Zu viel Salz bringt das Immunsystem durcheinander
Ein Übermaß davon ist schädlich, doch ganz ohne es können wir auch nicht: Kochsalz (Natriumchlorid) ist lebensnotwendig, denn es reguliert den Wasserhaushalt unseres Körpers. Das meiste überschüssige Salz, das wir mit unserer Nahrung aufnehmen, wird durch die Nieren wieder ausgeschieden. Allerdings nicht alles: Unser Körper speichert auch Salz, und zwar nicht im Blut, sondern, wie eine Forschergruppe, an der auch Dominik Müller vom MDC beteiligt war, vor einigen Jahren herausgefunden hat, an einem eher unerwarteten Ort, nämlich in der Haut. Dort wird das Salz im Zwischenraum der Hautzellen, dem sogenannten Interstitium, angereichert.
Das Interstitium der Haut ist jedoch nicht nur ein Speicher für Salz. Hier wandern auch Immunzellen bei Entzündungsreaktionen hin. Es ist bekannt, dass diese in ihrer Aktivität von der Umgebung abhängen. Die Wissenschaftler stellten sich daher nun die Frage, ob das Salz womöglich die Immunzellen beeinflusst. Tatsächlich konnten sie dies daraufhin in mehreren Studien nachweisen. Zum Beispiel nimmt bei hohen Salzkonzentrationen die Zahl der sogenannten Th17-Zellen, einer Untergruppe der T-Helferzellen, sowie die Aktivität bestimmter Fresszellen, der Makrophagen des Typs 1, zu.
„Viele Immunforscher waren erstaunt darüber“, sagt Müller, der an einigen dieser Arbeiten beteiligt war. „Wir versuchen seitdem einen neuen Blick auf die Bedeutung des Salzes für das Immunsystem zu werfen.“ Das ist wichtig, denn es mehren sich die Hinweise, dass dieses Zusammenspiel bei Autoimmunerkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet, eine Rolle spielen könnte. Die Th17-Zellen und die M1-Makrophagen, deren Anstieg in den Studien beobachtet wurde, gehören nämlich zu den pro-entzündlichen Immunzellen. Diese haben zahlreiche wichtige Funktionen bei der körpereigenen Abwehr, sind in der Vergangenheit aber auch mit der Entstehung dieser Krankheiten in Verbindung gebracht worden.
Neben den pro-entzündlichen Zellen gibt es auch die sogenannten anti-entzündlichen Immunzellen. Dazu gehört eine wichtige Untergruppe von Fresszellen, die Makrophagen des Typs 2. Diese haben regulatorische und entzündungsunterdrückende Funktionen, sind für Reperaturprozesse im Körper zuständig und an der Wundheilung beteiligt. „Wir haben uns nun gefragt, ob Salz auch Auswirkungen auf diese Zellen hat“, sagt Müller.
Dazu haben die Forscher unter der Leitung von Dominik Müller und den Erstautoren Katrina Binger und Matthias Gebhardt vom MDC Makrophagenvorläufer aus dem Knochenmark von Mäusen entnommen und sie zu einer bestimmten Art von M2-Makrophagen herangezüchtet. Dann haben sie diese in Petrischalen in einer Nährlösung mit einer hohen Salzkonzentration und in Petrischalen mit einem normalen, niedrigen Salzgehalt kultiviert. Das Ergebnis war eindeutig: In den „versalzenen“ Petrischalen zeigten die M2-Makrophagen im Vergleich zur Kontrolle eine wesentlich niedrigere Aktivität.
Als nächstes wollten die Forscher den zugrundeliegenden Mechanismus finden. Dazu haben sie untersucht, welche Gene aktiviert werden. Wie sich herausstellte, sind an der Aktivierung der M2-Makrophagen andere Gene beteiligt, als an der Aktivierung der pro-entzündlichen M1-Zellen. Die Signalwege, auf die das Salz einwirkt, sind demnach unterschiedlich.
Schließlich hat Müllers Team die Auswirkung von zu viel Salz in vivo untersucht. Dazu haben die Forscher einer Gruppe von Mäusen über zwei Wochen eine salzarme, einer anderen Gruppe eine besonders salzreiche Nahrung verabreicht und dann die Wundheilung beobachtet, an der M2-Makrophagen maßgeblich beteiligt sind: Bei den Mäusen, die viel Salz gegessen hatten, verlief die Wundheilung in der Tat langsamer. Die Forscher vermuten, dass dies an der verminderten M2-Aktivität liegt.
„Wir konnten somit zeigen, dass die entzündungsunterdrückende und regulatorische Funktion des Immunsystems durch Salz gestört wird“, sagt Müller. Gleichzeitig mit seiner Veröffentlichung erscheint im Journal of Clinical Investigation eine Studie unter Leitung von David Hafler von der Yale University in New Haven, die nachweist, dass durch Salz nicht nur M2-Makrophagen, sondern auch bestimmte anti-entzündliche T-Zellen, die sogenannten Tregs, in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.
„Das Wichtige an diesen Ergebnissen ist, dass das Gleichgewicht des Immunsystems gestört wird“, erläutert Müller. Denn es gäbe „einen ganzen Regenbogen“ von Makrophagen – auf der einen Seite sind die pro-entzündlichen Zellen wie die M1-Makrophagen, deren Aktivität durch viel Salz gesteigert wird, und auf der anderen Seite die anti-entzündlichen M2-Makrophagen, deren Aktivität vermindert wird.
„Zusammen zeigen die vorangegangenen und die aktuelle Studie, dass die Waage bei zu viel Salz mehr in Richtung der pro-entzündlichen Zellen ausschlägt“, so Müller. Dies verstärke den Verdacht, dass die salzhaltige Ernährung in den Industrieländern neben erblichen und anderen Faktoren für die in den letzten Jahrzehnten beobachtete Zunahme an Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Schuppenflechte (Psoriasis) mit verantwortlich sein könnte. Müller und seine Arbeitsgruppe wollen daher in Zukunft weiter im Detail erforschen, wie Salz das Immunsystem durcheinander bringt.
Highlight Referenz:
High salt reduces the activation of IL-4+IL-13 stimulated 1 macrophages
Binger, K.J., Gebhardt, M., Heinig, M., Rintisch, C., Schroeder, A., Neuhofer, W., Hilgers, K., Manzel, A., Schwartz, C., Kleinewietfeld, M., Voelkl, J., Schatz, V., Linker, R.A., Lang, F., Voehringer, D., Wright, M.D., Hübner, N., Dechend, R., Jantsch, J., Titze, J., Müller, D.N.
J Clin Invest. 2015;125(11):4223–4238. doi:10.1172/JCI80919.
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Die Forschungsgruppe am MDC Experimental and Clinical Research Center (ECRC):