Ana Pombo

Der Zellkern in 4D

Das „4D Nucleome Program“ untersucht, wie Erbgut in Zellkernen organisiert ist – räumlich und im Laufe der Zeit. Das Team um Ana Pombo vom MDC hat nun als Mitglied des internationalen Forschungskonsortiums eine Förderung des NIH erhalten.

Forschungsteams der Universität von Kalifornien in San Diego, von anderen Einrichtungen in den USA und Italien sowie vom MDC in Deutschland haben eine fünfjährige Förderung vom National Institutes of Health (NIH) Common Fund erhalten, die insgesamt 6,5 Millionen US-Dollar umfasst. Die Teams setzen damit ihre Arbeit im 4D-Nukleom-Programm fort. Diese gemeinsame Forschungsinitiative wurde 2015 ins Leben gerufen. Die Wissenschaftler*innen wollen besser verstehen, wie DNA innerhalb des Zellkerns in den vier Dimensionen (d.h. in den drei räumlichen Dimensionen sowie im Verlauf der Zeit) gefaltet ist und wie sich diese Organisation des Erbguts im Zellkern auf die menschliche Gesundheit und Krankheit auswirken.

Das Programm besteht aus sechs getrennten, aber miteinander verknüpften Initiativen, die von 30 Forschungsgruppen in den Vereinigten Staaten geführt werden. Ihre Ergebnisse werden zentral gesammelt. Professorin Ana Pombo vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) ist Mitglied in einer der geförderten Initiativen, dem „Center for Integrated Multi-Modal and Multi-Scale Nucleome Research“ unter der Leitung von Professor Bing Ren von der UC San Diego. Ihr Labor am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC in Berlin erhält für fünf weitere Jahre 400.000 US-Dollar. Sie hat bereits zwischen 2015 und 2020 zum 4D-Nukleom-Programm beigetragen.

„Diese Förderungen prägen Phase zwei unserer Arbeit“, sagt Bing Ren, Professor für zelluläre und molekulare Medizin, Mitglied des Ludwig Institute for Cancer Research und Direktor des Center for Epigenomics an der UC San Diego School of Medicine. „Der Schwerpunkt der Forschung hat sich verlagert. Und zwar von der Entwicklung leistungsstarker Technologien zur Untersuchung der 3D-Genom-Topologie in Säugetierzellen, die massenhaft in vitro oder in Primärkulturen und im ganzen Gewebe kultiviert wurden, zur Anwendung hochmoderner Technologien auf komplexe Gewebe – und all dies über Entwicklungsstadien, Arten und Zelltypen auf Einzelzellebene hinweg.“

Schwerpunkt auf nicht-kodierenden DNA-Regionen

Die genetische Ursache der meisten Krankheiten ist unbekannt. An Krankheiten, bei denen bestimmte genetische Risikofaktoren identifiziert wurden, ist aber in den meisten Fällen nicht der DNA-Teil beteiligt, der für Proteine kodiert. Stattdessen befinden sich die meisten bekannten genetischen Risikofaktoren für Krankheiten in den nicht-kodierenden Regionen des menschlichen Genoms. Ein großer Teil dieser nicht-kodierenden Regionen regelt genau, wann und wo bestimmte Gene an- und ausgeschaltet werden. Allerdings ist weithin unbekannt, wie all dies in Raum und Zeit funktioniert.

Ein bedeutendes Hindernis für die Entzifferung des menschlichen Genoms ist, dass den Wissenschaftler*innen Karten, Modelle und Werkzeuge fehlen, mit deren Hilfe sie die räumliche und zeitliche Organisation transkriptioneller Steuerungssequenzen im Zellkern nachvollziehen können, die für die Genexpression zuständig sind. Die geplanten Forschungsarbeiten sollen die notwendigen Voraussetzungen für ein umfassenderes Verständnis schaffen, wie Gene Krankheiten verursachen und sich auf diese auswirken.

