Eine Brille liegt auf einem aufgeschlagenen Buch

Was lesen Sie gerade, Herr Streckwall?

Ralf Streckwall ist Architekt und Leiter der Abteilung Technisches Facility-Management Errichten am MDC. Er ist zuständig für alles rund ums Planen und Bauen am Centrum. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Staab Architekten hat Ralf Streckwall das BIMSB in der Hannoverschen Str. 28 gebaut. Das Forschungsgebäude wurde Anfang 2019 eingeweiht.

111 Bauwerke in Berlin, die man kennen muss

Ich gebe zu: Als ich das Buch in die Hand nahm, war ich etwas voreingenommen - wieder mal sowas wie eine „Top Ten". Aber dann bin ich positiv überrascht. Schon beim ersten Durchblättern habe ich ihn gefunden – einen der beiden großen Treppenräume im Architekturgebäude (29) der Technischen Universität Berlin am Ernst-Reuter-Platz. Dort habe ich studiert, in den Treppenräumen haben wir gearbeitet, gefeiert und unsere Entwürfe vorgestellt. Für mich ist das Gebäude bis heute eines der besten Bauwerke Berlins.

Ralf Streckwall.

Beim Weiterblättern finde ich dann noch viele Projekte, die für mich zu den besten Bauwerken der Stadt gehören:

Die Luckhardt Villa (Nr. 6) und etwas weiter in derselben Straße – die Villa Mendelsohn, Rupenhorn 6. Ganz in der Nähe steht dann auch die Wohnmaschine von Le Corbusier (111), direkt gegenüber vom Olympiastadion. Falls man mit dem Fahrrad unterwegs ist und über eine gute Kondition verfügt, kann man von dort über die Havelchaussee nach Klein Glienicke radeln und das Casino im Schlosspark(18) von Karl-Friedrich Schinkel besuchen. Auf dem Weg dorthin passiert man das Schloss Pfaueninsel, und vom Schlosspark Glienicke hat man einen wunderbaren Blick auf die Heilandskirche Potsdam-Sacrow, die Glienicker Brücke und das Schloss Babelsberg.

Viel zentraler gelegen ist das Shell Haus (16) von Emil Fahrenkamp am Landwehrkanal. Von dort kann man, vorbei an der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe (warum ist die nicht unter den 111? )zur Philharmonie (33) von Hans Scharoun spazieren.

Etwas weiter südlich an der Potsdamer Straße liegt das Kathreiner-Haus (47) von Bruno Paul. Hinter dem Gebäude befindet sich der Heinrich-von-Kleist-Park und das Kammergericht Berlin. Das Gebäude des Kammergerichts war von 1945 – 1990 Sitz des Alliierten Kontrollrats.

Ein weiteres meiner Highlights ist der Umlauftank (102) von Ludwig Leo an der Tiergartenschleuse. Die gesamte Anlage der ehemaligen kaiserlichen Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau, einschließlich der daneben liegenden, bis zu 157 Meter langen Versuchsbecken, haben wir letztes Jahr auf unserem Sommerausflug besichtigt. Von dort ist es dann auch nur noch ein kurzer Weg zum Architekturgebäude (29) am Ernst-Reuter-Platz.

Und natürlich die Turbinenhalle (98) der AEG von Peter Behrens in der Huttenstraße. Architekturhistorisch eines der wichtigsten Gebäude Berlins – das Bindeglied zwischen den Arbeiten Schinkels und der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe – sozusagen der Beginn der Moderne. Bei Behrens haben seinerzeit übrigens nahezu zeitgleich - Gropius, Mies van der Rohe und Le Corbusier - gearbeitet.

Die Wendeltreppe im Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB), dem MDC-Gebäude in Berlin-Mitte.

Es sind gerade nicht die bekannten Touristenmagneten, sondern eher kleine, versteckte Perlen. Und schließlich ist da ja noch die Nummer 108 – die Wendeltreppe im Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB), dem MDC-Gebäude in Berlin-Mitte. Auch der Text dazu hat mir sehr gut gefallen. Er reduziert die Treppe nicht zu Skulptur, er beschreibt die vielen Ebenen, auf denen der Raum funktioniert. Da ist dann die Verbindung zu den großen Treppenräumen im Architekturgebäude der TU. Ein Raum / eine Treppe die zum Austausch von Ideen anregt, die Verbindungen herstellt, die Kommunikation fördert, die neugierig macht.

Insgesamt finde ich die Auswahl der Bauwerke sehr gelungen. Eine schöne Anregung die Stadt zu erkunden. Gerade jetzt, da fast alles geschlossen ist.

111 Bauwerke in Berlin, die man kennen muss: Reiseführer von Lucia Jay von Seldeneck, Fotos von Verena Eidel. Emons Verlag (nur auf deutsch)