Janine Altmüller leitet die Genomik-Technologieplattform
Die Wissenschaftsstadt Berlin gilt als leistungsstarker und attraktiver Forschungsstandort. „Ich möchte zu dieser Attraktivität beitragen“, sagt Dr. Janine Altmüller. Seit dem 1. Juli leitet die promovierte Medizinerin die gemeinsame Genomik-Technologieplattform des Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Die Technologieplattform befindet sich am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC in Berlin-Mitte. Zwei weitere Labore gibt es am Forschungscampus Berlin-Buch und am Campus Charité Mitte.
Janine Altmüller führt drei Teams zusammen: die Single Cell Technologies Unit von Dr. Thomas Conrad, die Next Generation Sequencing (NGS) Unit von Dr. Tatiana Borodina, beide MDC, und die BIH Genomics Core Facility, die Dr. Tomasz Zemojtel leitet. „Gemeinsam wollen wir die Nutzer*innen der Technologieplattform noch besser unterstützen“, sagt Janine Altmüller. „Die drei Teams gehen ähnliche Fragestellungen an und nutzen dafür die gleichen Geräte.“ Indem nun drei kleine Gruppen zu einer großen zusammenwachsen, ist es leichter, den Überblick zu wahren: über die Projekte aller Nutzer*innen, über die Auslastung des Geräteparks, über die Mitarbeiter*innen.
Große Erfahrung aus Köln
Janine Altmüller weiß, worauf es ankommt, wenn man eine Forschungsplattform für die Genomik aufbaut und betreibt. Vor ihrem Start am MDC leitete sie seit 2009 die NGS Core Facility am Cologne Center for Genomics (CCG). 2018 ernannte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das CCG zum Hauptstandort des West German Genome Center (WGGC), einer Kooperation der Universität zu Köln mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Neben dem klangvollen Namen erhielt das CCG eine NGS-Ausstattung vom Feinsten: Janine Altmüller und ihre Kolleg*innen konnten mit modernsten Sequenziergeräten biologische Proben umfassend analysieren – vom Genom über Epigenom bis zum Transkriptom – und damit einen bioinformatischen Datenschatz für Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen schaffen. 2008 hatte sie mit einem einzigen Techniker angefangen – am Ende mit dann zehn Labormitarbeiter*innen jährlich fünf Millionen Euro in über 700 Forschungsprojekte umgesetzt.
„Für keine andere Stelle in Deutschland hätte ich die NGS Core Facility in Köln verlassen“, sagt Janine Altmüller. Aber nach über zehn Jahren in Köln sei die Zeit reif für eine neue Herausforderung. Ihre Aufgabe, die Genomik-Labore von MDC und BIH zu einem großen Ganzen zu formen, reizt sie sehr.
Forschungsmethoden weiterentwickeln
Mithilfe einer Liquid Biopsy kann man feststellen, welches Organ gerade besonders viel zellfreie DNA absondert. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass es gerade Stress hat.
Außerdem plant Janine Altmüller auch eigene Forschungsprojekte. „Ich möchte Methoden weiterentwickeln, mit denen bestimmte Fragestellungen künftig besser beantwortet werden können, und diese dann in das Methodenportfolio für unsere Nutzer übernehmen.“ Neben Next-Generation-Sequencing-Methoden gehören dazu Einzelzelltechnologien. Für die Einzelzellanalyse werden einzelne Zellen aus Gewebeproben in Lösung gebracht und zusammen mit einem Barcode in kleine wässrige Tröpfchen verpackt. Die RNA – das in der Zelle abgelesene Erbgut – wird sequenziert und der Zelle wieder zugeordnet. Aus den gewonnenen Daten können die Wissenschaftler*innen sehr präzise auf die Funktion der Zelle schließen und damit Entwicklungs- oder Krankheitsprozesse analysieren. Eine andere Methode ist die Analyse zellfreier DNA (cfDNA) – das ist DNA, die außerhalb von Zellen im Blut zirkuliert. Normale Körperzellen, aber auch Tumorzellen setzen cfDNA frei. „Mithilfe einer Liquid Biopsy, einer Blutentnahme anstelle einer invasiven Gewebebiopsie, kann man feststellen, welches Organ gerade besonders viel cfDNA absondert“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Das kann ein Hinweis darauf sein, dass es gerade Stress hat.“ Tumore, aber auch andere akute und chronische Erkrankungen können so diagnostiziert und zur Therapieoptimierung in ihrem Verlauf begleitet werden.
Begeisterte Forscherin
Ihre Begeisterung fürs Labor entdeckte Janine Altmüller nach ihrem Medizinstudium, das sie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen absolviert hat. Für ihre Promotion an der Berliner Humboldt-Universität hat sie Tumorgewebe immunhistochemisch untersucht. An der Uniklinik der RWTH wurde aus dieser Begeisterung Leidenschaft für die Forschung. Angestellt als Kinderärztin über ein Drittmittelprojekt ihres Oberarztes, schlug sie sich ihre Nächte und die Wochenenden in einem kleinen molekulargenetischen Labor um die Ohren. „Da habe ich gemerkt, dass Forschen für mich die Nummer eins ist. Und Kinderärztin zu sein nur die zweitbeste Option“, erinnert sie sich. Also tauschte sie den Arzt- gegen einen Laborkittel und setzte ihre Karriere als Wissenschaftlerin fort: zunächst als Postdoktorandin am Institut für Epidemiologie am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München; anschließend von 2002 bis 2004 am MDC, wo sie in der Arbeitsgruppe von Professor Peter Nürnberg Mikrosatelliten – nichtcodierende DNA-Sequenzen – typisierte; und danach in Köln.
Nun also wieder: Berlin. „Die Teams am BIH und am MDC sind ganz hervorragend ausgestattet, sowohl personell als auch instrumentell“, sagt Janine Altmüller. „Hier kann man richtig was bewegen. Ich freue mich drauf!“
Text: Jana Ehrhardt-Joswig
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