Wie Malaria ungeborenen Kindern schadet
Eine Infektion mit dem Parasiten Plasmodium falciparum während der Schwangerschaft kann verheerende Folgen haben: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich rund 10.000 Mütter, 200.000 Kinder werden totgeboren, und etwa 550.000 Babys kommen mit zu geringem Geburtsgewicht zur Welt – vor allem in Subsahara-Afrika. Trotz dieser hohen Fallzahlen ist bislang kaum bekannt, wie genau Malaria die Plazenta schädigt und das ungeborene Kind gefährdet.
Ein Wellcome Discovery Award in Höhe von zwei Millionen Pfund (2,3 Millionen Euro) ermöglicht nun ein fünfjähriges internationales Projekt, das helfen soll, dieses vernachlässigte Gesundheitsproblem besser zu verstehen. Wissenschaftler*innen aus Großbritannien, Kenia und Deutschland untersuchen die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Parasit im Plazentagewebe. Sie nutzen modernste Omics-Technologien, um zu verstehen, wie Malaria unbemerkt Schwangerschaften gefährden kann.
„Diese Förderung unterstützt nicht nur unser gemeinsames Forschungsprojekt, sondern trägt langfristig dazu bei, das Placenta Research Center in Kenia aufzubauen“, sagt Professor Jesse Gitaka, Leiter des Projekts an der Mount Kenya University. „Der Wissenstransfer von Einrichtungen wie dem Max Delbrück Center ermöglicht den Aufbau modernster Forschungskapazitäten zur Plazentabiologie – dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden.“
Wellcome Discovery Awards unterstützen etablierte Forschende dabei, mutige und kreative Ideen zu verfolgen, die das Verständnis von Leben, Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen grundlegend erweitern sollen.
Ein Atlas der molekularen Signalwege
Dr. Emanuel Wyler, Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe für RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation von Professor Markus Landthaler am Max Delbrück Center, spielt in diesem Forschungsvorhaben eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit seinem Team untersucht er mithilfe räumlicher Transkriptomik und Einzelzell-RNA-Sequenzierungen Plazentagewebe sowie mütterliches Blut und Nabelschnurblut. So will das Team in bislang unerreichter molekularer Detailtiefe erfassen, wie mit Plasmodium falciparum infizierte rote Blutkörperchen mit der Plazenta interagieren. Diese Methoden ermöglichen es, feine Veränderungen in der Genexpression und Immunantwort auf der Ebene einzelner Zellen nachzuvollziehen und molekulare Wechselwirkungen zwischen benachbarten Zellen zu kartieren.
„Obwohl Malaria in Subsahara-Afrika endemisch ist und die meisten Frauen eine Immunität entwickelt haben, kann sich der Parasit dennoch in der Plazenta schwangerer Frauen festsetzen“, sagt Emanuel Wyler. „Das kann eine ganze Kette von Vorgängen auslösen – darunter Durchblutungsstörungen, Entzündungen oder eine verminderte Nährstoffversorgung –, die alle die Funktion der Plazenta beeinträchtigen.“ Studien zeigen, dass Schwangere mit Plazenta-Malaria ein höheres Risiko haben, Frühgeborene, Kinder mit zu geringem Geburtsgewicht oder Totgeburten zur Welt zu bringen.
Eine Malaria der Plazenta ist bei Schwangeren besonders schwer zu diagnostizieren, da sie häufig symptomfrei verläuft und herkömmliche Bluttests die Infektion oft nicht detektieren können. In vielen Fällen lässt sie sich erst nach der Geburt durch die Untersuchung der Plazenta eindeutig nachweisen. „Unser Ziel ist es, einen hochauflösenden Atlas der gestörten molekularen und zellulären Signalwege zu entwickeln, die neue Ansatzpunkte für Therapien bieten könnten“, sagt Wyler.
Ein globales Netzwerk knüpfen
In der Forschungskooperation wird Professorin Amanda Sferruzzi-Perri von der University of Cambridge – eine führende Expertin auf dem Gebiet der Plazentabiologie – „Mini-Plazentas“ im Labor züchten. Damit will sie die biologischen Veränderungen untersuchen, die Krankheiten in der Plazenta auslösen können. Dazu gehören zum Beispiel Unterernährung und ungünstige Lebensumstände.
Wyler und Sferruzzi-Perri arbeiten zudem eng mit Professor Taane Clark und seinem Team vom Malariazentrum der London School of Hygiene & Tropical Medicine zusammen, das auf Parasiten-Genetik und Malaria-Epidemiologie spezialisiert ist. „Unsere Ergebnisse werden zur Entwicklung dringend benötigter Diagnostika und Impfstoffe beitragen“, sagt Clark.
„In den vergangenen Jahren hat die biomedizinische Forschung enorme Fortschritte bei der Entwicklung und Anwendung hochauflösender Methoden gemacht“, sagt Wyler. „Unser Forschungsteam verfolgt einen umfassenden Ansatz, um eine der weltweit am stärksten vernachlässigten Ursachen für Schwangerschaftsverluste zu verstehen – und das an einem Ort, an dem die Not am größten ist.“
Text: Gunjan Sinha
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Dr. Emanuel Wyler
Wissenschaftler in der AG Landthaler
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Gunjan Sinha
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