachen und wie es ist, mit schweren körperlichen Behinderungen zu leben und zu arbeiten.
An einer Station zur visuellen Beeinträchtigung konnten sie Brillen aufsetzen, die unterschiedliche Grade von Blindheit simulierten, und sie wurden aufgefordert, am Computer zu schreiben oder ein Labormikroskop zu bedienen. Die übrigen Stationen widmeten sich der Simulation eingeschränkter Mobilität, beispielsweise mit Rollstühlen, Krücken oder einem „Alterssimulationsanzug“.
Dieser Anzug bestand aus Gewichten für Knöchel, Handgelenke und Schultern sowie Manschetten an Ellbogen und Knien, um die Beweglichkeit der Gelenke zu begrenzen. Die Teilnehmenden bekamen dann körperliche Aufgaben wie Treppensteigen, Hinsetzen und Aufstehen – oder sie sollten Gegenständen vom Boden aufheben. Die Übungen sollten die körperlichen Einschränkungen simulieren, die Menschen über 80 Jahre erleben, und den Teilnehmenden ein besseres Verständnis für die Bewegungseinschränkungen vermitteln, mit denen viele ältere Menschen im Alter konfrontiert sind.
Unter der Leitung von Marion Posselt-Hofmann, die als Vertrauensperson für Schwerbehinderte am Max Delbrück Center die Inklusion von Mitarbeitenden mit Behinderung fördert, wurden den Teilnehmern anschließend gefragt: Welche Barrieren sind Ihnen bei diesen Übungen aufgefallen? Welche Art von Emotionen haben Sie erlebt? Wie sicher haben Sie sich bei diesen Aktivitäten gefühlt? „Ich hoffe, dass die Simulationen zum einen zu mehr Gesprächen über barrierefreie Arbeitsumgebungen und die Möglichkeiten, unser Institut für alle zugänglicher zu machen, führen werden. Zum andern ist es wichtig, die vorhandenen Berührungsängste mit dem Thema Behinderung und Inklusion zu minimieren. Sie wirken wie Barrieren in den Köpfen und sind genauso hinderlich wie physische Barrieren“, sagt sie.
Inklusion fördert Innovation
Während des Community Talks sprach Professorin Isabell Welpe später darüber, wie vielfältige und inklusive Umgebungen Innovationen fördern, welche Rolle Führungskräfte dabei spielen und welche Best-practice-Beispiele es gibt.
Eine Unternehmenskultur, die sich nicht verändert, sei ein Hemmschuh für das Wachstum und die potenzielle Entwicklung eines Unternehmens, sagte sie. Die teuersten Worte für jede Organisation sind: „Das haben wir immer so gemacht.“ Wenn sich Organisationen nicht verändern, laufen sie Gefahr, irrelevant zu werden.
Ein wesentlicher Anstoß für Veränderungen ist Vielfalt. Vielfalt und Innovation korrelieren, sagte Welpe, insbesondere wenn es um Vielfalt der Herkunft, des beruflichen Werdegangs und Hintergründe sowie des Geschlechts geht. Damit das bestmöglich funktioniert, erfordere Vielfalt idealerweise komplementäres Wissen und ähnliche Werte innerhalb einer Organisation. Diese Faktoren spielten eine weitaus größere Rolle für die Leistungsfähigkeit einer Organisation als Merkmale wie Alter oder akademische Bildung.
Wie können Arbeitgeber*innen Vielfalt fördern, um Veränderungen zu ermöglichen? Die Organisationen Mitarbeitende mit Anreizen dazu ermutigen, Initiativen zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) umzusetzen, sagte Welpe. Bei den Neu-Einstellungen sollten sie ihre Prozesse spezifisch anpassen, um die Vielfalt der Belegschaft zu bewahren. Ein Bespiel sei die Integration eines Zufallselements in den Auswahlprozess, um unbewusste Vorurteile zu vermeiden, und eine breite Rekrutierung.
