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Was lesen Sie gerade, Frau Bodensiek?

Kirstin Bodensiek leitet die Abteilung Recht und ist damit für alle juristischen Fragen am Forschungszentrum zuständig – ob es um Compliance-Themen und das Vergaberecht geht oder um die Regeln der Zusammenarbeit mit Universitäten oder andere Forschungszentren. In ihrem Lesetipp zeigt sich ihre Leidenschaft für fremde Welten und die Lust an Entdeckungen.

Kirsten Bodensiek.

Für alle, die gerade unter der Sommerhitze leiden, habe ich eine kühle Empfehlung: „Eingefroren am Nordpol“. Das Logbuch der „Polarstern“, geschrieben von dem Expeditionsleiter Markus Rex. 

Rex ist Professor für Atmosphärenphysik und leitet die Atmosphärenforschung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Das vom AWI geleitete Projekt „MOSAiC“, bei dem sich ein Forschungsschiff mit hunderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord einen Winter im Polarmeer einfrieren ließ, um Forschungsdaten zu sammeln, fasziniert. Nirgendwo sonst erwärmt sich die Erde so rasant wie in der Arktis, aber es fehlt an verlässlichen Klimamodellen mangels Daten. Dies zu ändern war die Mission der MOASiC-Expedition, an der mehr 20 Nationen teilgenommen haben. MOSAiC steht übrigens für „Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate.“

Neugierig geworden auf das Projekt bin ich auch durch ein persönliches Erlebnis. Während der Helmholtz-Jahrestagung im Jahr 2019, an der ich teilnehmen durfte, berichteten Forscher*innen in einer Live-Schaltung aus Bremerhaven über ihre geplante Expedition. Am nächsten Tag wollten sie mit ihrem Schiff aufbrechen. Die Idee stammt ursprünglich von dem Polarpionier Fridtjof Nansen (1861-1931). Sein Schiff, die „Fram“, mit der er zwischen 1893 und 1896 unterwegs war, hatte ich früher ich schon im Museum in Oslo besichtigt. Es ist winzig. Auf der Polarstern gibt es hingegen eine Kantine, Fitnessräume, Labore etc. Polarforscher Markus Rex greift auf Nansens damalige Klimabeschreibungen zurück und vergleicht diese mit denen, die seine Crew bei der aktuellen Expedition vorfindet. Die Veränderungen, insbesondere der Rückgang der geschlossenen Eisdecke, sind erschreckend.

Schon die jahrelange Vorbereitung der MOSAiC-Expedition war eine logistische Meisterleistung. Im Buch wird dann erzählt, wie Corona sämtliche sorgfältig ausgearbeiteten Pläne über den Haufen warf und die Forscher*innen dennoch weitermachen. Und wir erleben hautnah mit, wie es ist, sich im Polarmeer mit einem Boot einfrieren und eingeschlossen im Eis durch die Arktis treiben zu lassen: Rex erzählt von der Stille und Finsternis der Polarnacht, dem Klirren und Knacken des Eises, der Begegnung mit neugierigen Eisbären, der Arbeit der Forscher*innen, vom Fußballspielen auf dem Eis…

Das Buch nimmt uns mit auf diese große Reise und man bekommt einen tollen Eindruck von der Größe des Vorhabens und der Bedeutung, die es für die Teilnehmer*innen und die Wissenschaftswelt hat. Rex schildert deutlich, dass das gesamte Projekt nur durch internationale Zusammenarbeit und spontane Hilfsbereitschaft möglich war. In der Form wäre es sicherlich heute kaum mehr denkbar: So eilen russische Eisbrecher zu Hilfe, als pandemiebedingt die ursprünglich geplante Versorgungskette zusammenbricht.

Beim Lesen versucht man sich vorzustellen, wie sich die Polarnacht anfühlen muss oder was der Gedanke mit einem machen würde, dass niemand zu Hilfe kommen könnte, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Würde man selber das gut überstehen? Wie haben die Menschen an Bord sich darauf vorbereitet? Welche Tricks hatten sie? Wie arbeitet man, wenn man es nur wenige Stunden draußen aushalten kann und das An- und Ausziehen so eine umständliche Prozedur ist? Und wie gefährlich sind eigentlich die Eisbären?

Das Buch gibt Antworten auf all das und hat vor allem wunderbare Abbildungen ­– vom Leben auf dem Schiff, den Einsätzen der Teams, von Polarlichtern und dem Eismeer.

"Eingefroren am Nordpol"- Das Logbuch von der »Polarstern«. Die größte Arktisexpedition aller Zeiten - Der Expeditionsbericht.
Von Markus Rexk, erschienen im  Bertelsmann Verlag.