Ilan Theurillat

Aggressivem Brustkrebs beim Wachsen zuschauen

EMBO-Fellow Ilan Theurillat erforscht, wie die gefährlichste Brustkrebs-Variante entsteht. Viele offene Fragen treiben ihn dabei an: Was machen die Fibroblasten, die sich wie ein Schild um den triple-negativen Tumor legen? Und reicht eine einzige Krebszelle, damit dieser Krebs entsteht?
Frauen mit dieser Variante erkranken jünger. Sie bekommen nicht selten Rückfälle, weil Metastasen entstanden sind, und sie sterben häufiger und schneller als andere Brustkrebspatientinnen.
Ilan Theurillat
Ilan Theurillat EMBO-Fellow

Von Paris nach Berlin zieht es den 29-jährigen Experimentalbiologen Dr. Ilan Theurillat. Mit einem EMBO-Fellowship ist er in die Arbeitsgruppe von Professor Nikolaus Rajewsky, Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC), gekommen. Dort wendet sich Theurillat einer besonders tückischen Form des Brustkrebses zu: dem triple-negativen Brustkrebs. „Frauen mit dieser Variante erkranken jünger. Sie bekommen nicht selten Rückfälle, weil Metastasen entstanden sind, und sie sterben häufiger und schneller als andere Brustkrebspatientinnen. Das belastet ihre Familien sehr“, sagt Theurillat. Außerdem sind öfter Minderheiten betroffen, wie zum Beispiel afrikanische Frauen.

Forscher*innen verstehen diese gefährliche Brustkrebs-Variante bis dato schlechter als andere. Theurillat würde das gern ändern und greift dabei auf das Netzwerk und die Erkenntnisse der LifeTime-Initiative zurück. Diese Initiative koordiniert Rajewsky gemeinsam mit der französischen Epigenetikerin Dr. Geneviève Almouzni, Direktorin des Institut Curie in Paris: 200 Wissenschaftler*innen aus 90 Forschungseinrichtungen in 21 Ländern wirken daran mit. Sie untersuchen, wie Volkskrankheiten wie Krebs, Herzkreislauf-Erkrankungen bis zu Infektionen entstehen. Schritt für Schritt vollziehen sie die Genese der verschiedenen Leiden auf Ebene der einzelnen Zellen und in dreidimensionalen Zellverbänden, den Organoiden, nach.

Fettzellen verwandeln sich in Bindegewebszellen

Theurillat nutzt für seien Forschung ein Mausmodell, das der Entwicklungsbiologe Professor Walter Birchmeier am MDC entwickelt hat. Es enthält drei wichtige Mutationen, die den triple-negativen Brustkrebs ausmachen: Veränderungen in den Genen TP53 und PIK3CA, aber auch des Wnt-Signalwegs, der die Entwicklung des Brustdrüsengewebes mit steuert. Gerade dieser Signalweg hat einen starken Einfluss: „Wir gehen davon aus, dass er in der Pubertät der Tiere, also, wenn diese fünf bis sechs Wochen alt sind, aktiviert wird. Dann geht alles sehr schnell. Wir sehen schon nach einer Woche Tumoren im Brustgewebe.“

Theurillat verfolgt den Zeitverlauf der Tumorentstehung bis hin zu den Metastasen. Er charakterisiert die molekularbiologischen Veränderungen in den einzelnen Zellen, indem er analysiert, welche Gene sie gerade ablesen und deshalb in Proteine übersetzt haben.

Besonders interessiert ihn das unmittelbare Umfeld des Krebsherdes, die Mikroumgebung. Die Krebszellen wechselwirken nämlich mit den umliegenden Zellen. Sie setzen beispielsweise Substanzen frei, die dazu führen könnten, dass Fettzellen, die im Brustgewebe reichlich vorhanden sind, in Bindegewebszellen, so genannte Fibroblasten, umgewandelt werden. Nach und nach umhüllt ein Schild aus Fibroblasten den Tumor. „Wir wissen noch nicht genau, was diese Kapsel genau bewirkt“, sagt Theurillat. „Vielleicht stachelt sie das Tumorwachstum an, vielleicht hemmt sie es. Ein einigen Experimenten schirmte sie Medikamente vom Krebs ab, was im Körper unerwünscht wäre.“

Kann aus einer einzigen Krebszelle ein Tumor werden?

Mit Licht kann ich die drei Krebsgene in einer einzigen Zelle gezielt anschalten und untersuchen, ob eine einzige Krebszelle reicht, damit triple-negativer Brustkrebs wächst. Wir vermuten das, aber wissen es nicht sicher.
Ilan Theurillat
Ilan Theurillat EMBO-Fellow

An diesem Punkt knüpft der Biologe an seine Doktorarbeit an. Darin untersuchte er, wie Zellen bleiben, was sie sind. Mit dem Molekül SUMO fand er einen Faktor unter vielen, der ihnen dabei hilft, die jeweilige Identität zu wahren. In Tumoren und ihrer Mikroumgebung sind die Mechanismen der Identitätswahrung jedoch teils außer Kraft gesetzt, wenn aus einer Fett- ein Fibroblast werden kann.

In einem zweiten Schritt plant Theurillat, einige Brustzellen aus den Tiermodellen zu entnehmen, ein Organoid wachsen zu lassen und dieses Gewebe genauer zu untersuchen. „Mit Licht kann ich die drei Krebsgene in einer einzigen Zelle gezielt anschalten und untersuchen, ob eine einzige Krebszelle reicht, damit triple-negativer Brustkrebs wächst“, schildert er seinen Plan. „Wir vermuten das, aber wissen es nicht sicher.“ Der französische Forscher hofft, dass seine Erkenntnisse dazu beitragen, neue Therapien gegen die aggressive Form des Brustkrebses zu finden.

Neben seiner Arbeit genießt er derzeit seinen neuen Lebensmittelpunkt. „Berlin ist eine tolle Stadt, zum Forschen wie zum Leben. Ich liebe Technomusik und da sind die vielen Clubs in der Stadt einfach großartig für mich.“

Text: Susanne Donner

 

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