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Überraschender Auslöser für Nierenschäden bei Lupus

Welche Zellen für Nierenschäden bei Lupus-Patient*innen verantwortlich sind, haben Forschende der Charité, des Deutschen Rheumaforschungszentrums und des Max Delbrück Center nun aufgeklärt. Die in „Nature“ publizierte Studie könnte Antikörpertherapien gegen die Autoimmunerkrankung den Weg bereiten.

Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Center

Weltweit sind rund fünf Millionen Menschen, meist junge Frauen, von der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes (kurz: Lupus) betroffen, die zu schweren Nierenschäden führen kann. Ein Berliner Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin, des Deutschen Rheumaforschungszentrums (DRFZ) und des Max Delbrück Center hat jetzt den Mechanismus aufgedeckt, der für die Nierenschäden verantwortlich ist: Eine kleine, spezialisierte Gruppe von Immunzellen – die sogenannten angeborenen lymphatischen Zellen (ILC) – löst eine Lawine von Effekten aus, die zu einer Nierenentzündung führt. Diese wird auch als Lupus-Nephritis bezeichnet.

Die Forschungsergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden, stellen die herkömmliche Auffassung infrage, dass eine Lupus-Nephritis alleine auf Autoantikörper zurückzuführen ist, die fälschlicherweise gesundes Gewebe angreifen. „Autoantikörper sind zwar für die Gewebeschädigung notwendig, aber allein nicht ausreichend. Unsere Arbeit zeigt, dass ILC für die Verstärkung der Organschäden verantwortlich sind“, sagt Dr. Masatoshi Kanda, einer der drei leitenden Autor*innen der Studie. Er arbeitete als Humboldt-Stipendiat am Max Delbrück Center und ist jetzt in der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Sapporo Medical University in Japan tätig.

Nierengewebe (Lupus-Mausmodell) mit entzündeten ILC-Zellen (grün). Blockiert man deren NKp46-Rezeptor (rechts), geht die Lupus-Nephritis zurück. Blau: Zellkerne.

An Lupus erkranken vor allem Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Die Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Was aber dazu führt, dass nur manche Patient*innen Nierenschäden entwickeln – manche sogar so stark, dass sie eine Dialyse benötigen – war bisher unklar. „Die Rolle der ILC bei Lupus oder Lupus-Nephritis war bisher völlig unbekannt“, sagt Professor Antigoni Triantafyllopoulou, Leiterin der Studie. Sie ist Ärztin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité und leitet eine Liaison-Arbeitsgruppe am DRFZ, einem Leibniz-Institut. „Wir haben nun die meisten der von den ILC kontrollierten Schaltkreise identifiziert, indem wir die gesamte Niere Zelle für Zelle betrachtet haben.“

Ungewöhnliche Immunzellen

ILC sind eine kleine Gruppe von Immunzellen, die in einem bestimmten Gewebe oder Organ leben. „Sie halten sich von der Embryonalentwicklung an ständig im Gewebe auf. Das unterscheidet sie von den meisten anderen Immunzellen, die im ganzen Körper zirkulieren“, sagt Professor Andreas Diefenbach, dritter Leiter der Studie und Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité.

Sein Labor gehörte Mitte der 2000er Jahre zu den Entdeckern der ILC. Der Großteil seiner Forschung konzentriert sich auf ILC im Darm und wie sie dort die Gewebefunktion verändern. Für die aktuelle Studie haben sich Antigoni Triantafyllopoulou und Masatoshi Kanda mit seiner Gruppe und dem Team um Dr. Mir-Farzin Mashreghi am DRFZ zusammengetan, um herauszufinden, ob ILC in der Niere vorkommen und welche Rolle sie bei der Lupus-Nephritis spielen.

Das Gesamtbild einer Zelle

Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, nutzte das Team die sogenannte Einzelzell-RNA-Sequenzierung. Sie gibt Aufschluss über die Aktivität einzelner Zellen, indem sie identifiziert, welche Gene an- oder abgeschaltet sind. Untersucht wurden nicht nur bestimmte Arten von Immunzellen, sondern die gesamte Niere. Insgesamt sequenzierte das Team für das Projekt fast 100.000 einzelne Nieren- und Immunzellen verschiedener Typen und Funktionen.