Unsere Genomikdaten werden dazu beitragen, zelltypspezifische Referenzkarten der 3D-Chromatinarchitektur in den Gehirnen von Mäusen, Makaken und Menschen zu erzeugen.
Ana Pombo
Ana Pombo Leiterin der AG "Epigenetische Regulation und Chromatin Struktur"

Pombo und ihr Team werden sich auf Steuerungsprogramme in einem komplexen Gewebe konzentrieren, dem Gehirn. „Wir werden 3D-Karten erstellen, die zeigen, wie die Chromosomen in verschiedenen Zellen und Geweben des Hirns gefaltet sind und wie sie sich während der Entwicklung verändern. Hierzu werden wir Genome Architecture Mapping (GAM) verwenden, eine spezielle Technologie aus der Genomforschung, die wir am MDC entwickelt haben“, sagt Pombo. „Unsere Genomikdaten werden dazu beitragen, zelltypspezifische Referenzkarten der 3D-Chromatinarchitektur in den Gehirnen von Mäusen, Makaken und Menschen zu erzeugen.“ Das Team wird seine Erkenntnisse, Analysewerkzeuge, Visualisierungsmethoden und Strukturmodelle der breiteren Forschungsgemeinschaft zugänglich machen. Gemeinsam mit dem MDC-Gastwissenschaftler Professor Mario Nicodemi, gefördert durch die Einstein Stiftung, und Professorin Maria-Elena Torres Padilla am Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in München ist Pombos Team eines von drei in Europa, das eine NIH-Förderung innerhalb des neuen Programms erhält.

„4DN Center for Data Integration, Modeling and Visualization“ an der Universität von Kalifornien in San Diego

 

Rund 6,5 Millionen US-Dollar hat die UC San Diego bekommen, um die Programminitiative zum 4D-Nukleom unter der Leitung von Ren fortzusetzen. Zur Initiative gehören Xiaowei Zhuang und Catherine Dulac an der Universität Harvard in Cambridge bei Boston; Ed Lein, Senior Investigator am Allen Institute of Brain Sciences in Seattle; Ana Pombo, Professorin für epigenetische Regulation und Chromatinarchitektur an der Humboldt-Universität zu Berlin und stellvertretende wissenschaftliche Direktorin am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC); Mario Nicodemi, Professor für Physik an der Universität Neapel Federico II; und Ting Wang, Bioinformatiker und Professor für Genetik, Computerwissenschaften und Engineering an der Washington University School of Medicine.

Beitragende Forscher sind Ming Hu, Biostatistiker an der Cleveland Clinic, und Margarita Behrens, Neurowissenschaftlerin am Salk Institute for Biological Studies.

Im Rahmen dieser Initiative wird ein Forschungszentrum aufgebaut, das von der UC San Diego geleitet wird. Ziel ist es, mithilfe hochmoderner, leistungsstarker Bildgebungs-, Genomik- und Rechen-Werkzeuge die Organisation des Zellkerns in Hirnzellen von Labormäusen und Menschen zu untersuchen, um die dreidimensionale Organisation des Säugetiergenoms besser zu verstehen.

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung der UC San Diego (Oktober 2020)

Porträt von Ana Pombo

Drei exzellente Forscher zu Gast am MDC

 

Downloads

Porträtfoto von Ana Pombo. Foto: Pablo Castagnola, MDC

Ana Pombo im Labor. Foto: Pablo Castagnola, MDC

 

Kontakte

Professor Ana Pombo
Leiterin der AG „Epigenetische Regulation und Chromatin-Struktur“

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
Ana.Pombo@mdc-berlin.de

Christina Anders
Redakteurin, Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
+49 30 9406-2118
christina.anders@mdc-berlin.de
oder presse@mdc-berlin.de

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)

 

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den MDC-Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 60 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organübergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das MDC fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am MDC arbeiten 1600 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete MDC zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.