Notebook, digital, analog

Papierchaos adé

Seit jeher dokumentieren Forscherinnen und Forscher ihre Arbeit vorwiegend handschriftlich. Höchste Zeit für die Digitalisierung: Datenmanagerin Dr. Özlem Özkan verrät im Interview für „Wir am MDC“, was sich mit einem elektronischen Laborbuch für MDC-Forschende nun ändern wird.

Dr. Özlem Özkan arbeitet als Datenmanagerin am MDC.

Immer mehr Wissenschaftler*innen am MDC wollen digitale Laborbücher nutzen, um ihre Forschungsdaten abzulegen. Ist die Zeit der Zettelwirtschaft in den Laboren vorbei?

Im Grunde geht heute alles digital, also auch das Laborbuch. Einfach am Smartphone oder Computer einloggen und Daten in sein ELN eingeben – die Abkürzung steht für „electronic lab notebook“.

Sind handschriftliche Notizen nicht viel einfacher und zeitsparender?

Einige tun sich in der Tat schwer damit, aus alten Routinen auszubrechen und nehmen wie gewohnt Notizbuch statt Laptop oder Smartphone mit an die Laborbank. Wer sich aber an ein ELN gewöhnt hat, spart viel Zeit. Zum Beispiel wenn es darum geht, Ergebnisse mit Kolleg*innen aus dem eigenen Labor oder anderswo zu teilen oder wenn Fachjournale die Originaldaten sehen wollen. In handschriftlichen Notizbüchern ist es oft schwer, Rohdaten, Bilder, Protokolle oder statistische Ergebnisse auf Anhieb wieder zu finden. In einem ELN können Forschende ihre Arbeit chronologisch und nach Projekten organisieren und Daten und Experimente miteinander verlinken. Und man kann beispielsweise Protokolle über die Suchfunktion später wieder finden und erneut nutzen: Wiederhole ich ein Experiment nach drei Jahren, kann ich in den Einträgen sehen, was ich an welchen Tagen anders gemacht habe. Dies kann oftmals eine gute Erklärung für abweichende Ergebnisse sein. Bei analogen Notizen ist dieser direkte Vergleich nicht immer auf einen Blick möglich.

Das ELN

Kurz & Knapp

Daten und Ergebnisse, die später in Fachjournalen veröffentlicht werden, müssen gut organisiert sein, nachvollziehbar abgelegt, auffindbar und archivierbar. Das ist besonders wichtig, wenn Teammitglieder in eine andere Gruppe wechseln oder an Erfindungen beteiligt sind. Mit digitalen Tools können Wissenschaftler*innen Experimente, Studien, Kooperationen und Ergebnisse von allen Teammitgliedern sinnvoll dokumentieren.

Welche Vorteile gibt es noch?

Mit einem ELN kann man zu einem beliebigen Zeitpunkt im Experiment zurückkehren – das ist gut, um etwa Probleme mit Fragen des geistigen Eigentums zu klären. Wer hat wann welches Experiment durchgeführt? Unter welchen Bedingungen und mit welchen Ergebnissen? Außerdem habe ich immer Zugriff auf ältere Versionen; das ist praktisch, wenn ich etwas in meinem Experiment oder den Analysen verändert habe und auf meine Orginaldaten zurückgreifen will. Und ein ELN kann ich nicht verlieren, es irgendwo vergessen oder Kaffee drüber schütten.

Arbeiten MDC-Forschende bereits mit einem ELN?

Ja, einige schon. Häufig nutzen diejenigen Arbeitsgruppen auch Open-Source-Programme; es gibt viele kommerzielle oder freizugängliche ELN-Tools. Wegen der gesetzlichen Vorgaben zum Datenschutz und der Sicherheit ist es aber besser, ein System zu nutzen, das lokal am MDC installiert und unterstützt wird. Die Daten sind dann in der Hand des MDCs und damit konform mit unserer „Research Data Management Policy“.

Das MDC stellt also ein ELN für seine Forschenden zur Verfügung?

Für die Pilotphase in 2022 haben wir bereits 200 „RSpace“- Lizenzen erworben, je nach Bedarf wollen wir noch mehr für die kommenden Jahre dazu kaufen. Es dauert aber seine Zeit, bis die verschiedenen Arbeitsgruppen das System in ihre Tagesabläufe und in die Verwaltung des Labors integriert und alle von der Papierversion zu einem ELN gewechselt haben. Das passiert nicht über Nacht.

Wie können Sie und das Team die MDC-Forschenden dabei unterstützen?

Wir treffen jede Arbeitsgruppe persönlich, die Interesse hat mit „RSpace“ zu arbeiten. So erfahren wir, was die Wissenschaftler*innen brauchen. Später helfen wir dann beim Einrichten, passen gemeinsam die Ordnerstruktur an, beraten, sodass jede AG mit einem ELN arbeiten kann, das optimal auf ihre Abläufe im Labor zugeschnitten ist. 140 Forschende am MDC haben bereits Trainingsangebote zu „RSpace“ wahrgenommen. Aktuell sind wir dabei, das System bei den ersten zehn Arbeitsgruppen einzurichten. Wir hoffen, dass viele andere AGs am MDC dann nachziehen und an die Erfolge im Umgang mit „RSpace“ der erfahreneren Kolleginnen und Kollegen anknüpfen werden. Dafür bietet unser Team durchgehend Trainings an.

Die Fragen stellte Christina Anders

 

Das Team aus der Abteilung "Wissenschaftliche Infrastruktur" soll die ELN in die Labore des MDC bringen. Etwa 200 "RSpace" Lizenzen stehen bereits zur Verfügung.

Electronic Lab Notebook am MDC – das Team dahinter

Dr. Özlem Özkan hat mehrjährige Erfahrungen in IT und Datenwissenschaften und arbeitet gemeinsam mit Dr. Inga Patarčić im „Research Data Management“-Team, das zur Abteilung „Wissenschaftliche Infrastruktur“ am MDC gehört. Patarčić war zuvor PhD-Studierende in der Bioinformatik am MDC und kennt sich gut mit den Abläufen am Zentrum und mit dem Thema Datenspeicherung aus. Die Datenmanagerinnen arbeiten eng mit Dr. Manuel Ehling, ebenfalls aus der „Wissenschaftlichen Infrastruktur“ zusammen, der Erfahrungen als Postdoktorand im Wet Lab (Nasslabor) mitbringt und weiß, vor welchen Herausforderungen Forschende stehen, wenn sie Experimente im Labor dokumentieren.

Weiterführende Informationen

Das ELN am MDC

RSpace Demonstration

MDC Research Data Management Policy