Masatoshi Kanda entwickelte eine spezielle Methode für die Einzelzell-RNA-Sequenzierung von Nierengewebe aus Maus und Mensch. Der Rheumatologe studierte zur Zeit der Studie im Labor von Professor Norbert Hübner am Max Delbrück Center Bioinformatik. „Durch die Methodik konnten wir verschiedene Typen von Nierenzellen untersuchen, was uns einen vollständigeren Überblick darüber verschaffte, wie Lupus die gesamte Niere schädigt“, erklärt Antigoni Triantafyllopoulou.

Der Schlüsselrezeptor

Durch zahlreiche Experimente fand das Team heraus, dass eine Untergruppe von ILC mit dem Rezeptor NKp46 vorhanden und aktiviert sein muss, um eine Lupus-Nephritis auszulösen. Wenn NKp46 aktiviert ist, fährt diese Zellgruppe die Produktion des Proteins GM-CSF hoch, wodurch sich wiederum Makrophagen vermehren. Makrophagen sind große Immunzellen, die sterbende Zellen und Mikroben vernichten. In der Niere verursacht die Flut der eindringenden Makrophagen schwere Gewebeschäden und die Bildung von Narbengewebe, das als Fibrose bezeichnet wird. „Die ILC haben sich als Verstärker in diesem System erwiesen“, sagt Andreas Diefenbach. „Sie sind eine kleine Zellgruppe, aber sie scheinen den ganzen Prozess anzukurbeln.“

Als das Team die Zellen mit dem NKp46-Rezeptor mit Antikörpern blockierte oder den Rezeptor genetisch entfernte, war der Schaden am Nierengewebe minimal. Eine ähnliche entzündungshemmende Wirkung zeigte sich bei Blockade der GM-CSF-Proteine. „Entscheidend ist, dass sich die Menge an Autoantikörpern nicht veränderte, als NKp46 deaktiviert wurde, die Schädigung des Nierengewebes aber trotzdem geringer ausfiel“, betont Antigoni Triantafyllopoulou. „Das zeigt, dass nicht die Autoantikörper alleine die Nierenentzündung auslösen.“ Da die verwendeten Antikörper noch nicht für die Anwendung am Menschen zugelassen sind, wurde ein Großteil der Arbeit an Mausmodellen durchgeführt. Das Team verglich die Ergebnisse mit Sequenzierungsdaten von Lupus-Patient*innen und stellte fest, dass dort ebenfalls ILC mit ähnlichem Genaktivitätsmuster vorhanden sind.

Es sind weitere Arbeiten nötig, um zu verstehen, wie exakt ILC in menschlichen Nieren therapeutisch ausgebremst werden können. Das Forschungsteam ist aber davon überzeugt, dass die gewonnenen Erkenntnisse den Weg ebnen für die Entwicklung neuer Antikörpertherapien für Patient:innen mit schweren Formen von Lupus – in der Hoffnung, dass solch neue Behandlungsmöglichkeiten dazu beitragen, ihnen eine Nierendialyse zu ersparen.

Text: Laura Petersen

 

Weiterführende Informationen

Literatur

Stylianos-Iason Biniaris-Georgallis, Tom Aschman, Katerina Stergioula et al. (2024): “Amplification of autoimmune organ damage by NKp46-activated ILC1.” Nature, DOI: 10.1038/s41586-024-07907-x.

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Nierengewebe (Lupus-Mausmodell) mit entzündeten ILC-Zellen (grün). Blockiert man deren NKp46-Rezeptor (rechts), geht die Lupus-Nephritis zurück. Blau: Zellkerne. © Charité

Kontakte

Prof. Antigoni Triantafyllopoulou
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
und
Deutsches Rheuma Forschungszentrum
antigoni.triantafyllopoulou@charite.de

Andreas Diefenbach
Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
+49 30 450 524 171
andreas.diefenbach@charite.de

Prof. Norbert Hübner
Max Delbrück Center 
Arbeitsgruppenleiter Genetik und Genomik von Herz-Kreislauferkrankungen
nhuebner@mdc-berlin.de

Gunjan Sinha
Redakteurin, Abteilung Kommunikation
Max Delbrück Center
+49 30 9406-2118
gunjan.sinha@mdc-berlin.de oder presse@mdc-berlin.de