Obwohl es viele unterschiedliche Führungsstile gibt, sind gegenseitiges Vertrauen und Fairness zentral, damit Teams erfolgreich auf einem hohen Niveau arbeiten können, sagte Welpe. Führungskräfte sollten eine inklusive Kultur schaffen, damit Teammitglieder sich zugehörig fühlen und Vertrauen in die Handlungen der Führungskraft gewinnen. Wenn alle in den Prozess einbezogen werden, ergibt sich eine Vielfalt an Meinungen. Welpe zitierte Charles Darwin: „Nicht die Stärksten überleben, sondern die, die sich anpassen.“ Dasselbe gelte für Organisationen.
Aktiv beobachten – und eingreifen
Die Teilnehmenden des Workshops „Active Bystander“ lernten, wie sie inakzeptables Verhalten selbstbewusst ansprechen können. Dazu gehörten die notwendigen Fähigkeiten vermittelt, um konstruktiv zu reagieren, wenn sie unangemessenes Verhalten am Arbeitsplatz beobachten.
Der Schlüssel zum aktiven Beobachten bestehe darin, ein solches Ereignis bewusst wahrzunehmen, es als Problem zu erkennen und die erforderlichen Fähigkeiten zu besitzen, um Verantwortung zu übernehmen. Unabhängig von der Situation ermutigte Amanda Gardiner, eine Moderatorin von „Active Bystander“-Initiativen, die den Online-Workshop leitete, die Teilnehmenden, eine der „Vier Ds“ anzuwenden. Denn wir alle sind dafür verantwortlich, unsere Arbeitskultur zu verbessern, betonte sie.
Sie präsentierte die „Vier Ds“ als Handreichung für eine klare Strategie bei Interventionen: direktes Handeln, Ablenkung (Distraction), Delegation und Verzögerung (Delay).
- Direktes Handeln bedeutet, unmittelbar auf problematische Situationen zu reagieren – etwa indem man den Vorfall direkt reagiert und dem / der Verursacher*in erklärt, warum das Verhalten inakzeptabel ist, den oder die Angegriffene*n öffentlich zu unterstützen oder einen Dialog anzuregen, um die Situation zu entschärfen.
- Ablenkung hingegen ist eine indirekte Intervention, um die Situation zu deeskalieren, etwa durch Unterbrechung, Themenwechsel oder das Entfernen der betroffenen Person aus der Situation.
- Delegation bedeutet, sofort Unterstützung durch andere Personen zu holen.
- Verzögerung schließlich hat den Fokus, Unterstützung zu suchen, nachdem die Situation bereits stattgefunden hat.
Jede dieser Strategien könne dazu beitragen, eine sicherere und respektvollere Arbeitsumgebung zu schaffen, betonte Gardiner.
Inklusion gehört zu unserer Mission
Das Max Delbrück Center hat kürzlich seine Strategie 2030 veröffentlicht – ganz oben stehen dabei die Ziele, unsere Gemeinschaft zu stärken die Kultur am Arbeitsplatz zu verbessern. „Wir alle tragen die Verantwortung dafür, ein vielfältiges und integratives Umfeld zu fördern“, sagt Dr. Jean-Yves Tano von der Abteilung „People and Culture“, der die Diversity Week organisiert hat. „Diese Woche spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir wollen eine Kultur, in der Respekt und Sicherheit an erster Stelle stehen. Unsere Mitarbeiter sind die Grundlage für unseren Erfolg. Es ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten, um einen Arbeitsplatz zu schaffen, der frei von Belästigung und Diskriminierung ist.“
Bei anderen Veranstaltungen der diesjährigen Diversity Week wurden Themen wie Introversion und Extraversion, Belastbarkeit, Innovation, Wissenschaftskommunikation, Pflege und vieles mehr diskutiert. „Alle sind aufgefordert, diese Themen über unsere E-Learnings weiter zu vertiefen und eine bessere Kommunikation und gegenseitiges Verständnis zu fördern“, sagte Tano.
Text: Olivia Noss